Die Furcht, vor Gott fremder Sünden teilhaftig zu werden
Beherzigung
Der selige Gottfried legt das Amt eines Generals nieder, aus Furcht, er könnte vor Gott fremder Sünden teilhaftig werden. Ganz recht. – Ein Christ muss nicht allein acht geben, daß er selbst in eigener Person sich nicht versündige, sondern auch, daß er nicht teilhaftig werde jener Sünden die von anderen, besonders von Untergebenen, begangen werden. Der Katechismus lehrt, daß solches geschehe, wenn man anderen zur Sünde rät, andere sündigen heißt, in der Sünde anderer einwilligt, andere zur Sünde reizt, die Sünden anderer lobt, oder denen, die solche begehen, schmeichelt, dazu still schweigt, solche nicht bestraft, oder sich des fremden Gutes teilhaftig macht. Wer dergleichen tut, dem wird die Sünde der anderen bei Gott eben so streng angerechnet, als jene, die er persönlich begeht. Daher wurde dem König David zugerechnet die Ermordung des Urias, dem Pilatus die Geißelung und Kreuzigung Christi, dem König Herodes der Mord so vieler unschuldiger Kinder etc. Der fromme König David hatte sich wegen der gleichen Sünden gefürchtet und zu Gott gerufen: „Reinige mich, o Herr! Von meinen geheimen Sünden, und schone deines Dieners wegen der fremden Sünden“ (Psalm. 18).
Hast nicht auch du, lieber Christ! Ursache, ein Gleiches zu tun? –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 35 – S. 36