Das Ende des Judas Iskariot durch Selbstmord

Das Leben und Leiden und der Tod Jesu

Judas Iskariot begeht Selbstmord

Matth. 27.3 Da nun Judas, der Jesus verraten hatte, sah, daß dieser zum Tode verurteilt war, reute es ihn, und er brachte die dreißig Silberlinge den Hohenpriestern und Ältesten zurück. – 4. und sprach: „Ich habe gesündigt, daß ich unschuldiges Blut verraten habe.“ Sie aber sprachen: „Was geht das uns an? Sie du zu!“ – 5. Da warf er die Silberlinge in den Tempel hin, entwich, ging hin und erhängte sich mit einem Strick. – 6. Die Hohenpriester aber nahmen die Silberlinge und sprachen: „Es ist nicht erlaubt, sie in den Tempelschatz zu werfen; denn es ist Blutgeld.“ – 7. Als sie nun Rat gehalten hatten, kauften sie damit den Acker eines Töpfers zum Begräbnis für die Fremdlinge. – Deswegen heißt derselbe Acker Hakeldama, d.i. der Blutacker, bis auf den heutigen Tag. – 9. Da ist erfüllt worden, was durch den Propheten Jeremias gesagt wurde, da er sprach: „Sie nahmen die dreißig Silberlinge, den Preis des Geschätzten, welchen sie gekauft hatten von den Söhnen Israels – 10. und gaben sie für den Acker eines Töpfers, wie mir der Herr befohlen hat.“

Wie Judas seine Tat bereut

Die Veranlassung zur Reue war die Verurteilung Jesu durch den Hohen Rat und die Abführung des Heilandes zu Pilatus (Matth. 27,3). Judas sah nun mit Augen die schrecklichen Folgen seines Verrates, und es befiel ihn Reue über seine Tat.

Was die Beschaffenheit seiner Reue und Buße betrifft, scheint sie dem Äußeren nach und in vielen Stücken vollkommen. Er sieht die Schändlichkeit und Schrecklichkeit seines Vergehens ein und bereut dasselbe. Er bekennt sein Verbrechen offen vor seinen Mitschuldigen, den Hohenpriestern und Ältesten, die vielleicht anderer Geschäfte halber entweder im Palast des Kaiphas zurück geblieben oder in den Tempel gegangen waren (Matth. 27,3). Er bezeugt vor ihnen die Unschuld Jesu gegenüber dem „Schuldig“, das sie über den Heiland ausgesprochen, und seine eigene Schuld, indem er sagt, er habe unschuldiges Blut überliefert und dadurch gesündigt (ebd., 27,4). Er trennt sich endlich von seinem Abgott, dem Geld, das ihn zur Sünde verführt, und wirft es in den Tempel (ebd., 27,5). Was fehlte denn seiner Reue noch? Etwas sehr Wichtiges und Wesentliches, nämlich die Hoffnung, das Vertrauen und die Liebe. Er sah nur die Größe und Schrecklichkeit seiner Missetat und nicht die Möglichkeit der Verzeihung und verzweifelte wie einst Kain (Gen. 4,13). Es war also keine Traurigkeit zum Leben, sondern zum Tode (2. Kor. 7, 9f).

Und wie kam denn das? Einige meinen, Judas habe geglaubt, der Herr werde jedenfalls nicht getötet werden, oder er werde sich selbst zu befreien wissen, wie er sich schon wiederholt aus den Händen seiner Feinde gerettet hatte; nun war das nicht geschehen, und so war er der erste Schuldige am Blut des Herrn. Darüber verzweifelte er. – Abgesehen davon ist der ganze innere Seelenvorgang sehr natürlich. Früher sah er, von der Leidenschaft und vom Teufel verführt, in der Tat nur das Verlockende und jetzt nach deren Vollführung nur das Schreckliche. Alles schlug ins Gegenteil um. So mag er nun auch das Geld nicht mehr, das ihn ehemals so zog. Das ist der natürliche, innere Verlauf bei jeder Sünde. Sein wankelmütiger, unklarer Charakter und der Teufel halfen mit.

Wie Judas von den Priestern empfangen wurde

Die Art und Weise, wie die Priester den Judas empfingen, bezeichnen zwei häßliche Eigenschaften.

Die erste Eigenschaft ist Härte und Gefühllosigkeit. Auf das Bekenntnis der Schuld und Reue antworten sie Judas: „Was kümmert uns das? Siehe du zu!“ (Matth. 27,4) Sie trösten ihn nicht damit, daß der Heiland ja ein Gotteslästerer sei und ein falscher Messias. Sie wälzen alle Verantwortung auf ihn und überlassen ihn der Verzweiflung. So rächt sich die Gemeinschaft mit Bösen.

