Die Berufung und Sendung zum Apostelamt
Fortsetzung von: Die Berufsgnade des Apostolates
Ist der Apostel ein gesandter Christi, und die Sendung zum Apostolat eine göttliche; so folgt daraus, daß Niemand eine apostolische Sendung, oder den Beruf zur Teilnahme an derselben, das ist, zum Priestertum überhaupt sich selbst geben könne, ohne ein unberechtigter und vermessener Eindringling zu sein, als solcher aller Fähigkeit zum Amt zu entbehren, und nur Unheil und Verderben für sich und andere zu stiften; sondern daß jedermann von Gott dazu berufen werden, einen göttlichen Beruf haben müsse. Daher schreibt der heilige Apostel Paulus: „Niemand nimmt sich selbst die Würde, sondern der von Gott berufen wird, wie Aaron“ (53); ja er sagt sogar: „So hat auch Christus nicht sich selbst verherrlicht, Hoherpriester zu werden, sondern der der zu ihm geredet hat: Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt. Wie er auch an einer andern Stelle spricht: Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedechs.“ (54)
Geradezu verbrecherisch wäre es aber, sich widerrechtlich und mit Gewalt in das Apostelamt einzudrängen, oder sich von einer unbotmäßigen Gewalt eindrängen zu lassen, wie es die Schismatiker und Irrlehrer tun. Christus der Herr sagt von Solchen: „Wahrlich, wahrlich sage ich euch: Wer nicht zur Türe in den Schafstall eingeht, sondern anderswo hinein steigt; der ist ein Dieb und ein Mörder. Wer aber zur Türe hinein geht, der ist ein Hirt der Schafe. – Wahrlich, wahrlich sage ich euch: Ich bin die Türe zu den Schafen. – Ein Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu morden und zu verderben.“ (55)
Gott aber beruft die von ihm von Ewigkeit her Erwählten ordentlicher Weise entweder durch den innerlichen Antrieb seiner Gnade, oder äußerlich durch die rechtmäßigen Vorgesetzten, seine Stellvertreter, oder zuweilen auch auf eine außerordentliche Weise durch die Vermittlung einer Offenbarung. Des Berufenen Sache aber ist es, sich eines solchen Berufes mit Gottes Gnade würdig zu machen; denn der heilige Ambrosius schreibt: „Durchaus würdig muss der Mann sein, welcher Allen als ein Solcher voran gestellt wird, dem sie folgen sollen.“ (56) Es ist dann Sache der Kirche, jeden Beruf zu prüfen, ob er von Gott komme, und ob die für diesen Beruf erforderlichen natürlichen Fähigkeiten und übernatürlichen Gaben und Gnaden des heiligen Geistes vorhanden seien; Jeden aber zurückzuweisen, welchem diese Erfordernisse fehlen; denn „man muss“, wie der heilige Papst Leo I. schreibt, „sich alle Mühe geben, daß in der Wahl nicht geirrt werde; denn der Stand und die Ordnung der ganzen Familie des Herrn wird wanken, wenn, was am Leibe erfordert wird, am Haupt nicht gefunden wird“ (57); und wie der heilige Papst Gregor der Große sagt: „Der soll zum Amt erwählt werden, welchen das Leben und die Sitten als würdig erweisen; und es soll nicht geduldet werden, daß Jemand durch Geldspenden oder durch Empfehlung von was immer für Personen oder durch Verwandtschaft den Zutritt erlange.“ (58)
Ist es ausschließlich die Sache Gottes, Jemanden zum Apostelamt zu berufen, und Sache seiner Kirche, diesen Beruf und die Tauglichkeit zu demselben zu prüfen, zu diesem Amt zuzulassen, oder von demselben auszuschließen; so steht es keinem andern Menschen und keiner andern Autorität oder Gewalt zu, Jemanden einen solchen Beruf oder eine solche Sendung zu geben. Denn Christus hat ein solches Recht weder dem Synedrium, noch dem Statthalter Pilatus, noch dem König Herodes, noch dem Kaiser Tiberius, noch dem Juden- oder Heidenvolk, noch der öffentlichen Meinung zugestanden, oder irgend Jemandem außer seinen Bevollmächtigten dazu für tauglich oder fähig erklärt. So haben es auch die Apostel gehalten, und dieses Recht hat auch die Kirche zu allen Zeiten ausschließlich sich selbst vorbehalten. So sagt das Konzil von Trient: „Die heilige Synode lehrt, daß in der Weihe der Bischöfe, der Priester und der übrigen Kleriker weder die Zustimmung, noch die Berufung, noch die Autorität des Volkes, oder was immer für einer weltlichen Macht und Obrigkeit dergestalt erforderlich sei, als wenn die Weihe sonst ungültig wäre; sondern sie entscheidet vielmehr, daß diejenigen, welche nur von dem Volk oder von einer weltlichen Macht und Obrigkeit berufen und eingesetzt, zur Ausübung dieser Ämter empor steigen, und welche dieselben aus eigener Vermessenheit sich aneignen, alle nicht für Diener der Kirche, sondern für Diebe und Mörder, die nicht durch die Türe eingegangen sind, zu halten seien.“ (59)
