Einige Mahnungen des heiligen Philipp Neri
Sein Herz war mit der Zeit für das Heilige und Göttliche so empfindlich geworden, daß er in den zehn letzten Lebensjahren nicht mehr predigen noch öffentlich das heilige Messopfer feiern konnte. Denn wenn er auf der Kanzel von der Liebe Gottes, vom leiden Jesu sprechen wollte, zwangen Ströme von Tränen ihn zum Schweigen: wenn er am Altare stand, konnte er die bei der Wandlung erhobenen Arme nicht wieder senken und bei der Kommunion zwei bis drei Stunden die anbetende Verzückung nicht unterbrechen, während sein Körper einige Fuß hoch über dem Boden schwebte. Was Wunder, daß die Päpste ihn in den wichtigsten Fragen berieten, ihn verehrten, ihm Hände und Kleider küssen wollten.
Seiner erleuchteten Klugheit verdankte ganz Frankreich das Glück, daß es katholisch blieb. Sein König, Heinrich IV., früher Calvinist, war katholisch geworden; im Feuer der Bürgerkriege wurde er wieder Calvinist, kehrte aber bald darauf in den Schoß der Kirche zurück und bat um die Absolution von dem wiederholten Abfall. Papst Klemens VIII., unterstützt von der Mehrzahl der Kardinäle, verweigerte diese Absolution und Aussöhnung den Bitten des Königs und der französischen Geistlichkeit. Philipp Neri, das Unglück Frankreichs durch den Calvinismus und die Bürgerkriege im Falle der Weigerung voraussehend, fastete und betete mehrere Tage mit Baronius, der des Papstes Beichtvater war, zu Gott um Erleuchtung durch den heiligen Geist in dieser Angelegenheit. In der Frühe des dritten Tages sagte Philipp ganz fröhlich zu Baronius: „Heute wird dich der Papst rufen, um bei dir zu beichten: nach der Beichte, ehe du ihn absolvierst, sage ihm: „Der Vater Philipp hat mir aufgetragen, Eurer Heiligkeit weder die Absolution zu erteilen, noch fortzufahren, Ihr Beichtvater zu sein, wenn Sie den König von Frankreich nicht absolvieren.“ So geschah es. Klemens VIII., tief erschüttert durch diese Ankündigung, erwiderte dem zitternden Berichterstatter, er solle ihn nur absolvieren, für das Andere werde er schon sorgen. Sogleich berief er die Kardinäle; Heinrich IV. wurde feierlich absolviert und wieder in den Schoß der Kirche aufgenommen.
Einige Mahnungen des hl. Philipp Neri
1. Der Gehorsam ist der kürzeste Weg zur Vollkommenheit. Wer im geistigen Leben wirklich Fortschritte machen will, der muss sich ganz einem klugen und erfahrenen Beichtvater unterwerfen und demselben an Gottes Statt gehorchen, indem er ihn aufrichtig den Zustand seiner Seele offenbart und ohne seine Rat nie einen Entschluss faßt.
2. Ehe man seinen Beichtvater wählt, bedenke man es wohl; ist er einmal gewählt, so ändere man ihn nur aus den dringendsten Gründen und schenke ihm volles Vertrauen. Denn wenn`s dem Teufel mißlungen ist, einen Menschen zu Fall zu bringe, so wendet er alle seine Kräfte an, Mißtrauen zwischen dem Beichtkind und dem Beichtvater zu säen, und dadurch erreicht er nicht selten nach und nach doch seinen Zweck.
3. Die seligste Jungfrau muss unsere Liebe und unser Trost sein: Die Andacht zu Maria ist uns durchaus notwendig, weil es kein besseres Mittel gibt, von Gott Gnaden zu erlangen, als durch seine heiligste Mutter.
4. Anfänger im geistigen Leben sollen sich besonders in der Betrachtung über die vier letzten Dinge üben. Denn wer nicht in die Hölle hinab steigt, so lange er noch lebt, läuft große Gefahr, dahin zu kommen, wenn er stirbt.
5. Wenn junge Leute sich vor aller Gefahr der Unreinigkeit bewahren wollen, so dürfen sie sich nie unmittelbar nach dem Essen auf ihr eigenes Zimmer zurückziehen, um zu lesen oder zu schreiben, oder sonst etwas zu tun, sondern sie sollen sich mit Andern unterhalten, weil um diese Zeit uns der Teufel mit mehr Heftigkeit anzugreifen pflegt, und dies ist jener Dämon, welcher in der heiligen Schrift der mittägige Teufel heißt. (Psalm 90) Denn in Bezug auf die Reinigkeit gibt es keine größere Gefahr, als diese, die Gefahr nicht zu fürchten; wenn man sich nicht selbst mißtraut und ohne Furcht ist, so ist Alles verloren.
6. Wenn Jemand, der lange Zeit ein geistliches Leben geführt hat, in einen ernstlichen Fehler fällt, so gibt es kein besseres Mittel, ihn wieder aufzurichten, als wenn man ihn ermahnt, seinen Fall irgend einem frommen Freunde zu offenbaren, mit dem er besonders vertraut ist. Dann wird ihn Gott um seiner Demut willen wieder in den ersten Zustand zurückbringen.
7. Einem, der über sein Schicksal klagte, gab er die schöne Lehre: „Mein Sohn, die Größe der Liebe, die Jemand zu Gott hat, erkennt man aus der Größe seines Verlangens, aus Liebe zu Gott Vieles zu leiden: wer ein Kreuz ungeduldig flieht, wird ein anderes, noch schwereres finden; deshalb muss man aus der Not eine Tugend machen. Die Leiden dieser Welt sind die besten Schule der Welt-Verachtung: wer in diese Schule nicht zugelassen wird, der ist als ein wahrhaft Unglücklicher zu bedauern.“ –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 403-404