Die ersten zwei Leidensgänge Jesu Christi vor der Kreuzigung
Der erste Leidensgang Jesu
Der erste Leidensweg Jesu führte nach der Überlieferung von Gethsemani an der Ostseite des Cedronbaches im Tal Josaphat (heute wegen der Grabkirche Mariä „Tal der Frau Maria“, Wadi Sitti Marjam, genannt) hinab, dann bei dem Denkmal Absalom über die untere Cedronbrücke, an der Südseite des Tempels vorbei über den Hügel Ophel (1), in die Schlucht Tyropoion (das Stadttal el-Wad) hinab, dann auf den Berg Sion hinauf. Es war derselbe, auf dem Jesus vom Cönakulum an den Ölberg gegangen war, eine Strecke von ca. 1300 m oder 2000 Schritt (20-25 Minuten). Nach der Überlieferung fiel Jesus, von den Häschern auf rohe Weise fort gestoßen und fort gezerrt, auf der Brücke nieder.
Schon der Pilger von Bordeaux im Jahre 333 redet von dem Ort, an dem das Haus des Kaiphas gestanden, damals außerhalb der Stadt, wenn man von Siloë aus den Sion ersteige. Um 530 berichtet Theodosius, dass etwa 50 Schritte „von der heiligen Sion“ das Haus des Kaiphas, nunmehr eine Kirche des hl. Petrus sich befinde. Mit Sicherheit kann man sagen, dass der Palast des Hohenpriesters auf dem heutigen Sion stand (2); …
Der zweite Leidensweg Jesu
Der zweite Leidensweg Jesu führte vom Haus des Kaiphas auf Sion fast durch ganz Jerusalem zum Gerichtshaus des Pilatus bei der Burg Antonia, etwa 1200 m oder 2000 Schritte; darauf zu Herodes nach dem Hasmonäer-Palast auf dem Unter-Sion, vielleicht 700m oder 1160 Schritte; dann denselben Weg zu Pilatus zurück; im ganzen also 4000 Schritte unter steten Misshandlungen und Verhöhnungen, durch die belebtesten Teile der Hauptstadt des Judenlandes, zur Zeit des Osterfestes, zu dessen Feier die Menschen aus dem ganzen Land und aus allen Weltgegenden zusammen geströmt waren, und nicht bloß Juden, sondern auch Heiden, besonders Proselyten!
Welche Schmach und Erniedrigung nahm hier der Sohn Gottes auf sich! Aber wie offenbart sich in alledem auch die göttliche Weisheit! Das ganze Judenvolk, ja gleichsam die ganze Welt wurde auf diese Weise Zeuge der erschütternden Tatsachen, die nachher die Apostel in Judäa und Jerusalem und bis an die Enden der Erde predigen sollten, und dem Unglauben wurde es für alle Zeiten unmöglich gemacht, sie zu leugnen.
(1) D.i. Hügel; es ist der südliche Ausläufer des Tempelberges; am Fuß seines südlichen Endes liegt die Quelle Siloë.
(2) Nach Neh. 3,20 u. 25 (vgl. Ir. 32,2; Josephus, Jüd. Altertum 8,5,2) lag auf der Ostseite des Berges Sion bei dem Übergang zum Tempel, wohl auf der Stelle, an der einst Salomon seinen Palast erbaut, die königliche Burg mit dem Gefängnis-Vorhof (später „der Palast der Hasmonäer“ oder makkabäischen Fürsten), und daneben lag die Wohnung des Hohenpriesters. –
aus: Schuster/Holzammer, Handbuch der Biblischen Geschichte, Bd. II, Neues Testament, 1910, S. 492 – S. 493/504
Bildquellen
- SchongauerEcceHomo: wikimedia