Wo aber Schwachheit oder Bosheit oder Gewalt Unwürdige in das Heiligtum einführte, da hat sich immer das Wort des heiligen Papstes Leo I. bewahrheitet: „Der fügt sich selbst schweren Schaden zu, welcher zur Teilnahme an seiner Würde einen Unwürdigen erwählt (60); und das Wort des heiligen Papstes Gregor des Großen: „Wer einen fleischlich gesinnten Vorsteher erwählt, der verschuldet so viele Strafen, als jener schlechte Beispiele gibt.“ (61) Wenn aber eine feindliche Macht den Gläubigen Hirten aufzwingt, welche deren eigene Gesinnung hegen, mit ihr an der Verheerung und Zerstörung der Kirche arbeiten; und wenn sie zu diesem gottlosen Zweck sogar unter den Schlechten die Schlechteren aussucht: dann geschieht, was der Kardinal Hugo mit folgenden Worten beklagt: „Oft wird nicht aus den Guten der Bessere, sondern aus den Schlechten der Schlechtere erwählt; und darin gleichen die Wählenden den Teufeln, welche den schlimmsten Teufel zum Haupt gesetzt haben.“ (62)
Ist das Apostelamt ein durchaus göttliches Amt, dessen Verwaltung göttliche Zwecke mit göttlichen Vollmachten und göttlichen Mitteln anstrebt; so muss von demselben naturnotwendig jede profane und weltliche Hand ausgeschlossen und fern gehalten werden. Jeder unberechtigte Eingriff in dasselbe wäre ein sakrilegisches Verbrechen. Daher hat Christus und haben die Apostel eine jede solche Einmischung, welche entweder die Ausübung dieses Amtes verhindern oder stören oder beeinflussen wollte, zurück gewiesen und ihr Werk auch trotz derselben und auf Leben und Tod durchgeführt; denn was Gott angeordnet, was Gott bestimmt und festgesetzt hat, das zu verhindern oder anders zu ordnen hat kein Geschöpf das Recht, und in dieser Beziehung wiederholt die Kirche in allen ihren apostolischen Männern immer und überall und jeder Autorität und Macht gegenüber das weltgeschichtliche und unüberwindliche Wort der ersten Apostel: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ (63) – „Wir können nicht.“ (64) So sprach einst Hosius, der Bischof von Corduba, zum Kaiser Konstantin: „Laß ab, o Kaiser! Ich bitte dich, und mische dich nicht in kirchliche Angelegenheiten, und erteile uns in dieser Beziehung keine Befehle; sondern lerne solche Dinge vielmehr von uns; dir hat Gott das Reich übertragen, uns aber anvertraut, was die Kirche betrifft.“ (65) Der heilige Ambrosius, welcher dem Kaiser Theodosius den Eintritt in die Kirche verwehrt, bis er Buße tat, der Kaiserin Justina in ihren ungerechten Forderungen widerstanden hat, sprach zum Kaiser Valentinian: „Laß dich, o Kaiser! von der Meinung nicht einnehmen, als hättest du auf göttliche Dinge ein kaiserliches Recht; dem Kaiser gehören die Paläste, die Kirchen dem Priester.“ (66)
Noch kräftiger trat der heilige Hilarius, Bischof von Poitiers, gegen den Kaiser Constantius auf, welcher der Sekte der Arianer huldigte, und die Kirche verfolgte… Dasselbe Schauspiel dem Wesen nach, nur verschieden in den Personen und Formen, wird in dieser Welt bald da, bald dort, jetzt ruhiger, dann stürmischer, immerfort aufgeführt; es bleibt sich der Feind, und es bleibt sich die Kirche allzeit und überall gleich. Darum ist das Apostolat immer auch ein Martyrium; Beides aber ist große Gnade, und trägt den Stempel des Göttlichen an der Stirne.
Anmerkungen:
(53) Hebr. c. I. v. 4.
(54) Ibid. v. 5.6.
(55) Joann. c. X. v. 1.2.7.10.
(56) Libr. X. Epist. 82. ad Vercellens. Eccles.
(57) Epist. 87. ad Episc. Afric. c. 1.
(58) In Registr. Libr. VII. indict. 1. c. 5. Epits. 5. ad Brunichildam Reg. Franc.
(59) Sess. XXIII. c. 4.
(60) Loc. Cit.
(61) Libr. V. in I. Reg. c. II.
(62) Super Luc. v. VI.
(63) Act. Ap. c. V. v. 29.
(64) Ibid. c. IV. v. 20.
(65) Refert. S. Athanas. In Epist. Ad solitarios.
(66) In Epist. ad S. Marcellinam sororem. –
aus: Georg Patiss SJ, Paulus in seinen apostolischen Tugenden, 1881, S. 25 – S. 31