Vieira`s Predigt auf das Fest Mariä Namen
Die hohe Würde, unermeßliche Bedeutung und wunderbaren Wirkungen des Namens Mariä
Marias hohe Würde
Dreimal sahen die Engel die heilige Braut (welche das hohe Lied besingt) und die eben Maria ist; und die meisten Schriftausleger bemerken, die Engel hätten eben so oft gefragt, wer doch dieselbe sei: Wer ist diese? (Hohel. 3,6) Die Engel wußten wohl, sie, – erfüllt von allen Tugenden und Gnaden, gleich einer Spezerei, die aus allen Wohlgerüchen bereitet ist, – sie sei einzig die Gebenedeite unter den Weibern: Wer ist sie, die aus der Wüste heraufsteigt, wie eine Rauchsäule von Spezereien aus Myrrhen und Weihrauch (Hohel. 3,6)? Die Engel wußten wohl, sie, die in dieser Welt die Finsternis der Nacht zerstreue und dem Morgen die Tore des Lichtes öffne, wie eine schöne, freudenbringende Morgenröte, sei die Mutter der wahren Sonne: warum fragen sie also, wer sie sei? Wer ist sie, die wie die aufsteigende Morgenröte hervorkommt (a.a.O. 6,9)?
Die Engel wußten wohl, sie, die an der Hand ihres geliebten, göttlichen Sohns von der Erde zum Himmel emporstieg, und nicht Freuden und Wonne suchte, sondern dieselben eben mit sich brachte, – sie sei ihre Gebieterin, die den Triumph ihrer glorreichen Auffahrt feiere; – – warum fragen sie, wer sie sei? Wer ist sie, die heraufsteigt von der Wüste von Lust überfließend, und auf ihren Geliebten gelehnt? Daß sie das erste Mal fragten, das ließe sich entschuldigen, wenn es Menschen gewesen wären; doch wie? sie fragten nicht bloß einmal, sondern so oft, obgleich es Engel waren? Allerdings, und gerade deswegen. Wer nicht aus Unwissenheit fragt, der fragt, weil es ihm Lust und Freude bereitet; und die Freude, welche die Engel dadurch empfinden, daß sie den Namen „Maria“ aussprechen hören, sie ist, wie Richard vom heiligen Laurentius bemerkt, so groß, daß sie, nur – um die Antwort zu vernehmen, es sei Maria, – so oft fragen.
Die Macht und die Hoheit (so ruft jener tiefsinnige, demutvolle Verehrer Mariä derselben entgegen), die Macht und die Hoheit deines Namens, o seligste Jungfrau, ist so groß, daß, wenn wir ihn aussprechen und anrufen, der ganze Himmel freudig lacht und alle Engel sich mitfreuen. In der Tat etwas Wundersames, daß die himmlischen Geister, deren Augen von der Anschauung Gottes erfüllt sind, – noch ein anderes Verlangen, noch eine andre Freude haben. Aber es ist noch wundersamer, daß dieses Verlangen darin besteht, den Namen „Maria“ zu hören, und sie diese Freude dann empfinden, wenn sie denselben hören.
Damit indes Niemand glaube, als wären die Aussprüche dieser so warmen Verehrer Mariä übertrieben, so wird uns Maria selbst, – sie, deren Ausspruch über den eines jeden geschaffenen Wesens – erhaben ist, ungeschminkt die Wahrheit dessen lehren, was wir zu glauben haben. Höre, so spricht Maria zur heiligen Brigitta, höre, wie sehr mein göttlicher Sohn nicht bloß mich geehrt, sondern auch meinen Namen. Mein Name ist Maria; und wenn die Engel diesen Namen hören, da freuen sie sich inniglich und danken Gott dafür; nicht weil sie etwas Neues hören, sondern weil das Andenken an das, was sie schon wissen, und die Freude daran erneuert wird.
