Papst Innozenz III. der christliche Augustus (regierte von 1198-1216)
Als das Christentum in die Welt kam, saß auf dem römischen Kaiserthron der mächtige Augustus; mit diesem Fürsten hat in vieler Beziehung der nun folgende Innozenz III. Daher können wir diesen Papst mit allem Recht „den christlichen Augustus“ nennen.
Während der Regierung des Kaisers Augustus stieg der Sohn Gottes vom Himmel auf die Erde nieder, wurde von drei Fürsten des Morgenlandes als der neu geborene König anerkannt und empfing ihre Huldigungen. Nach der Überlieferung fragte Augustus die Götter, wer nach ihm die Welt regiere und sah hierauf das göttliche Kind in den Armen der Mutter Mariä. Seit dieser Erscheinung auf dem Kapitol in Rom und seit jener Huldigung im Stall zu Bethlehem sind mehr als tausend Jahre vergangen; und jetzt besteigt das göttliche Kind in Person seiner Stellvertreter wirklich den römischen Kaiserthron und Könige huldigen ihm.
Das Glück begünstigte den mächtigen Papst Innozenz. Große Kämpfe waren seiner Regierung voraus gegangen, aber sie hatten nur dazu gedient, um ihm den Weg zur höchsten Macht zu ebnen. Innozenz sah seine Feinde in das Grab sinken. Die Welt sehnte sich nach Ruhe und Frieden und anerkannte freudig die Herrschaft des Christentums.
Der gewaltige Papst Innozenz wurde im Jahre 1161 im Städtchen Anagni geboren, stammte aus der berühmten Familie der Grafen Conti von Segni und hatte in der heiligen Taufe den Namen Lothar erhalten. Über die ersten zwanzig Jahre seines Lebens wissen wir wenig. Weil er drei Kardinäle zu seinen nahen Verwandten zählte, so verdankte er es ohne Zweifel ihrem Einfluß, daß er in die gelehrten Schulen zu Rom kam, aus welchen schon viele berühmte Päpste hervor gegangen waren. Auch ward er noch sehr jung unter die Zahl der römischen Geistlichkeit aufgenommen.
Bald verließ der wißbegierige Jüngling Rom und ging nach Paris. Die hohe Schule dieser Stadt war damals die besuchteste in der ganzen Christenheit. Der Ruhm ihrer Professoren war allbekannt. Von Paris weg eilte Lothar nach Bologna in Italien. Dort befand sich zur damaligen Zeit ebenfalls eine berühmte Schule, aus der ausgezeichnete Männer hervor gegangen waren. Der junge Graf mochte etwa zwanzig Jahre zählen, als er reich an Wissen nach Rom, in das Haus seiner Verwandten zurück kehrte. Eben war Papst Alexander aus diesem Leben geschieden, und hatte Lucius III. Den Heiligen Stuhl bestiegen. Obwohl Lothar noch sehr jung war, betraute ihn der Papst schon mit sehr wichtigen Geschäften; so hatte der Jüngling reichliche Gelegenheit, seine Talente zu zeigen.
Gregor VIII., der Nachfolger des Papstes Urban III., weihte Lothar zum Subdiakon. Unter der Regierung des Papstes Clemens III., seines Onkels, erhielt Lothar den größten Einfluß und, kaum dreißig Jahre alt, die Würde eines Kardinaldiakons, eine Auszeichnung, welche in Rom den allgemeinen Beifall fand.
Am 8. Januar des Jahres 1198, da Papst Cölestin III. begraben wurde, versammelten sich die Kardinäle der römischen Kirche zur neuen Wahl. Sie fiel einstimmig auf den Kardinal Lothar, der damals siebenunddreißig Jahre zählte.
Sogleich wurde der römischen Geistlichkeit und dem Volk die geschehene Wahl verkündet. Ein lauter Jubelruf ging durch die Menge, als der Name des neuen Papstes genannt wurde. Volk, Geistlichkeit und Kardinäle begleiteten ihn in die Kirche des heiligen Johannes im Lateran, wo er den päpstlichen Thron bestieg.
Papst Innozenz III. war Kardinalpriester, als er auf den Heiligen Stuhl erhoben und gekrönt wurde. Der neue Papst vergoß bittere Tränen, da er an die Last dachte, die man ihm auferlegt, und an die Verantwortung, welche ihn vor Gott erwartete. Innozenz brachte aber, wie der französische Geschichtsschreiber Sismodi sagt, ein tiefes Verständnis für die Bedürfnisse seines Vaterlandes und der Kirche, sowie Mut und Kraft eines ritterlichen Mannes und endlich den Ruf der Heiligkeit und Gelehrsamkeit mit auf den päpstlichen Thron.
Ohne Zögern ging der junge Papst an die schwere Arbeit, die sowohl in Italien als auf dem ganzen Erdkreis seiner harrte. „Der Riesengeist des Papstes Innozenz“, sagt der Geschichtsschreiber Damberger, „entwickelte bald eine staunenswerte Tüchtigkeit.“
Nachdem Innozenz seinen Amtsantritt sowohl durch Gesandte als durch Briefe den Fürsten Europas mitgeteilt hatte, brachte er zunächst die Verhältnisse seiner weltlichen Macht in Italien in Ordnung.
Die göttliche Vorsehung begünstigte den Papst bei seinem Unternehmen, in Italien die Ordnung wieder herzustellen. Der päpstliche Hof, die Stadt Rom, der Kirchenstaat, Italien und die Welt empfanden den wohltätigen Einfluß der päpstlichen Tätigkeit. Eine Hauptsorge für den heiligen Vater war, in seiner ganzen Hofhaltung die größte Einfachheit einzuhalten. Er bestrafte habsüchtige Beamte, die im Namen des Papstes, aber ohne seinen Auftrag, große Geldforderungen von den Untertanen erhoben. Trotz seiner Sparsamkeit war Innozenz doch der größte Wohltäter für die Armen und gab bedeutende Summen für alle wichtigen Unternehmungen und Angelegenheiten.
Papst Innozenz begriff recht wohl, wie wichtig es für den obersten Hirten der Christenheit sei, daß er in seiner Wirksamkeit volle Freiheit genieße. Daher war es vom ersten Tag seiner Regierung an sein bestreben, in Rom und im Kirchenstaat jenes Ansehen wieder zu gewinnen, das durch die kaiserlichen Umtriebe und durch die verkehrten Bestrebungen der Republikaner verloren gegangen war. Die Herzen aller schlugen für Innozenz, dessen Gerechtigkeit und Edelmut sich durch unleugbare Tatsachen offenbarten. Im vierten Jahr der Regierung des Papstes entstand eine entsetzliche Hungersnot und entvölkerte Italien. Diese Prüfung Gottes offenbarte recht klar die edle Gesinnung des Papstes. Sein Herz war das eines Vaters, das seinem unglücklichen Volk gehörte. Die weise und äußerst strenge Verwaltung, welche Innozenz gleich am ersten Tag seiner Regierung eingeführt hatte, machte es ihm möglich, nunmehr während sechs Monaten jeden Tag achttausend Dürftige mit Nahrung zu versehen. Das Volk vergalt durch Anhänglichkeit und Liebe diese Wohltaten. Es faßte Zutrauen zu einer Regierung, die sich so edelmütig zeigte.
Sobald Rom wieder zum Gehorsam gegen den Papst, seinen rechtmäßigen Oberhirten und Regenten, gebracht war, schickte sich der kluge Papst an, den ganzen Kirchenstaat unter seine Leitung zu bringen. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 464 – S. 467