Die Weisen oder Magier aus dem Morgenland
Die Weisen im Königspalast
Als Jesus in Bethlehem geboren war, siehe, da kamen Weise (*) aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen. „Wo ist der neugeborene König der Juden? Denn wir haben seinen Stern im Morgenland gesehen und sind gekommen, ihn anzubeten.“ Als aber der König Herodes dies hörte, erschrak er und ganz Jerusalem mit ihm. (**) Und er versammelte alle Vorsteher der Priester und die Schriftgelehrten des Volkes (Anm.: vermutlich das Synedrium, den Hohen Rat) und fragte sie, wo Christus geboren werden sollte. Sie aber sprachen zu ihm: „In Bethlehem, im Stamm Juda. Denn so steht bei dem Propheten (Michäas) geschrieben (Mich. 5,2): Du, Bethlehem, im Lande Juda, bist keineswegs die geringste unter den Fürsten-Städten Judas; denn aus dir wird hervor gehen der Fürst, der mein Volk Israel regieren soll.“ Da berief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erforschte genau von ihnen die Zeit, in der ihnen der Stern erschienen war. Dann entließ er sie nach Bethlehem mit den Worten: „Gehet und forschet genau nach dem Kinde; und wenn ihr es gefunden habt, so zeigt es mir an, damit auch ich komme und es anbete.“ (***)
Sie machten sich sogleich auf den Weg. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen, ging vor ihnen voraus, bis er über dem Ort, wo das Kind war, stille stand. Als sie aber den Stern sahen, hatten sie eine überaus große Freude.
(*) Im Text der Heiligen Schrift „Magier“; dies ist der griechische Ausdruck für den in der phönizisch-hebräischen Kulturwelt üblichen Berufsnamen „Elymas“ (Apg. 13,8), dieser aber bedeutet „Astrolog“.
(**) Herodes erschrak, weil er seinen so mühsam errungenen Thron durch einen national-jüdischen König zu verlieren fürchtete. Jerusalem erschrak, weil man dort aus trauriger Erfahrung wußte, welch blutige Gräueltaten der maßlose Ehrgeiz dieses Fürsten fähig sei, wenn es sich um die Behauptung seines Thrones handelte.
(***) In seiner Schlauheit rechnete Herodes darauf, daß man diesen guten Weisen, die zur Anbetung des Kindes gekommen waren, dasselbe unbedenklich zeigen werde, während man es vor ihm sorgfältig verbergen würde. Seine Schlauheit und Heuchelei sollte ihm aber ebenso wenig nützen, wie seine nachherige unvernünftige Grausamkeit.
Die Zeit der Ankunft der Weisen
Mit der ältesten Evangelien-Harmonie, dem um das Jahr 175 abgefaßten „Diatessaron“ Tatians, und mit der Mehrzahl der Exegeten verlegen wir die Ankunft der Magier in Bethlehem in die Zeit nach der Darstellung Jesu im Tempel. Denn 1) erklärt sich so besser die Tatsache, daß Herodes auf Grund genauer Erforschung der Zeit, in der den Weisen der Stern erschienen war, die Knäblein „von zwei Jahren und darunter“ zu ermorden befahl. 2) Wäre der Besuch der Weisen vor der Darstellung Jesu gewesen, so müßte man annehmen, der von den Weisen getäuschte Herodes hätte mit der Ausführung seines Mordplanes noch so lange gezögert, daß die Darstellung Jesu durch Maria und Joseph möglich gewesen wäre. Ein solches Zögern aber wäre psychologisch unbegreifbar. Verlegt man dagegen den Besuch der Weisen in die Zeit nach der Darstellung Jesu im Tempel, so fällt jede Schwierigkeit weg.
Die kirchliche Liturgie verlegt das Erscheinen der Magier seit ältester Zeit auf den 6. Januar, somit vor die Darstellung Jesu. Allein es kommt der Kirche hiermit nicht darauf an, das Datum des Besuches oder die Reihenfolge der Begebenheiten anzugeben. Für diese Fixierung des Festes war der Kirche die innere Verknüpfung des Geheimnisses maßgebend. Auf die Geburt des Herrn und seine Offenbarung an die Juden (Hirten) wollte sie gleich nach dem Fest der Beschneidung seine Offenbarung an die Heiden (Epiphanie = Erscheinung, Offenbarung) feiern, ähnlich wie ja auch die Feste des hl. Stephanus, Johannes und der Unschuldigen Kinder nicht der Zeitfolge entsprechend, sondern wegen ihrer inneren Beziehung zum weihnachtsfest mit diesem verbunden sind. Überdies war von jeher und ist heute noch das Fest Epiphanie ein Kollektivfest, d.h. es faßt mehrere Ereignisse aus dem Leben Jesu zusammen, bei denen seine Gottheit in die Erscheinung trat. Die Antiphon zum Benediktus hebt diese Ereignisse schön hervor: „Heute wurde die Kirche dem himmlischen Bräutigam verbunden, indem Christus (bei der Taufe) im Jordan ihre Sünden abwusch; es eilen mit Geschenken die Magier zur königlichen Hochzeit (der Menschwerdung), und über den (bei der Hochzeit zu Kana) aus Wasser gewordenen Wein freuen sich die Gäste.“
Der Name Magier und Könige
Die Heilige Schrift nennt die Weisen aus dem Morgenland „Magier“. Dieser Name kommt für die medisch-persische wie für die chaldäische Priester- und Gelehrtenkaste vor, die sich hauptsächlich mit Naturwissenschaft, Astrologie und Theologie befaßte. Die Magier wurden bei wichtigen Entscheidungen stets zu Rate gezogen. Sie waren Ratgeber der Könige, Erzieher der Prinzen und übten großen Einfluß auf die Staatsgeschäfte. Ihre Vorsteher hatten wohl fürstlichen Rang; so erscheint bei Jeremias (39, 3 u.13) der „Obermagier“ unter den höchsten Fürsten Nabuchodonosors. In diesem allgemeineren Sinn kann man wohl auch die Magier unserer Geschichte „Könige“ nennen. Könige im Sinne selbständig regierender Fürsten waren sie nicht, denn das Evangelium weiß davon nichts; Matthäus aber hätte sicherlich nicht unterlassen, diese Würde hervor zu heben, da er dann, seiner Gewohnheit treu, auf die Erfüllung der in Ps. 71, 9-11 und Jes. 60, 1ff. ausgesprochenen Weissagung hätte hinweisen können. Gerad aus der Reflexion über diese Stellen scheint in der christlichen Legende der Name „Könige“ für die Magier in Übung gekommen zu sein. Auch die „altchristliche Darstellung der Magier weiß noch nichts von dem königlichen Rang, den ihnen das Mittelalter (seit dem 6. Jahrhundert?) zuwies und den die Kunst erst seit dem 8. Jahrhundert darstellt.“
Die Zahl der Magier
wird in der abendländischen Tradition gewöhnlich auf drei angegeben. Die ältesten Väter beobachten hierüber Schweigen. Origenes scheint zuerst die Dreizahl zu nennen. Die ältesten bildlichen Darstellungen halten diese Zahl fest (s. Bild).
