Jesus wird gekreuzigt auf Golgotha

Jesus mit dem Rohr in der Hand, auf der rechten ist Judas zu sehen

 Jesus der Heiland wird gekreuzigt auf Golgotha

Jetzt ergriffen die Soldaten Jesus, nahmen ihm den Purpurmantel ab, zogen ihm seine Kleider wieder an und führten ihn fort, um ihn zu kreuzigen. Und er trug sein Kreuz hinaus zur Richtstätte (1) Mit ihm führten sie zwei Straßenräuber hinaus zur Kreuzigung. Auf dem Wege ergriffen sie einen gewissen Simon von Cyrene (2), der eben vom Felde kam und vorüber gehen wollte, den Vater des Alexander und Rufus, und zwangen ihn (3), Jesus das Kreuz nachzutragen (4).

Es folgte eine große Volksmenge, darunter auch Frauen, die ihn beklagten und beweinten (5). Jesus aber wandte sich zu ihnen und sprach: „Ihr Töchter Jerusalems, weinet nicht über mich, sondern über euer selbst und über eure Kinder. Denn siehe, es werden Tage kommen, da man sagen wird: Selig die Kinderlosen, die nicht geboren, und die Brüste, die nicht gesäugt haben. Da wird man anfangen, zu den Bergen zu sagen: Fallet über uns! Und zu den Hügeln: Bedecket uns! (6) Denn wenn man am grünen Holz das tut, was wird mit dem dürren geschehen?“ (7)

Als man an dem Ort ankam, der hebräisch Golgotha, lateinisch Kalvaria, d.i. Schädelstätte (8), heißt, reichten die Soldaten ihm Wein zu trinken, der mit Myrrhe und Galle gemischt war; und da er ihn gekostet, wollte er nicht davon trinken (9). Dann zogen sie ihm die Kleider aus (10) und kreuzigten ihn (11). Mit ihm kreuzigten sie die zwei Missetäter, den einen zur Rechten, den andern zur Linken. Da wurde die Schrift erfüllt, die sagt: „Er ist unter die Übeltäter gerechnet worden.“ (12)

Pilatus hatte auch eine Überschrift verfaßt; diese hefteten sie als Angabe der Ursache seines Todes über dem Kreuz an; sie war hebräisch, griechisch und lateinisch geschrieben und lautete: „Jesus von Nazareth, König der Juden“. Diese Überschrift nun lasen viele Juden, weil der Ort nahe bei der Stadt war. Darum sprachen die Hohenpriester zu Pilatus: „Schreibe nicht: Der König der Juden, sondern: Er hat gesagt: Ich bin der König der Juden.“ Pilatus erwiderte: „Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben.“ (13)

Nachdem die Soldaten Jesus gekreuzigt hatten, nahmen sie seine Kleider (aus denen sie vier Teile machten, für jeden der Soldaten einen Teil) und den Rock (14). Der Rock aber war ohne Naht, von oben an durchaus gewoben. Sie sprachen daher zueinander: „Wir wollen ihn nicht zerteilen, sondern das Los darüber werfen, wem er gehören soll“ (15); damit die Schrift erfüllt würde, die sagt: „Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und über mein Gewand das Los geworfen.“ (16) Das taten die Soldaten; dann setzten sie sich hin und bewachten ihn.

