Heiligenkalender
16. Februar
Heiliger Onesimus, ehemaliger Sklave und Mitarbeiter des hl. Paulus
Bischof von Ephesus und Märtyrer
(Hochmut und Herablassung)
Es ist seltsam, wie Menschen, die sich Christen nennen, Andere gering achten können, weil diese arm oder in niederem Stande leben. Unser Heiland Jesus Christus ist ja auch so arm gewesen, daß er gesagt hat: „Die Füchse haben ihre Höhlen, die Vögel ihre Nester, aber der Menschensohn hat nicht so viel, wohin er sein Haupt legen kann.“ Und es heißt von ihm in der hl. Schrift Phil. 2: „Er entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an.“ Wer seinen Nebenmenschen verachtet, weil dieser kein Geld, keine hübsche Kleider, kein eigenes Haus hat, und arbeiten muss, um sich sein tägliches Brot zu verdienen, der hat keinen Funken von Christi geist in sich. Einem solchen hochmütigen Weltmenschen muss es einmal ein schrecklicher Zustand sein, wenn dort mancher arme geringe Dienstbote geehrt und erhöht von Gott wird, während er, der Vornehme und Reiche, verachtet und zurück gestoßen bleibt, und wenn er in solche Not kommt, daß er bei jenem bettelt, der früher sein Knecht war, wie der reiche Prasser bei dem armen Lazarus um einen Tropfen Wasser gebettelt hat.
Eben so schlimm und in gewisser Beziehung noch bösartiger ist es aber, seinen Nebenmenschen verachten und verdammen, weil er offenbar ein großer Sünder ist. Du weißt ja nicht, was noch aus ihm wird, und was noch aus dir wird. Du kannst noch in größere Sünden fallen, und er kann sich bekehren und noch ein Heiliger werden. Ein Apostel ist verzweifelt und hat sich gehenkt, und ein ans Kreuz gehenkter Verbrecher kam zum Heiland in das Paradies. Hat Jemand schwer gesündigt, so bete für ihn und gib dir Mühe, ihn zu Gott zurück zu führen, dies ist ein wahrhaft christliches Werk; denn Christus hat ja auf Erden nichts Anderes getan, als gesucht und zurück geführt, was verloren war.Ganz besonders schön und klar erscheint in der Geschichte des Heiligen vom heutigen Tag, wie Gottes Geist in den Menschen, welche sich von ihm leiten lassen, über den Niedergestellten und Sündhaften sich erbarmt, und wie herrlich oft die Furcht eines solchen Erbarmens ist.
Zur Zeit der Apostel lebte in der Stadt Kolossä ein reicher Mann, Namens Philemon, welcher sich durch Paulus zum Christentum bekehren hatte lassen. Damals aber hatte man fast überall Sklaven statt Dienstboten, wie es auch jetzt noch bei den Türken und in manchen Teilen von Amerika ist. Die Sklaven bekamen keinen Lohn, und wurden gerade so gekauft und verkauft und oft auch behandelt wie das Tier im Stall. Philemon hatte auch einen Sklaven Namens Onesimus; dieser war aber ein Taugenichts, der seinen Dienst schlecht führte, seinen Herrn bestahl und zuletzt heimlich davon ging. Er kam auf seiner Flucht nach Rom und begegnete hier dem Apostel Paulus.
So groß und wichtig nun auch die Arbeiten des Apostels Paulus für Bekehrung ganzer Völkerschaften waren, so war ihm doch der arme Sünder Onesimus nicht zu gering, sondern er gab ihm Unterricht im Christentum, bekehrte und taufte ihn. Hierauf schickte der Apostel ihn zu seinem Herrn Philemon nach Kolossä zurück mit einem Brief an denselben, welcher in die hl. Schrift aufgenommen ist.
