Das Evangelium Jesu Christi Teil 1

Geschichte des Neuen Testamentes

Das Evangelium Jesu Christi

Evangelium und Evangelien

Das „Evangelium“ Jesu Christi ist die „frohe Botschaft“ des ewigen Heiles, das der Sohn Gottes gewirkt hat, das seine Apostel verkündigt und das zwei Apostel und zwei Apostelschüler auch schriftlich überliefert haben. Es ist nur ein Evangelium, mag es nun mündlich gepredigt oder schriftlich aufgezeichnet sein. Dieses eine Evangelium aber ist uns in seinen hauptsächlichsten Begebenheiten von vier Verfassern in vier Gestalten überliefert. Darum reden die ältesten Väter von „vier Evangelien oder vielmehr vier Büchern eines Evangeliums“, von einem „viergestaltigen Evangelium, das von einem Geist durchdrungen ist.“…

Die Echtheit der vier Evangelien

ist in einer Weise beglaubigt, wie dies bei keinem andern Buch der Welt der Fall ist, so dass, wer die Evangelien verwirft, alle geschichtlichen Zeugnisse und Urkunden verwerfen muss. Für die Echtheit bürgt insbesondere

1. die ganze kirchliche Überlieferung von den Zeiten der Apostel an, über welche die rechtmäßigen Bischöfe auf das gewissenhafteste wachten und für die sie stets gegen die falschen (apokryphen) Evangelien mit Entschiedenheit eintraten; das kirchliche Leben aber machte jede Unterschiebung unmöglich, da schon der hl. Justin der Märtyrer (um 150 n. Chr.) ausdrücklich sagt, daß die Evangelien beim Gottesdienste öffentlich vorgelesen wurden. –

2. Die heiligen Väter des 2. Jahrhunderts schon legen ausdrücklich Zeugnis davon ab, dass diese Evangelien von Aposteln und Apostelschülern verfasst wurden;

sie setzen den Gehalt wie den Text der Evangelien voraus; sie nennen deren Verfasser mit Namen, charakterisieren die einzelnen Evangelien, sagen, dass die Kirche von jeher nicht mehr und nicht weniger als die vier Evangelien gehabt (Anm.: so der hl. Irenäus, Klemens von Alexandrien, und sein Schüler Origenes),

und finden gerade in dieser Vierzahl eine geheimnisvolle Fügung Gottes, die schon durch die vier Ströme des Paradieses, die vier goldenen Ringe der Bundeslade, die vier Gesichter oder Gestalten der Cherubim vorgebildet worden, und die zugleich auf die Bestimmung des Evangeliums für die ganze Welt, nach den vier Himmelsgegenden die Menschen zusammenbringen werden, die der Herr nach seinem Evangelium richten wird… –

3. Die älteren Irrlehrer wagten es nicht, die Echtheit der Evangelien zu leugnen, suchten vielmehr ihre Irrlehren auf Stellen derselben zu stützen, obwohl sie diese in der unsinnigsten Weise dafür verdrehen mussten. Schon der hl. Irenäus (um 190) bemerkt: „So groß aber ist diese Gewissheit bezüglich (der Echtheit) der Evangelien, dass selbst die Irrlehrer ihnen Zeugnis geben, und jeder seine Irrlehre durch sie zu erhärten sucht.“ … –

4. Die falschen, sog. apokryphen Evangelien erweisen sich als Nachbildungen der echten und haben somit diese zur Voraussetzung. Sie wurden verfasst, teils um die Gläubigen zu erbauen und der frommen Neugierde zu genügen, die namentlich über die Kindheit und das Leiden Jesu mehr zu wissen wünschte, als die echten Evangelien berichteten, teils auch im Interesse der Häresie, die dadurch ihre Lehrsätze zu begründen und zu verbreiten suchte. Damit diese Schriften leichter Eingang fänden, wurden sie vielfach unter dem Namen eines Apostels in Umlauf gesetzt. Nun wurden aber solche Apokryphen schon vom zweiten christlichen Jahrhundert an verfasst; manche reichen bis nahe an die apostolische Zeit heran. Es folgt daraus, dass unsere Evangelien in der apostolischen Zeit entstanden sind. –

Die Unverfälschtheit der Evangelien

ist nicht minder gewährleistet.