Doch nicht bloß die Engel des Himmels, sondern auch jene Engel, die auf Erden die Menschen beschützen, – treten, wenn Jemand den Namen „Maria“ nennt oder anruft, sogleich zu demselben hin, um diesen Namen näher zu hören, und stehen ihm mit noch größerer Sorgfalt bei. Um denn unsere Schutzengel so recht zu den unsrigen zu machen, und so recht ihren liebevollen Beistand zu erhalten, – so besteht das beste Gebet und der größte Dienst, – den wir ihnen darzubringen im Stande sind, – darin, daß wir den Namen „Maria“ oftmals nennen und aussprechen.
Gott ist der Urheber des Namens Mariä
Gott, sagt der heilige Petrus Damiani, indem er den Ursprung des Namens Maria darstellt, Gott hat ihn aus den Schätzen seiner Gottheit herausgenommen. Gott vertraute die Anordnung dieses erhabenen Namens weder dem Adam, noch dem Noe, oder irgend einem von den Patriarchen; weder dem Erzengel Michael, noch dem Gabriel, oder sonst einem von den weisesten Cherubim oder Seraphim; – nein, gleichwie der göttliche Verstand diesen großen Namen gedacht, so sollte er von seinem eigenen Mund ausgesprochen werden. –
Und wer zweifelt daran, daß die höchste und erhabenste Würde, wozu ein Geschöpf gelangen kann, darin besteht, daß sie Gott selbst ganz und gar zu ihrem unmittelbaren Urheber hat?
So war es, und so musste es sein, so zwar, daß es nicht anders sein konnte. Eine große Ehre ist es für den Namen Maria, daß Gott dessen Urheber ist; ein noch größerer Ruhm und Vorzug ist dieses, daß nur Gott dessen Urheber sein konnte. – – Da nämlich die Größe der Mutter Gottes so unermeßlich ist, daß sie bloß der göttliche Verstand erfassen und die Würde und Vollkommenheiten, die sie in sich vereint, und die über jedes Geschöpf erhaben sind, erklären kann: so vermag also nur Gott ihr den Namen zu geben, gleichwie nur Er ihn zu erklären im Stande ist.
Wenn Gott, – bevor er diese demutvolle Jungfrau von Nazareth zur Mutter auserwählte, – ihr den Namen Maria gegeben, – so musste er derselben – kraft dieses Namens, die Würde einer Mutter verleihen, wozu sie vorher bestimmt war, und die hierzu nötigen Eigenschaften und Gnaden; denn würde dem Namen das mangeln, was er bedeutet, und der Person, welcher derselbe gegeben ward, ihre Würde, und der Würde ihre Vorrechte – dann würde Gott (was unmöglich ist) sein Wort nicht halten, und die Benennung würde keine göttliche, ja, nicht einmal eine menschliche sein, wie es jene war, die Adam im Paradiese vollzog.
Wenn auch Adam, wie wir sagten, den Geschöpfen das Dasein nicht geben konnte, so konnte er ihnen doch die Namen geben, die ihrer wesentlichen Beschaffenheit entsprachen und angemessen waren. Und will daraus Jemand folgern: die Namen der anderen Marien, die sie von Menschen erhalten hätten, – sie hätten wenigstens diese Eigentümlichkeit und die Gleichförmigkeit mit seiner Bedeutung: so sage ich, es ist dieses keineswegs der Fall; denn die Erkenntnis, mittelst welcher Adam im Paradiese das Wesen der Tiere erkannte, und ihnen Namen geben konnte, die ihnen entsprechend und angemessen waren, sie glich nicht der natürlichen und unvollkommenen Erkenntnis, die jetzt die Menschen haben, – nein, war eine andere, weit höhere, übernatürliche und eingegossene Erkenntnis, deren Adam und alle seine Nachkommen durch die Sünde beraubt wurden.
