P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung
Sünden gegen das sechste Gebot Gottes
„Du sollst nicht ehebrechen“
Was das sechste Gebot Gottes verbietet
1. Es verbietet den Ehebruch und alle anderen Sünden der Unkeuschheit
Nächst der Sicherheit des Lebens ist kaum etwas anderes so notwendig zur Erhaltung und Wohlfahrt des Menschengeschlechtes als die Unverbrüchlichkeit der Ehe. Mit ihr steht und sinkt der Grundpfeiler der Familie und somit der ganzen menschlichen Gesellschaft. Darum wird durch das sechste Gebot vor allem der Ehebruch verboten, welcher das Band der Liebe, der Eintracht und Treue zwischen den Eheleuten gewaltsam zerreißt. Es werden aber durch dieses Gebot zugleich alle andern Arten der Unkeuschheit untersagt, weil nach der Bemerkung des Römischen Katechismus derjenige, welcher die andern Sünden der Unkeuschheit nicht meidet, sehr leicht in das Laster des Ehebruchs verfällt. Alle Sünden wider die Keuschheit sind also auch Sünden wider das sechste Gebot Gottes.
Wider die Keuschheit kann man auch mancherlei Weise sündigen; zunächst durch unkeusche Gedanken, wenn man sich nämlich unzüchtige Dinge in Gedanken vorstellt und freiwillig Wohlgefallen daran hat. Durch unkeusche Begierden sündigt man, wenn man freiwillig das Verlangen hegt, unehrbare Dinge zu sehen, zu hören, zu tun oder an sich geschehen zu lassen (Unkeusche Gedanken und Begierden sind noch ausdrücklich durch das neunte Gebot untersagt); durch unkeusche Blicke, wenn man absichtlich und ohne Not Gegenstände anschaut, die geeignet sind, unreine Gedanken und Begierden zu wecken, oder wenn man dergleichen zufällig sieht und seine Augen nicht abwendet. Weitere Arten von Sünden wider die Keuschheit sind unlautere Reden, Scherze und Lieder. Als unlauter sind dieselben aber nicht nur dann zu betrachten, wenn sie Anstößiges unverhüllt zum Ausdruck bringen, sondern auch, wenn sie durch zweideutige Worte auf dergleichen Dinge anspielen. Von all dem sagt der hl. Paulus (Eph. 5,3 u. 4): „Von Unreinigkeit soll unter euch gar keine Rede sein, wie es Heiligen geziemt: weder von Schamlosigkeit noch von Zoten oder Possen.“ Wie es aber Sünde ist, über Unehrbares ohne Not zu sprechen, so ist es auch nicht erlaubt, solche Reden freiwillig oder mit Wohlgefallen anzuhören oder schlüpfrige Bücher zu lesen. Was man nicht einmal ohne Not denken oder aussprechen darf, das darf man natürlich noch weniger ohne Not tun. Durchaus unerlaubt sind darum alle unnötigen Berührungen und sonstigen Werke, welche die Ehrbarkeit verletzen. Sie sind um so sündhafter, je schamloser sie sind, und je mehr das Ebenbild Gottes im Menschen dadurch geschändet wird. Was notwendig ist, ist nie Sünde, falls man nicht freiwillig ein unlauteres Wohlgefallen daran hat. Wenn ich hier von „Notwendigem“ spreche, so meine ich damit nicht bloß das absolut Notwendige, sondern alles, wozu ein guter, vernünftiger Grund vorliegt. Worauf es namentlich ankommt, ist dies: daß man erstens nichts tue in unlauterer Absicht und zweitens sich nicht unnötigerweise einer ernstlichen Gefahr aussetze, zu Sünden der Unlauterkeit zu kommen. –
aus: P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, Ein Hilfsbuch für die Christenlehre und katechetische Predigt, 2. Band Lehre von den Geboten, 1911, S. 190 – S. 192