(1) Um die Schmach und Härte der Todesstrafe zu vermehren, hielt man die Verurteilten gewöhnlich an, das Werkzeug ihrer Marter selbst zur Richtstätte zu schleppen. – Schweigend, wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, und seinen Mund nicht auftut (Is. 53,7), überläßt sich Jesus dem, der ihn ungerecht verurteilt (1.Petr. 2,23), und den Henkersknechten, die sich anschicken, das Urteil zu vollziehen.
(2) Er war wohl ein Jude aus Cyrene in Nordafrika, westlich von Ägypten. Der vierte Teil der Bewohnen von Cyrene waren Juden, die auch in Jerusalem eine eigene Synagoge hatten. (Apg. 6,9; Josephus, Jüd. Altert. 14,7,2). Simons Söhne, Alexander und Rufus, die der hl. Markus nennt, waren offenbar den Christen in Rom, für die Markus sein Evangelium schrieb, bekannt, und Rufus ist wohl derselbe, den auch der hl. Paulus in seinem Brief an die Römer grüßen läßt mit den Worten: „Grüßet den Rufus, den Auserwählten im Herrn, und seine Mutter, die auch die meinige ist.“ (Röm. 16,13) Dagegen ist Alexander, der der hl. Markus offenbar anerkennend neben Rufus nennt, sicher nicht der vom hl. Paulus aus der Kirche ausgeschlossene Ephesier Alexander. (1. Tim. 1,20; 2. Tim. 4,14) – Simon trug wahrscheinlich zuerst das Kreuz nur aus Zwang und mit großem Widerwillen. Als er später im Licht des Glaubens erkannte, daß er gewürdigt worden, seinen Heiland zu unterstützen und das Vorbild jener zu sein, die aus Liebe zu Jesus ihm das Kreuz nachtragen, da schätzte er sich ohne Zweifel sehr glücklich. Beachte: er musste, wollte, durfte das Kreuz tragen.
(3) In dem rücksichtslosen Übermut, mit dem die römischen Soldaten überhaupt unter den unterworfenen Völkern verfuhren, zwangen sie den ersten besten, der ihnen in den Weg kam, die Last des Kreuzes sich aufzuladen. Offenbar fürchteten sie, Jesus möchte unterwegs erliegen, was nach den ausgestandenen Mißhandlungen freilich nicht zu verwundern war.
(4) Der Ausdruck scheint darauf hinzuweisen, daß Simon das ganze Kreuz hinter dem Heiland her trug. (Mt. 27,32); Mk. 15,21)
(5) Lk. 23,27-31
(6) Man wird in der Verzweiflung lieber einen solch schrecklichen, aber schnellen Tod herbei wünschen, als diese entsetzliche Not und Drangsal mit ansehen. (Vgl. Is. 2,10 u. 19; Os. 10,8; Offb. 6,16)
(7) Wenn ich, der Unschuldige, um fremder Sünden willen so leide, was wird dem unglücklichen Judenvolk geschehen, das seinen Messias und Erlöser verworfen, die Gnade Gottes von sich gestoßen hat und dadurch für Gott tot ist? (vgl. auch 1. Petr. 4,17f) Inmitten der namenlosen eigenen Leiden gedenkt der Heiland voll Mitleid des Elendes, das seinem treulosen Volk bevorstand.

Ein zeichnerischer Rekonstruktionsversuch des Geländes Kalvarienberg zur Zeit Jesu Christi: man sieht von der Mauer von Jerusalem aus - rechts sind Gebäude zu sehen - auf das Gelände von Kalvaria und in die weite Ebene

