Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Heinrich IV., deutscher Kaiser
Heinrich IV., * 11.11.1050, folgte seinem Vater Heinrich III. 1056, † 7.8.1106. Nach der schwachen Vormundschaft seiner französischen Mutter Agnes, der er durch die Entführung von Kaiserswerth 1062 entrissen wurde, und nach einer widerspruchsvollen Erziehung durch den strengen Anno v. Köln und den weltmännischen Adalbert v. Bremen stand der schon im 15. Lebensjahr für mündig erklärte hochbegabte und trefflich gebildete, im Charakter aber noch unfertige und unbeherrschte Jüngling vor schwierigen Aufgaben: Verteidigung der gesunkenen königlichen Macht gegen selbstsüchtige Reichsfürsten und Stellungnahme zu den neuen kirchenreformerischen Ideen und kirchenpolitischen Forderungen des cluniazensischen Papsttums. Heinrich suchte im Reich durch den Sturz des Bayern- und Sachsenherzogs Otto v. Nordheim (1071), durch Ausdehnung des Königsgüter und durch Burgenbau in Sachsen die Macht der Krone zu festigen. Den gefährlichen Sachsenaufstand schlug der Sieg bei Hohenburg a. d. Unstrut 1075 nieder.
Inzwischen hatte Hildebrand, bereits unter Nikolaus II. und Alexander II. Leiter der päpstlichen Politik, seit 1073 selber Papst als Gregor VII., glühend durchdrungen von dem Ideal der Reinigung der verweltlichten Kirche und der Aufrichtung des „Reiches Gottes auf Erden“, das Verbot der Simonie und Priesterehe erneuert und im strikten Verbot jeder Laien-Investitur die letzten Folgerungen des Gedankens der kirchlichen Freiheit (schon 1059 Neuordnung der Papstwahl unter Ausschluss des Kaisers) und der Überordnung der geistlichen über die weltliche Gewalt (Programm im Dictatus Papae) gezogen. Vielleicht wäre dem kirchlich gesinnten Heinrich III. ein gütlicher Ausgleich mit den Forderungen gelungen, die den Verzicht auf die seit langem geübte, im Eigenkirchenwesen wurzelnde und seit Otto dem Großen zur Hauptstütze des Königtums gewordene Besetzung der Reichskirchenstellen verlangten; durch den ungestümen jungen König aber kam es zum Ausbruch des Investiturstreites. Die Androhung des Bannes wegen Ignorierung des Investiturverbots und der Nichtentlassung seiner gebannten Räte erwiderte Heinrich im Hochgefühl des Sachsensieges herausfordernd unbesonnen mit der Absetzungs-Erklärung des Papstes zu Worms, Januar 1076.
Gregor antwortete mit Bann und mit Entbindung der Untertanen vom Treueid. Die bisher unerhörten Kampfmittel trafen den König schwer. Ein neuer Sachsenaufstand und das Ultimatum der Fürsten zu Tribur Oktober 1076 machten seine Lage verzweifelt. Durch seine Selbstverdemütigung zu Canossa Januar 1077, die als Kirchenbuße im Geist der Zeit keine Entwürdigung bedeutete, erwirkte Heinrich Lösung vom Bann, durchkreuzte aber auch die Pläne seiner Gegner. Das für Lichtmess 1077 zu Augsburg vorgesehene päpstliche Schiedsgericht unterblieb. Gegen die dennoch aufrecht erhaltene Opposition der Fürsten (Versammlung zu Forchheim März 1077) und das Gegenkönigtum Rudolfs von Rheinfelden konnte sich Heinrich mit Unterstützung des Bürgertums, der Ministerialen und des den Reformen widerstrebenden Großteils des deutschen Klerus behaupten.
Die Gegnerschaft zu Gregor VII. hatte unterdessen durch erneute gegenseitige Bannung bzw. Absetzung und durch Aufstellung des Gegenpapstes Klemens III. noch schärfere Formen angenommen. Heinrich suchte kriegerische Entscheidung, schloss Gregor in der Engelsburg ein und nahm aus den Händen des Gegenpapstes 1084 die Kaiserkrone. Zwar starb Gregor VII. 1085, aber seine Ideen wirkten weiter. Nach Deutschland zurückgekehrt, trat Heinrich für den Gottesfrieden ein und wurde des Gegenkönigs Hermann v. Salm ledig. Unter Papst Urban II. 1088 bis 1099, der Gregors Programm in aller Schärfe, aber mit beweglicherer Methode fortführte, lebte der Kampf verstärkt wieder auf. Die zwischen Mathilde v. Tuszien und dem jungen Welf v. Bayern vermittelte Ehe und die Herüberziehung seines Sohnes Konrad zur päpstlichen Partei erschütterten Heinrichs Stellung in Italien; die von Urban geleitete Kreuzzugs-Bewegung stellte den Papst an die Spitze des Abendlandes; der König trat völlig in den Hintergrund. Trotzdem hielt er sich in Deutschland gegen die von Bischof Gebhard v. Konstanz und den Hirsauern geführte gregorianische Partei, bis die Empörung seines Sohnes Heinrich (siehe Heinrich V.) den Bürgerkrieg 1104 neu entfesselte. Vom Sohn durch Wortbruch und Verrat zur Abdankung gezwungen, starb Heinrich vor der Entscheidung in Lüttich. Erst nach dem Tod vom Bann gelöst, fand er 1111 im Speyerer Dom die letzte Ruhe. –
Eine gerechte Beurteilung seiner schon von den Zeitgenossen und noch heute umstrittenen Person und Regierung darf nicht die unglücklichen Umstände und Nachwirkungen seiner Jugendjahre und die von ihm überkommenen und verfochtenen Traditionen der deutschen Königspolitik übersehen. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. IV, 1932, Sp. 913 – Sp. 915