Von der Grabplatte der Severa (3. Jahrh.) Rom, Lateran
Nur zweimal, auf dem Fresko von San Pietro e Marcellino und dem von Santa Domitilla, wird eine Ausnahme gemacht, „und zwar aus Gründen der symmetrischen Anordnung, indem einmal zwei, das andere Mal vier Magier erscheinen“. Doch kann die Möglichkeit nicht bestritten werden, daß bei den bildlichen Darstellungen gerade aus der Dreizahl der Geschenke die Dreizahl der Personen geflossen ist, insofern man jedes der Geschenke je einer Person in die Hand gab. Aus den ältesten christlichen Denkmälern läßt sich also für die Zahl ein strikter historischer Beweis nicht führen. Die römische Liturgie nennt weder in der Messe noch im Brevier eine Zahl der Personen; sie spricht nur mit der Heiligen Schrift von der Dreizahl der Geschenke.
Die Namen der Weisen
finden sich zum ersten Mal angegeben in einer Handschrift der Pariser Bibliothek aus dem Ende des 7. oder Anfang des 8. Jahrhunderts. Es sind dies die Namen Bithisarea, Melchior, Gathaspa. Die heute gangbaren Namen Kaspar, Melchior, Balthasar nennt zuerst Agnellus, ein Geschichtsschreiber des 9. Jahrhunderts, in seinem Liber Pontificalis Ecclesiae Ravennatis. Die Unsicherheit der Namen hat auf die kirchliche Verehrung keinen Einfluß. Denn die kirchliche Verehrung gilt den Magiern, die den Heiland angebetet haben, mit welchen Namen auch immer die Legende sie benennt. In der christlichen Kunst werden sie seit dem 12. Jahrhundert dargestellt als Vertreter der drei Menschenalter oder der drei Stammväter des Menschen-Geschlechtes nach der Sündflut: Melchior, grau und mit einem langen Bart, als Vertreter der Nachkommenschaft Japhets (Europa), er opfert das Gold; Kaspar, jung und rötlich, der Vertreter der Nachkommenschaft Sems (Asien), opfert den Weihrauch; Balthasar, braun mit vollem Bart, der Vertreter der Nachkommen Chams (Afrika), bringt die Myrrhen dar. Auch sei hier bemerkt, daß bei den mittelalterlichen Malern (besonders bei Fiesole und im berühmten Kölner Dombild) vorzüglich anbetende Huldigung und innige Verehrung zum Ausdruck gebracht wird, während die Renaissance (z.B. Benozzo Gozzoli, Boticelli) vielfach möglichst pompöses Zeremoniell und großes Gefolge, in dem oft Zeitgenossen portraitiert sind, darstellt.
Die Heimat und Herkunft der Weisen
läßt sich nur annähernd bestimmen. Denn „das Morgenland“ ist für den heiligen Schriftsteller alles Land, das östlich von Palästina liegt. Man hat an Arabien, Persien, Chaldäa gedacht. Der hl. Justin und manche Neuere weisen auf Arabien hin, das auch gewöhnlich im Sprachgebrauch der Heiligen Schrift als Orient, Osten bezeichnet wird. Die Mehrzahl der ältesten Ausleger hält die Magier für Perser…, Origenes und andere ältere Ausleger nennen Chaldäa die Heimat der Weisen. Für dieses Land, die eigentliche Heimat der Astrologie, dürfte am meisten die Tatsache sprechen, daß die Weisen bei ihrer Erforschung des Himmels auf den „Stern des neu geborenen Königs der Juden“ aufmerksam wurden. Kenntnis von der Bedeutung des Sternes konnten die Weisen, wenn zu dem äußeren Gnadenruf der innere kam, leicht besitzen. Denn mannigfach waren die Beziehungen dieser Länder zu dem Volk Israel, besonders seit der Babylonischen Gefangenschaft. Die Erwartung der Juden war ihnen nicht unbekannt. Es scheint urkundlich sicher genug bezeugt, daß die Völker des Ostens seit langer Zeit ihre Blicke auf einen kommenden König richteten, der im Westen ihrer Wohnsitze auftreten werde. –
aus: Schuster/Holzammer, Handbuch der Biblischen Geschichte, Bd. II, Neues Testament, 1910, S. 126 – S. 129