(8) Das hebräische gulgóleth, wie das lateinische calvaria, bedeutet Hirnschale, Schädel. Der Ort trug diesen Namen von der schon zur Zeit Jesu bei den Juden herrschenden Meinung, hier sei Adam begraben. „Die Tatsache, daß eine Grabhöhle unmittelbar unter der heiligen Kreuzesstätte Christi im Felsen Kalvarias zur Zeit, als Christus dort gekreuzigt wurde, vorhanden war, und der Umstand, daß dieselbe bereits damals für die Grabhöhle des Adam angesehen wurde, läßt sich nicht bezweifeln.“ (Mommert, Golgotha und das heilige Grab zu Jerusalem, Leipzig 1900, 146) Die heiligen Väter haben diese jüdische Legende, der zufolge das Kreuz Jesu über dem in der Tiefe ruhenden Haupt des Stammvaters der Menschheit errichtet worden ist, sehr sinnig angewendet. – Die Ansicht, daß der Ort der Kreuzigung darum „Schädelstätte“ geheißen habe, weil hier die gewöhnliche Richtstätte Jerusalems gewesen sei, ist allgemein aufgegeben. Aber auch die viel verbreitete Meinung, der Name komme von der schädelförmigen Gestalt des Ortes, ist besonders durch Mommert als wissenschaftlich unhaltbar nachgewiesen. Denn die Schädelstätte war zur Zeit Jesu ein im wesentlichen ebener Platz, in einer etwa 4 m hohen Böschung gegen die Straße abfallend; „eine Erhebung der heiligen Kreuzesstätte Jesu über seine Umgebung, sei es in Form eines steil aufragenden Monoliths, oder in Form eines sanft anschwellenden kleinen Berges, oder endlich … in Form eines Schädels, ist völlig ausgeschlossen.“ (Mommert, a.a.O. 39) Erst seit dem Jahre 333 (Pilger von Bordeaux) wird die von der Heiligen Schrift und von den Vätern bis auf Konstantin einfach als „Schädelstätte“ bezeichnete Örtlichkeit „Golgothahügel“ oder „Kalvarienberg“ genannt. Der Baumeister der konstantinische Basilika hat nämlich durch Abtragung des umgebenden Gesteines an der Stelle, an der einst das Kreuz Christi gestanden, einen Felsblock von etwa 5 m im Kubus enthaltend geschaffen in Gestalt eines Monumentes. Diesen Kalvarienfelsen hat dann Modestus, Patriarch von Jerusalem, im Anfang des 7. Jahrhunderts ummauert. So ist er ohne wesentliche Schädigung in den Grabesdom der Kreuzfahrer übergegangen. Nach dem Brand vom 12. Oktober 1808 aber haben die Griechen die Bekleidung des Felsens abgetragen und das Stück, in dem das heilige Kreuz einst befestigt war, ausgehauen. Das beträchtliche Felsstück ist dann, als man es nach Konstantinopel verbringen wollte, bei einem Sturm im Meer untergegangen. Der an Ort und Stelle verbliebene Felsen aber wurde mit einem neuen Mantel umkleidet. (Vgl. Mommert, a.a.O. 37-99)
(9) Der Verurteilten reichte man ein betäubendes Getränk, um sie gegen die Schmerzen der Hinrichtung etwas abzustumpfen. Die mit Wein vermischte Galle oder aufgelöste bittere Myrrhe sollte bei Jesus ähnlichem Zweck dienen. Er kostete die Bitterkeit, um zu gehorchen, die Weissagung zu erfüllen (Ps. 68,22), zu leiden und unsere Unmäßigkeit zu sühnen; aber er verschmähte die Linderung seiner Leiden.
(10) Die Verurteilten wurden in der Regel „nackt“ ans Kreuz geschlagen; als „nackt“ aber bezeichneten Griechen und Römer auch den, der nur notdürftig bekleidet war; in der Heiligen Schrift werden (bei Is. 20,3; 32,11) jene so genannt, die gleich den gefangenen Sklaven nur mit einem Lendentuch bedeckt sind oder die (Joh. 21,7) das Oberkleid abgelegt haben. Es ist darum keineswegs ausgeschlossen, daß man dem Heiland ein Lendentuch gab; vielmehr ist dies mit Rücksicht auf die starke Scheu der Juden vor völliger Nacktheit und mit Rücksicht auf die Anwesenheit der Frauen sehr wahrscheinlich.