1. Die Kirche erblickte von jeher in der Heiligen Schrift, wie das Konzil von Trient (in seiner 4. Sitzung) sagt, „einen kostbaren Schatz, den der Heilige Geist mit höchster Freigebigkeit den Menschen gegeben“, und hütete ihn mit aller Sorgfalt gegen jede Verfälschung, und auch das gläubige Volk, das stets im Gottesdienst die Lesungen daraus hörte, wachte eifersüchtig, dass an der Heiligen Schrift keine Veränderung geschehe.

So schreibt Augustinus an Hieronymus, dass in einer Kirche seiner Provinz ein förmlicher Aufstand ausgebrochen sei, als für die Pflanze in der Jonasgeschichte ein anderer Name gesungen wurde, als der bis dahin übliche. Die Pflanze heißt nämlich im Urtext Qiqayon; das Volk in Afrika hatte dieses Wort immer in der Übersetzung durch cucurbita (Kürbis) gehört; als nun der Bischof hedera (Efeu) vorlesen ließ, weil er dies für die richtigere Übersetzung hielt, ruhte das Volk nicht, bis wieder der Kürbis an seiner Stelle war. Wir sehen daraus, wie man auf die Erhaltung des heiligen Textes selbst in minder wichtigen Dingen bedacht war. –

2. Die heiligen Väter und Schriftsteller der ersten Jahrhunderte führen so zahlreiche Stellen daraus an, dass man, wenn die Evangelien ganz verloren gingen, sie aus jenen Anführungen fast ganz wiederherstellen könnte; und diese Anführungen, obwohl aus verschiedenen Ländern und Zeiten, stimmen, bis auf unwesentliche Kleinigkeiten, auch mit dem heutigen Text überein. –

3. Die ältesten Handschriften, die dem 4. Jahrhundert, also der Zeit unmittelbar nach den Verfolgungen, angehören, sowie die ältesten Übersetzungen, deren Ursprung zum Teil noch über das Alter unserer ältesten Handschriften hinaufreicht, bieten denselben Text, der sich heute noch in der kirchlichen Ausgabe findet; die Verschiedenheiten betreffen nur unwesentliche Kleinigkeiten. Beim Abschreiben der heiligen Schriften entstanden zwar sehr viele Varianten (verschiedene Lesarten); allein sie betreffen fast durchweg nur unbedeutende Einzelheiten und ändern in keiner Weise den dogmatischen oder moralischen Gehalt des NT.

Die Ursprache der Evangelien wie der neutestamentlichen Schriften überhaupt

Der göttliche Heiland hat, da er auf Erden ging, die Sprache seines Heimatlandes gesprochen. Es war dies das Aramäische, das mit dem Hebräischen zwar verwandt, aber nicht identisch ist. Einzelne Worte und Sätzchen sind in unsern Evangelien noch aufbewahrt, wie sie von den Lippen des Herrn gekommen sind, so z.B.: Talitha kumi, d. i. „Mägdlein, stehe auf!“ (Mk. 5,41) oder Eloi, Eloi, lamma sabacthani, d. i. „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mk. 15,34)

Auch die Apostel haben, solange sie ihre Predigt auf Palästina beschränkten, aramäisch gepredigt, und Matthäus hat, wie wir unten ausführen, sein Evangelium ursprünglich aramäisch geschrieben. Die drei andern Evangelien aber und sämtliche übrigen neutestamentlichen Schriften sind ursprünglich in griechischer Sprache geschrieben, und zwar in der sog. „Koine“ („Gemeinsprache“), d. h. in jenem Griechisch, das sich infolge der Eroberungszüge des großen Alexander und infolge der Reichsgründungen seiner Nachfolger in den um das Mittelmeerbecken gelagerten Kulturländern zur gemeinsamen Weltsprache herausgebildet hat. Das Christentum als die Weltreligion musste auch die Weltsprache reden und schreiben…

Bemerkungen zur Geschichte des Textes: Die Urexemplare (Originalschriften, Autographen) der Schriften des NT sind, wie es scheint, schon vor Mitte des 2. Jahrhunderts zu Grunde gegangen, doch nicht, ehe sie vielmal abgeschrieben waren. Die Hauptgründe des raschen Verfalls der Autographen waren der häufige Gebrauch und die geringe Dauerhaftigkeit des Schreibmaterials. Sie waren nämlich auf Papyrus geschrieben. –
aus: Schuster/Holzhammer, Handbuch zur Biblischen Geschichte, Bd. 2, 1910, S. 1 – S. 5

siehe auch den Beitrag auf katholischglauben.online: Die reine Lehre ist im Evangelium

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