Die höchste Lehrgewalt des Papstes
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Dieser göttliche Geist erhält in ihr die Einheit und Unwandelbarkeit des Glaubens, so daß sie ist die Braut Jesu Christi, ohne Makel und Runzel. (Eph. 5,27), die Säule und Grundveste der Wahrheit (1. Tim. 3,15). Diese wunderbare Gabe, die einer aus Menschen bestehenden und deshalb der bloßen Natur nach fehlbaren Gesellschaft verliehen ist, nennt man Unfehlbarkeit. Vermöge dieser Gabe kann im Schoße der Kirche der Irrtum niemals die Oberhand gewinnen.
Wer auch nur in einem Punkt von ihrer Lehre abweicht, gehört nicht mehr zu ihr.
Der heilige Geist wacht über diesen gesamten Lehrkörper und schützt ihn in seinen Glaubens-Dekreten gegen jeglichen Irrtum.
Sodann muss die Tradition betrachtet werden, welche wie die heilige Schrift das Wort Gottes enthält. Wir finden sie in den Schriften der heiligen Kirchenväter, welche vom Glauben ihrer Zeit Zeugnis ablegen und vor allem aber in der gesamten Handlungsweise der Kirche, die allezeit vom heiligen Geist regiert ist, der sie vor jedem Irrtum, der geeignet wäre die Christenheit auf Irrwege zu führen, sicher stellen muss.
– Gesamter Text siehe: Das höchste Lehramt des Papstes Teil 1 (*)
Indem Christus dieses Fundament legte, musste er es unerschütterlich machen, es gegen jede Zerstörung sicher stellen; sonst würde die Zerstörung des Fundamentes den Einsturz des Gebäudes nach sich ziehen – oder das Gebäude müsste fortan auf einem anderen Fundament ruhen. Wohlan, einesteils kann die Kirche nicht untergehen; andernteils ist nur jene Kirche, die auf Petrus gebaut ist, die Kirche Christi. Daher kann Petrus nicht in Irrtum fallen. Denn wenn der Papst einen Irrtum gegen den Glauben lehren könnte, dann würde ihm entweder die Kirche folgen und dann aufhören die Kirche zu sein, weil sie vom wahren Glauben, ihrem Lebenselement abfiele, oder sie würde ihm nicht folgen, und dann würde sie nicht mehr auf dem Fundament ruhen, auf das Christus sie gegründet hat und würde dadurch gleichfalls den Charakter der wahren Kirche verlieren.
Der Heiland greift bei diesem wunderbaren Werke dadurch ein, daß er durch sein göttliches Gebet bewirkt, daß der Glaube Petri allezeit fest und unerschütterlich bleibt.
Die erste Amtspflicht des Hirten ist, seine Herde zu lehren; denn die Herde kann nur von der Wahrheit leben. Wenn der Hirte, der im Namen seines Meisters die Lämmer und die Schafe weidet, den Irrtum lehren könnte, so würde er entweder seine Herde zu Grunde richten – oder die Schafe würden dem Hirten widerstehen, und wäre es um die Einheit des Schafstalles geschehen. Nun wohlan, die Verheißungen Christi bürgen uns dafür, daß weder das eine noch das andere Unglück möglich ist, weil daraus der Umsturz der Kirche folgen würde. Daraus muss man aber den Schluß ziehen, daß der Papst eben dadurch, daß er der oberste und allgemeine Hirte ist, auch der Gabe der Unfehlbarkeit genießt.
– Gesamter Text siehe: Das höchste Lehramt des Papstes Teil 2 (*)
Es ist daher über jeden Zweifel erhaben, daß die Päpste das Recht Lehrentscheidungen zu erlassen, zu allen Zeiten in der Kirche ausgeübt haben; und ich kenne in der ganzen Geschichte nichts Imposanteres, als diese ununterbrochene Reihe von Lehrentscheidungen, welche eben so sehr für die Wachsamkeit des obersten Hirten Zeugnis ablegen, als für die Zuversicht, mit der er seine Pflicht, seine Brüder zu stärken, jeder Zeit geübt hat.
Damals dachte niemand daran, daß eine Zeit kommen werde, wo doktrinäre Theoretiker die Hypothese einer Trennung zwischen Papst und Kirche ersinnen würden. Die ganze Welt wußte, daß der heilige Stuhl berechtigt sei, je nach Bedürfnis Lehrentscheidungen in Glaubenssachen zu erlassen und daß dieselben jederzeit Aussprüche Petri seien.