(11) Ob die Dornenkrone dem Heiland vor der Kreuzigung abgenommen worden oder ob er sie auf dem Kreuzweg und am Kreuz noch getragen, ist aus den Evangelien nicht mit Bestimmtheit zu ersehen; doch kann es schon auffallen, daß nach dem Todesurteil nur von der Abnahme des Purpurmantels, nicht auch der Dornenkrone die Rede ist. Wahrscheinlich ließ man dieselbe auf seinem Haupt; wenigstens stimmte dazu ganz die Überschrift des Pilatus, wie es auch der Gesinnung der römischen Soldaten und der Wut der Juden entsprach. Dazu kommen uralte Zeugnisse, wie das sogenannte Evangelium des Nikodemus (c. 10), Origenes (Comm. In Matth.) und Tertullian, der (Adv. Iud. c.13) bemerkt: „Das waren Geheimnisse, die erst zur Zeit Christi erfüllt werden sollten; Isaak mit dem Holz wurde bewahrt (vor dem Tode), indem ein Widder, der mit seinen Hörnern in den Dornen hing, (statt seiner) geopfert wurde; und Christus trug zu seiner Zeit auf seinen Schultern das Holz und hing an den Hörnern (Armen) des Kreuzes, indem eine Dornenkrone sein Haupt umgab.“
(12) Is. 53,12 – Jesus erlitt die schimpflichste aller Todesarten, und der Schimpf wurde dadurch erhöht, daß man ihn mitten zwischen den zwei Übeltätern kreuzigte, als sei er der größte von ihnen.
(13) Es war römische Sitte, das Verbrechen des Verurteilten, gewöhnlich mit Nennung seines Namens und Vaterlandes, durch einen Herold auf dem Weg zur Richtstätte ausrufen oder, auf eine weiße Tafel geschrieben, vorantragen zu lassen; schließlich wurde die Tafel am Kreuz befestigt. Pilatus wollte mit jener Inschrift die Führer der Juden dafür strafen, daß sie ihm die Verurteilung Jesu abgetrotzt hatten. Es war ein Hohn auf ihre Nation, denjenigen einfach „König der Juden“ zu nennen, den die Häupter der Nation der schimpflichsten Todesstrafe überliefert hatten. Darum verlangten diese auch, daß die Inschrift geändert werde. Gott aber hatte dem Pilatus deren Inhalt eingegeben, ähnlich wie vorher dem Kaiphas seinen Ausspruch, daß Jesus für das Volk sterben müsse, und Gott hielt ihn ab, das einmal Geschriebene zu ändern. So vollzog Pilatus den göttlichen Ratschluß, daß mitten in der tiefsten Erniedrigung der Erlöser gewissermaßen feierlich zum König ausgerufen werde, und zwar durch einen Heiden, trotz des Unwillens der Juden. Das Kreuz ward der Thron seiner Herrschaft; vom Kreuz aus will er alles an sich ziehen.
(14) Das Unterkleid, lateinisch tunica, griechisch chiton genannt.
(15) Die heiligen Väter erblicken in der Teilung der Kleider Jesu in vier Teile ein Sinnbild der Berufung der vier Weltgegenden, d. h. der gesamten Menschheit, zur Teilnahme an der Gnade Christi, in dem ungenähten Rock Jesu aber ein Sinnbild der Einheit des Glaubens und der Liebe in der Kirche Christi. So erschien auch der Heiland dem heiligen Märtyrer Petrus, Bischof von Alexandrien, mit zerrissenem Kleid und sprach zu ihm: „Arius hat mein Kleid, das die Kirche ist, zerrissen.“ (Brev. Rom. 26. Nov.) Nach der Überlieferung soll jener von der allerseligsten Jungfrau gewobene Rock durch die heilige Kaiserin Helena in den Besitz der Domkirche ihrer Residenzstadt Trier gekommen sein. Unbestreitbare schriftliche Nachrichten hierüber gehen auf die Zeit um 1105 zurück; die Gesta Trevirorum nämlich (Mon. Germ. Hist. Script. VIII 152) führen die Schenkung dieser Reliquie auf die hl. Helena unter dem Bischof Agritius († 332) zurück.
(16) Ps. 21,19 –
aus: Schuster/Holzammer, Handbuch der Biblischen Geschichte, Bd. II, Neues Testament, 1910, S. 523 – S. 528

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