Nachdem Paulus in diesem Brief den Philemon gegrüßt und gelobt hat wegen seinem lebendigen Glauben und der Liebe, die er an Andern ausübe, fährt er fort: „Ich bitte dich für meinen Sohn Onesimus, den ich in meiner Gefangenschaft erzeugt habe, und jetzt zurück sende. Nimm ihn, das ist mein Herz, auf. Ich hätte ihn gern bei mir behalten, damit er in deinem Namen mich bediene in der Gefangenschaft um des Evangeliums willen. Aber ohne dein Gutbefinden wollte ich nichts tun, damit deine Guttat nicht gleichsam erzwungen sei, sondern freiwillig. Wenn du mir Freund bist, so nimm ihn auf wie mich. Wenn er dir geschadet hat, oder dir etwa schuldig ist, so rechne solches mir auf. Ich Paulus habe es mit meiner Hand unterschrieben, ich werde es bezahlen; ich will nicht sagen, daß du dich selber mir schuldig bist. Ja Bruder, das möchte ich an dir gewinnen im Herrn, erfreue mein Herz in Christus. Im Vertrauen auf deinen Gehorsam habe ich dir geschrieben, ich weiß, daß du noch darüber tust, als ich sage.“
Was Paulus gebittet und gehofft hatte, tat Philemon. Da der entlaufene Sklave Onesimus mit dem Brief des Apostels in Kolossä ankam, wurde er in keiner Weise von Philemon gestraft, sondern bekam seine Freilassung aus der Sklaverei, und wurde wieder zu Paulus nach Rom geschickt, um denselben, da er damals schon 83 Jahre alt und immer noch gefangen war, zu bedienen. Aus einem untreuen Sklaven war aber Onesimus durch die Lehre und Gnade des Heilandes ein so guter zuverlässiger Christ geworden, daß ihn Paulus sogar zum Diakon weihte, wozu die Apostel nur die besten und frömmsten Gläubigen auswählten. Als Paulus seinen Brief an die Kolosser schrieb, schickte er wieder den Onesimus dahin, um den Brief zu überbringen.
Einige Berichte sagen nun über das fernere Leben von dem Onesimus, daß er nach Spanien geschickt worden sei, um daselbst das Evangelium zu predigen. Als er von hier wieder nach Asien zurück gekehrt war, sei er zum Bischof von Ephesus geweiht worden, wo früher Timotheus Bischof gewesen war. Zuletzt sei er als eifriger Christ und Bischof nach Rom gefangen geführt, und daselbst gesteinigt worden.
Das verworfenste verachtetste Geschöpf im Altertum war ein Sklave, und gar ein Sklave, welcher gestohlen hatte und davon gelaufen war. Und dennoch sehen wir in der Geschichte von Onesimus, daß ein solcher armseliger Mensch Gott gut genug war, um ihn zu erhöhen zu dem Höchsten, was man vor Gott auf Erden erreichen kann. Gott bewirkte, daß Onesimus bekehrt wurde, ein christliches Leben führte, die christliche Religion unter den Heiden verbreitete, Bischof wurde, als Märtyrer starb und nun als Heiliger verehrt wird. Und weil Paulus und Philemon auch den Geist Gottes in sich hatten, so zeigten sie auch solche wohlwollende Gesinnung gegen Onesimus, und Gott brauchte sie als Gehilfen bei den Ganden, die er dem Onesimus zuwandte.
Sieh` nun, das ist gerade das vornehmste und edelste Benehmen, wenn man höher gestellt ist, daß man Gott nachahmt, daß man also an verachteten und verkommenen Menschen recht viel Barmherzigkeit übt. Einen Sünder aus seinem Sündenleben erheben, einen rohen unwissenden Menschen unterrichten und bilden, einer von der Welt zurückgesetzten Seele wieder Mut machen und sich um sie annehmen, geringe Herkunft und Stand an Andern nicht verachten, sondern freundlich mit ihnen umgehen, das heißt Gott nachahmen, der auch am liebsten zu den Niedrigen sich wendet, und der das glimmende Docht nicht löscht, und das geknickte Rohr nicht bricht. Und so finden wir bei allen Heiligen, daß, wenn sie auch in hohem Stand vor der Welt waren, sie ganz besonders gut und liebreich waren gegen Arme, Verachtete und Sünder. Wer aber hochfahrend ist und meint, der Bauer und der Dienstbote und der arme Kranke und der Gefangene seien zu gering, als daß er sie als seines Gleichen betrachten dürfe: der hat nicht Christi Geist, sondern den Geist des Widersachers, des Engels, der aus Hoffart ein Teufel geworden ist. Wessen Geist aber in dir ist, dem wirst du am Ende zugesprochen und gehörst ihm an in Ewigkeit. –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 1 Januar bis März, 1872, S. 242 – S. 245