Sünden gegen das fünfte Gebot Gottes
„Du sollst nicht töten.“
Warum Selbstmord eine fluchwürdige Handlung ist
Ist der freiwillige Mord oder Selbstmord erlaubt?
Nein, der Selbstmord ist unter keinen Umständen erlaubt, und immer eine fluchwürdige Handlung.
Der Selbstmord ist
1) eine Freveltat wider Gott, dessen heilige Gesetze der Selbstmörder mit Füßen tritt, indem er sich verwegen die göttlichen Rechte anmaßt. Das Gesetz Gottes verbietet nicht weniger den Selbstmord als Lästerung, die Sünden der Unkeuschheit und den Diebstahl; denn derselbe Mund, welcher gesprochen: „Du sollst den Namen des Herrn deines Gottes nicht mißbrauchen, du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht rauben“, hat auch gesagt: „Du sollst nicht töten.“ Wer sich daher selbst entleibt, frevelt gegen die göttlichen Gebote. –
Die heilige Schrift vergleicht das Leben des Menschen auf dieser Erde mit dem Dienst eines Kriegers. Die Kirche ist ein in Schlachtordnung aufgestelltes Heer, jeder Christ ein Streiter für den Ruhm Gottes. Jeder hat daher seinen ihm angewiesenen Posten. Wer diesen ohne die Befehle seines Vorgesetzten verläßt, ohne der Ordnung nach abgelöst zu werden, der ist kein wackerer Streiter Christi, sondern ein Feigling, der vor dem Kampf flieht, ein feiger Ausreißer, der wider die Vorschriften der heiligen Kriegszucht seine Fahne verläßt, ein frecher Mensch, der die unverjährbaren Rechte des Allerhöchsten übermütig mit Füßen tritt. Da wir unser Leben einzig Gott verdanken, so gehört es nicht uns allein; es ist ein unseren Händen anvertrautes Pfand, folglich dürfen wir nicht nach Gutdünken darüber verfügen, ohne die Rechte des Pfandgebers zu verletzen.
Und der Selbstmord ist
2) ein Verbrechen wider die Gesellschaft…
Auch ist der Selbstmord
3) eine Grausamkeit gegen sich selbst. Denn wer sich so vergeht, der verscherzt seine Ehre in dieser und seine Seligkeit in jener Welt. Der Selbstmord ist eine Feigheit und jede Feigheit bringt Schmach. Vergeblich ist man bemüht, ihn als Seelengröße und männlichen Mut anzupreisen. Befragt nur eure Vernunft; sie muss euch in ihm alle Zeichen der Geistesschwäche und eines kranken Herzens entdecken. Denn warum gibt sich der Mensch den Tod? Um sich den Qualen einer getäuschten leidenschaftlichen Hoffnung, einer fehlgeschlagenen Unternehmung, der Bekümmernis über den Verfall seines Vermögens oder seiner Gesundheit zu entziehen. Wer aber so den Prüfungen des Unglücks ausweicht, der gesteht damit ein, daß er sich weder stark noch mutig genug fühlt, sie zu bestehen. Sein Leben auf verbrecherische Weise, wie im Grunde nichts als Feigheit ist, beschließen, heißt, sein Gedächtnis der Schande Preis geben und was noch tausendmal unmenschlicher ist, seine Seele den Schrecknissen ewiger Höllenqualen überliefern. Die Verstocktheit und Unbußfertigkeit, mit der der Selbstmörder aus diesem Leben scheidet, drückt seiner Tat das Gepräge der Verworfenheit auf. Derselbe Handgriff, welcher das Blut in seinen Adern erstarren macht, stürzt ihn auf ewig in den feurigen Pfuhl, der nie erlischt, wo der nagende Wurm des Gewissens nimmer stirbt. Umsonst ist ihr Wünschen und Begehren zurück nach der Erde und ihren armseligen Schrecknissen, denen sie sich durch eigene Hand entzogen! Durch furchtbare Erfahrungen belehrt, begreifen sie leider zu spät, wie die vergleichsweise geringen Prüfungen und Schmerzen des irdischen Pilgerlebens durch Geduld, Freundschaft und Gottesfurcht hätten bestanden und gemildert werden können, wie ein 10, 20, 30jähriges Leidensleben unter den Sterblichen den Vorzug verdiene vor den ewigen Strafen der Hölle! Allein diese Gedanken, die ihnen früher zum Trost hätten gereichen können, vermehren nur die Schrecknisse ihres höllischen Zustandes. Gerechte Strafe für ihren Frevel wider Gott, ihren Undank gegen die Gesellschaft und ihre Grausamkeit wider sich selbst!
Wer das Verbrechen des Selbstmordes von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, dem muss es als natürlich erscheinen, daß diese Tat von jeher mit Abscheu angesehen worden, und daß sowohl die bürgerliche als die religiöse Gesetzgebung den Selbstmörder mit entehrenden Strafen belegt haben; dem erscheint es als natürlich, daß die Gesetze Athens und Thebens noch dem Leichnam des Selbstmörders den Stempel der Schande aufdrückten, daß das heidnische Rom ihn eines geweihten, zeremoniellen Begräbnisses beraubte, und daß, wie dies früher unter uns der Fall war, er auf schimpfliche Weise zum Anger hinaus geschleift wurde; der erstaunt nicht über die im kanonischen Recht so bestimmt ausgesprochene Verordnung:
„Wenn einer freiwillig durch Feuer, Gift, Strick, durch Hinabstürzen oder auf irgend eine andere Weise sich selbst entleibt, so soll man weder bei der Darbringung des heiligen Messopfers seiner im Entferntesten gedenken, noch unter Absingung von Psalmen seinen Leichnam auf den Begräbnisplatz schaffen“, so lange nicht gründlich erwiesen ist, entweder daß er das Verbrechen in augenblicklichem Wahnsinn begangen, oder daß er vor seinem Ende unzweideutige Zeichen aufrichtiger Reue gegeben habe. Dennoch ist das so abscheuliche Verbrechen der Selbstentleibung in unseren Tagen zu einer Art Epidemie (ansteckender Krankheit) geworden, so daß man die Opfer derselben kaum mehr zählen kann. Was mag der Grund dieser bejammernswerten Erscheinung sein, die den vielen Verirrungen unserer Zeit die Krone aufsetzt? Kein anderer, als der Verfall des religiösen Lebens und Bewusstseins. –
aus: Ambrosius Guillois Historische, dogmatische, moralische und liturgische Erklärung des Katechismus, Zweiter Band, 1849, S. 226 – S. 231