– Gesamter Text siehe: Das höchste Lehramt des Papstes Teil 3 (*)
Daraus entspringt auf Seiten des Papstes das Recht zu lehren, und auf Seiten des Leibes der Kirche die Pflicht seine Lehre anzunehmen, weil Petrus in seinen Nachfolgern allezeit fortlebt und in ihnen den Vorzug der Irrtumslosigkeit im Glauben betätigt, den er jenem Gebete verdankt, das Christus für ihn an den Vater richtete.
Die logische Konsequenz dieser Lehre ist die Unfehlbarkeit des apostolischen Stuhles; denn könnte der apostolische Stuhl irren, dann müsste man sagen, daß die Gläubigen verpflichtet seien, mit ihm zu irren.
Die Pforten der Hölle werden weder den Fels überwältigen, auf den Christus seine Kirche baute, noch die Kirche, die von Christus auf den Fels gebaut ist.
Was immer daher von den Pforten der Hölle überwältigt wird, ist weder der Fels, auf den Christus seine Kirche gebaut hat, noch die Kirche, die auf diesem Fels erbaut ist. Der Fels ist unzugänglich für die Schlange, ist stärker als die ihn bekämpfenden Pforten der Hölle; und vermöge dieser seiner Festigkeit können die Pforten der Hölle ihn nicht überwältigen. Aber auch die Kirche, dieser Bau Christi, der als „kluger Baumeister sein Haus auf einem Felsen baute“, hat nichts zu fürchten von den Pforten der Hölle, die zwar jeden überwältigen können, der außerhalb des Felsens und außerhalb der Kirche steht, die aber gegen diese machtlos sind.“
…, daß ferner der Papst nicht bloß das Zentrum der Einheit, sondern auch der unfehlbare Bewahrer der offenbarten Lehre, daß er mit einem Worte, derjenige sei, an den man aus allen Teilen der Kirche behufs Entscheidung der sich erhebenden Glaubensfragen sich wenden muss.
– Gesamter Text siehe: Das höchste Lehramt des Papstes Teil 4 (*)
Wenn die Festigkeit (soliditas) der christlichen Religion beim römischen Stuhle sich findet, so ist es unmöglich anzunehmen, daß dieser Stuhl auch nur einen Tag vom wahren Glauben abweichen könne, ohne das ganze Christentum mit sich in den Untergang zu ziehen. Wenn die Beharrung des apostolischen Stuhles im Glauben auf das Wort Jesu Christi selbst gegründet ist, wie kann man da eine Suspension dieses Glaubens auch nur während eines Tages annehmen? Wenn man um katholisch zu sein, immer und in allem mit dem apostolischen Stuhl übereinstimmen muss, wie kann man dann annehmen, es könne dieser Stuhl auch nur einen Tag dem Irrtum unterliegen?
Die römische Kirche und der Papst sind aber, wo es sich um Glaubensentscheidungen handelt, eines und dasselbe.
Das Betragen und die Handlungen der Päpste liegen überhaupt ganz außerhalb unserer Frage, denn es handelt sich hier nicht um eine Sündelosigkeit des Papstes, sondern um ihre Unfehlbarkeit in Übung ihres obersten Lehramtes.
Es ist einerlei, in welcher Form, ob in der einer Bulle, eines Breves oder eines Dekretes eine solche Entscheidung erfolgt, wenn sie nur gültig promulgiert ist; aber der Papst muss seine Entscheidung der Kirche durch einen unmittelbaren Akt bekannt machen und seine Absicht klar zu erkennen geben, daß er über die Frage, um welche es sich handelt, eine Entscheidung geben wolle und dafür gläubige Unterwerfung verlange, indem er die entgegen gesetzte Lehre als Häresie bezeichnet und jene, die dieselbe fortan verteidigen, für ausgeschlossen von der Kirche erklärt. Die Formen können wechseln, aber das ist die Bedingung eines Glaubensdekretes ex cathedra.
– Gesamter Text siehe: Das höchste Lehramt des Papstes Teil 5 (*)
(*) Die einzelnen Teile des Textes siehe bei: Das höchste Lehramt des Papstes
Textauswahl aus: Dom Prosper Guéranger, Die höchste Lehrgewalt des Papstes, 1870