Die zweite häßliche Eigenschaft, welche die Priester zeigen, ist die Heuchelei. Sie nehmen das Geld nicht an, um sich nicht den Schein zu geben, als bereuten sie ihre Tat, und um nicht mit sich selbst in Widerspruch zu geraten. In der Tat hatten sie Jesus nicht gekauft, sondern bloß den Verrat bezahlt. Andererseits wollen sie auch das Geld nicht in den Tempelschatz bringen, weil es Erwerb aus Sünde und Blutgeld sei (Deut. 23,18). Das hielten sie für Sünde und hüten sich davor; die Blutschuld selbst aber auf sich zu nehmen und zu behalten, tragen sie kein Bedenken (Matth. 27,6), obgleich die Reue des Judas für jene eine eindringliche Mahnung an die Freveltat war; denn Judas bereute die Tat nicht nach der Auferstehung, sondern zur Zeit der tiefsten Erniedrigung Jesu. So gerieten sie später auf den Ausweg, für das Geld ein Stück Land zu kaufen, den sogenannten Acker des Töpfers, sei es, daß er einem Töpfer gehörte, sei es, daß er Töpfererde enthielt. Das Stück Land sollte künftig zu einer Begräbnis-Stätte für Fremde dienen (ebd., 27,7 u. 8). Es wurde Blutacker (Hakeldama) genannt und behauptet diesen Namen bis auf unsere Zeit (Matth. 27, 8; Apg. 1,19). Noch jetzt ist der Ort kenntlich durch viele Grabgewölbe. So haben sich die Juden ein ewiges Denkmal ihres Frevels gesetzt und die Vorhersagung der Propheten Jeremias und Zacharias erfüllt. Dieser sagte die Verkaufssumme für den Messias voraus (Zach. 11,12), und jener bezeichnete das Feld, das mit der Kaufsumme erstanden wurde (Jer. 18,1-3; 19,1 u.2.; 32,8-14), und der hl. Matthäus zieht beide Prophezeiungen zusammen, weil sie jetzt ihre volle Erfüllung fanden (Matth. 27,9 u. 10).

Anm.: Die Worte: Da ist erfüllt worden, was durch den Propheten Jeremias etc. scheinen zunächst bloß auf den Kauf des Ackers zu beziehen, von dem Jeremias allein spricht.

Wie Judas Iskariot endet

Nachdem Judas die Silberlinge in den Tempel geworfen, floh er, von Verzweiflung und vom bösen Feind getrieben, hinaus aus der Stadt ins Tal Hinnom. Ob er auf dem Wege nicht mit Schrecken auf den Ölberg geblickt, an dessen Fuß der Garten Gethsemani liegt? Ob er nicht an die Worte des Heilandes dachte: „Freund, wozu bist du gekommen?“ und „Besser wäre es, er wäre nicht geboren“? Ob er nicht an Absalom gedacht, der, an einem Baum erhängt, seinen Geist aufgab? Ob der böse Feind ihm nicht die schrecklichen Flüche und Verwünschungen zurief, die der Prophet, wie es scheint, von ihm vorher gesagt: „Gutes haben sie mit Bösem vergolten, Liebe mit Haß … der Teufel stehe zu seiner Rechten, das Gericht werde ihm zur Verdammung und sein Gebet zur Sünde … kein Helfer soll ihm zur Seite stehen. … Er wollte den Fluch, und er soll ihm werden. … Wie Wasser soll er in seine Eingeweide dringen und wie Öl in sein Gebein. … Wie ein Gewand umhülle er ihn und wie ein Gürtel schnüre er ihn immerdar“? (Ps. 108,4f) Von Gewissensbissen und von der Verzweiflung übermannt, erhängte sich der Unglückliche. Der Leichnam barst mitten auf und fiel herab (Apg. 1,18).

Welch ein Beispiel und welch entsetzliche Lehre! Ein Apostel endet als Selbstmörder, als Ankläger und Bestrafer seiner Untat. Braucht es denn mehr, um uns zu belehren, wie verhängnisvoll es ist, seinen bösen Leidenschaften nicht zu widerstehen? Ist nicht jede Leidenschaft ein Satan, der uns zeitlich und ewig unglücklich machen kann? – Indessen hätte auch die Leidenschaft und ihre bittere Frucht, die Sünde, ihn nicht verderben können, wenn er nur nicht verzweifelt wäre und das Vertrauen nicht verloren hätte. Petrus ist auch gefallen. Aber er ergriff die rettende Hand Jesu durch Vertrauen und Liebe. Wie ganz anders als von den Hohenpriestern wäre Judas von Petrus, Johannes und Maria empfangen worden, wenn er reuig zu ihnen geflohen wäre und sich in ihren Schoß geworfen hätte! Welch ein großes Übel ist es doch, das Vertrauen verlieren und verzweifeln! –
aus: Moritz Meschler SJ, Das Leben unseres Herrn Jesu Christi des Sohnes Gottes in Betrachtungen Zweiter Band, 1912, S. 341 – S. 344

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