Vom Sieg des Christentums über das Heidentum
Das Weizenkorn des Christentum, vom Herrn in die Furche der Erde gesenkt, hatte eine harte, rauhe Zeit zu bestehen, einen langen 300jährigen Winter voll Sturm und Ungewitter, und wurde mit dem Blut unzähliger Märtyrer begossen. Nun sollte es im Römerreich Frühling werden. Die mächtigen Kaiser, welche wie stolze Eiszapfen geglänzt, waren zerschmolzen und wie schmutziges Wasser in den Boden versunken. Während nun im Römerreich die Kirche ihren Auferstehungs-, ihren Ostertag feierte, wurde sie in Persien furchtbar verfolgt und zwar Jahrhunderte lang mit großer Heftigkeit. Die persischen Herrscher standen den römischen Tyrannen an Grausamkeit nicht nach, sie schickten Tausende als Märtyrer in den Himmel. Im Weltreich Roms schoß das Christentum nach dem Sieg Konstantins I. wie die Aussaat auf fruchtbarem Boden im Frühling herrlich empor. Scharen gingen im weiten Reich in die Kirche ein, neue Bischofssitze wurden errichtet, allenthalben erhoben sich prächtige Gotteshäuser. Freilich ließen sich nun auch viele mehr infolge des allgemeinen Zuges zum Christentum hin oder mehr aus zeitlichen Interessen als aus innerer Überzeugung taufen und brachten die heidnischen Sitten mit in die Kirche.
So entstanden im Schoß der Kirche selbst große Gefahren, der heidnische Weltgeist suchte sich breit zu machen. Um diesen Gefahren zu entgehen, eilten heilsbeflissene Seelen in die Einöde und bevölkerten die Wüsten. Es traten jetzt nach den Märtyrern des Blutes die Märtyrer der Buße auf, die Scharen der Einsiedler, Es eilten schon früher während der blutigen Verfolgungen, namentlich unter Kaiser Decius, zahlreiche Christen, um der Todesgefahr oder der Gefahr der Glaubens-Verleugnung zu entrinnen, in die Wüste, aber die große Wüsten-Bevölkerung mit Mönchen und Einsiedlern geschah in diesem Zeitalter, wo die berühmten Männer der Wüste auftraten, wie ein Heiliger Antonius, Pachonius, Arsenius, die beiden Makarius, Hilarion etc. Aus dem Orient verbreiteten sich die Mönche bald auch nach dem Abendland. Wie aber im Frühling neben der guten Aussaat auch das Unkraut üppig aufschießt, so geschah es auch jetzt im Garten der Kirche. Das Unkraut der Ketzereien wucherte empor und drohte den Samen der Wahrheit zu ersticken. Es erhoben sich in diesem Zeitalter die großen Irrlehrer, welche das Gottesreich der Wahrheit auf Leben und Tod bekämpften. Einen schweren Stand hatten die Päpste, da die Irrlehrer nicht selten die Macht und den Schutz der Kaiser für sich hatten. Nichts desto weniger zerschellten an diesem Felsen – an den Päpsten – die Wogen des Irrtums. Von der Hochwarte ihrer lehramtlichen Stellung herab signalisierten sie die Gefahr und enthüllten die Irrlehren, mochten diese auch im Kleid bestechender Scheingründe auftreten oder mit dem Gewicht weltlicher Macht und menschlicher Autorität sich geltend machen. In diesen schweren Zeiten hatte die Vorsehung den Päpsten den großen Irrlehrern gegenüber auch große Männer, ja eine ganze Reihe der größten Männer der kirchlichen Wissenschaft an die Seite gestellt, um im Kampf für die Wahrheit die Schlachten des Herrn siegreich zu schlagen. Es sind die großen Kirchenväter: die Heiligen Athanasius, Basilius, Cyrillus von Jerusalem, Gregor von Nyssa und Gregor von Nazianz, Johannes Chrysostomus, Hilarius, Ambrosius, Hieronymus, Augustinus etc., dann die großen Päpste selbst, die Heiligen Leo und Gregor. Die entscheidensten Schlachten gegen die damaligen Irrlehren wurden auf den großen Konzilien (Kirchenversammlungen) ausgekämpft, die in diesem Zeitalter gleichfalls abgehalten wurden, in denen die Päpste durch ihre Abgesandten präsidierten und deren Lehrentscheidungen sie durch ihre Bestätigung das Siegel der Unfehlbarkeit aufdrückten. So sehen wir in dieser Periode wieder die Verheißung des Erlösers an Petrus in den Päpsten und durch dieselben erfüllt: „Ich habe für dich gebeten, auf daß dein Glaube nicht wanke, und du hinwieder stärke deine Brüder.“ –
aus: P. Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste 1907, S. 133 – S. 134