Und dieser Mangel ist der Grund, warum die Namen, welche die Menschen jetzt auflegen, dem, was sie damit bezeichnen wollen, entweder widersprechen oder dafür unpassend und davon so recht entfernt sind. Bei Adam selbst finden wir dieses bestätigt. Adam gab seinem Weibe den Namen und nannte sie Eva, ein Name, der „Leben“ bedeutet; und während er den Grund angibt, fügt er einen Irrtum zu einem andern; denn er erklärt, er nenne sie „Leben“, weil sie die Mutter aller Lebendigen sei. (Gen. 3,20) Welch eine Verblendung! Welch eine Torheit! Welch eine Unwissenheit, und welch ein Mangel an Selbsterkenntnis! Wer war es denn anders, der den Tod in die Welt gebracht, – als Eva? Was anders verwandelte die unsterblichen Menschen in sterbliche, als dieses, daß sie Kinder dieser Mutter sind?
So hätte denn Adam, wie der heilige Cyprianus bemerkt, sie „Tod“ nennen sollen, und nicht »Leben«, hätte sie nennen sollen »Mutter der Sterblichen« oder »der Toten«, und nicht »Mutter der Lebendigen«. Doch wenn Adam sich so weise und klug zeigt in Rücksicht auf die Namen der Tiere, warum sehen wir ihn jetzt so unwissend und so vom Irrtum befangen – in Hinsicht aus den Namen seines eigenen Weibes? Den Tieren gab er die Namen, erleuchtet vom übernatürlichen Licht und der übernatürlichen Erkenntnis im Stand der Unschuld; Eva gab er den Namen, verblendet von der natürlichen Unwissenheit im Stande der Sünde. Wie ist’s ein Wunder, wenn die Erben dieser Unwissenheit den Namen Maria Personen gaben, die der Größe und Hoheit dieses erhabenen Namens so wenig entsprachen? Da begegnete der Mutter dasselbe, was dem Sohn widerfuhr, – begegnete dem Namen Maria in Rücksicht auf andere Frauen, die diesen Namen hatten, was Jesus widerfuhr in Hinsicht auf andere Männer, welche diesen Namen führten.
Wer den Namen Maria sicher messen will, der messe ihn vorerst nach der göttlichen Allmacht; denn Alles, was Gott vermochte und vermag, das ist es, was er in diesem unermeßlichen Namen aufgehäuft. Und wenn es alle Macht der Allmacht ist, die allein das Maß des Namens Maria erfüllt, so erwägt, wie ihn nur Gott begreifen, nur Gott aussprechen konnte.
Die Bedeutungen des Namens Mariä
Nachdem ich dargelegt habe, wer der Urheber des Namens Maria gewesen, und daß es nur Gott sein konnte; so muss ich jetzt, wie ich’s versprochen, die Bedeutungen dieses Namens erforschen. Erstlich hat der Name Maria die Bedeutung »der Meeresstern«. Das Meer ist diese Welt, ein Meer, welches voll so großer – Gefahren ist, das ausgesetzt ist so häufigen Stürmen; und wer würde auf einer so langen, so furchtbaren und dunklen Meerfahrt in den Hafen des Himmels einlaufen, würde er nicht von diesem so mild leuchtenden Stern dahin geleitet? Wodurch, so fragt der Papst Innocentius III., wodurch wird es den Seefahrern unter so vielen und so großen Gefahren gelingen, die Küsten des Vaterlandes zu erlangen? Und er antwortet: Nur durch zwei Dinge, ein Schiff und einen Stern. Dieses Schiff ist das Kreuz Christi, der Stern ist Maria.
Die zweite Bedeutung des Namens Maria ist „Herrin“ – im erhabensten Sinn des Wortes; denn nichts ist von ihrer Herrschaft ausgeschlossen. Sie ist die Herrin des Himmels und die Herrin der Erde, die Herrin der Menschen, die Herrin der Engel, ja sogar – auf eine unaussprechliche Weise – die Herrin des Schöpfers der Erde und des Himmels, des Schöpfers, der ihr unterworfen sein wollte und will. Hören wir den so erhabenen Ausspruch des heiligen Bernardus, der eben so erhaben, als wahr ist: Jener Herr, der Sohn Gottes – und der Sohn der heiligsten Jungfrau, – weil er die Herrschaft seiner Mutter der väterlichen Herrschaft gewissermaßen gleichstellen wollte, – er unterwarf sich dieser seiner Mutter auf Erden. Und es geschah dieses, schließt der Heilige, dergestalt in Wahrheit, daß, wie wir in Wahrheit sagen: Alle Dinge gehorchen Gott, selbst Maria; es gleichfalls wahr ist, wenn wir sagen: Alle Dinge gehorchen Maria, selbst Gott.
Die dritte Bedeutung des Namens Maria ist »die Erleuchtende«, sie, die alle Menschen leuchtet. Daher wird die heilige Jungfrau mit jener Feuersäule verglichen, die Nachts dem ganzen Volk Israel in der Wüste leuchtete, so lange es auf der Wanderschaft war – nach dem Land der Verheißung. Nimm, sagt der heilige Bernardus, nimm dieses große, allgemeine Licht, die Sonne, von der Erde hinweg, die sie erleuchtet, – wo wird alsdann der Tag sein? Gleicherweise wird, – wenn du Maria von der Welt hinweg nimmst, Alles mit Dunkelheit, Alles mit Finsternis, Alles mit Todesschatten umhüllt sein. Alles wird ewige Nacht bedecken, ohne daß jemals das Morgenlicht ausgehe. Und wie ist’s ein Wunder, fährt der Heilige fort, daß Maria der Erde leuchte und den Menschen, wenn, nachdem sie in den Himmel eingetreten, das Vaterland der Seligen und diese selbst – von ihrem Glanz umstrahlt, noch heller leuchteten?
Die vierte Bedeutung des süßen Namens Maria, die minder freudig erscheint, – ist „bitteres Meer“. Doch wie kann die Bitterkeit des Meeres oder ein ganzes Meer Raum finden in dem Namen dieser Gebieterin, den wir als unsere Süßigkeit grüßen und anrufen? Wir sehen schon, diese Bitterkeit deutet auf die Schmerzen unter dem Kreuze, die unter diesem Namen von dem Propheten vorhergesagt wurden: Groß ist wie das Meer dein Elend (Jer. Klagel. 2,13).
Doch wenn auch die Woge dieses stürmischen Meeres für die betrübte Mutter so bitter waren; – für uns, die wir die Früchte derselben genießen, sind sie ungemein süß. Denn obgleich die Barmherzigkeit Mariä groß gewesen, so bewirkten doch die Schmerzen, die sie damals empfand, daß sie jetzt noch mehr bereit ist, uns in unseren Schmerzen beizustehen und sie zu heilen.
Die fünfte und erhabenste Bedeutung des Namens „Maria“ ist jene, die der heilige Kirchenlehrer Ambrosius angibt, wenn er sagt: der Name »Maria« bedeute: »Gott ist meines Geschlechtes«. Und welche Bedeutung kann es geben, die erhabener oder so unermeßlich wäre? Als der Apostel Paulus im Areopag zu Athen die hohe Würde des Menschen und dessen Verwandtschaft mit Gott darlegte, da bediente er sich der Worte: Wir sind seines Geschlechtes (Apg. 17,28); – so sind wir Menschen denn göttlichen Geschlechtes, und Gott ist des Geschlechtes Mariä; denn Maria gab ihm das leibliche Dasein. Und das ist’s, was der Name Maria bezeichnet. –
Auszüge aus: Antonio Vieira SJ, Sämmtliche Marienpredigten, I. Band, 1858, S. 162 – S. 181
Gesamte Predigt:
Die hohe Würde, unermessliche Bedeutung und wunderbaren Wirkungen des Namens Mariä