P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung
Die stumme Sünde ist die Sünde von Sodoma
Von den himmelschreienden Sünden
„Ihr freches Gesicht zeugt gegen Jerusalem und Juda, und wie Sodoma reden sie offen von ihrer Sünde und verbergen sie nicht. Weh ihrer Seele! Das Böse wird ihnen vergolten.“ (Isai. 3,9)
Eine andere Art von Bosheit ist den himmelschreienden Sünden eigentümlich. Wie das Wort schon andeutet, schreien sie gleichsam zum Himmel um baldige Bestrafung. Sie verletzen nämlich die Ordnung, welche zum Bestehen der menschlichen Gesellschaft notwendig ist, in solchem Grade, daß die menschliche Gesellschaft einfach zugrunde gehen müsste, wenn diese Art von Sünden allgemein würde. Um dies zu verhüten, ist daher die göttliche Vorsehung genötigt, die Bestrafung derartiger Sünden nicht auf das andere Leben zu verschieben, sondern dieselbe schon teilweise hier auf Erden eintreten zu lassen; denn die Strafen dieses Lebens, namentlich schwere und auffallende Strafgerichte Gottes, sind weit mehr geeignet, der menschlichen Leidenschaft Zügel anzulegen, als die Strafen im Jenseits, an welche viele nicht mehr glauben und viele andere nur selten denken.
Es gibt vier solcher Sünden, von welchen die Hl. Schrift selbst sagt, daß sie zum Himmel um Rache schreien und die deshalb im Katechismus als „himmelschreiende Sünden“ besonders aufgezählt werden.
1. Der vorsätzliche Totschlag
2. Die sodomitische Sünde
3. Die Unterdrückung der Armen, Witwen und Waisen
4. Die Vorenthaltung oder Entziehung des Tag- oder Arbeitslohnes
zu 2. Die sodomitische Sünde
Es ist dies eine so abscheuliche und widernatürliche Sünde der Unzucht, daß man sie nicht einmal nennen kann, ohne zu erröten. Dieselbe war in Sodoma und Gomorrha einheimisch. Darum sprach der Herr zu Abraham: „Das Geschrei (d.h. die himmelschreiende Unzucht) von Sodoma und Gomorrha hat sich gemehrt, und ihre Sünde ist sehr schwer geworden“; und die beiden Engel des Herrn, welche Lot besuchten, sprachen: „Wir wollen diesen Ort vertilgen, weil sein Geschrei groß geworden ist vor dem Herrn.“ „Und der Herr ließ (zur Strafe für diese Sünde) Schwefel und Feuer vom Himmel regnen und vernichtete diese Städte und die ganze Umgegend, alle Bewohner der Städte und alles, was grünte auf Erden.“ (1.Mose 18, 19) Solche Schändlichkeiten trieben im geheimen auch die Heiden, welche Gott zur Strafe für ihre Hoffart und ihren Götzendienst den unlautern Gelüsten ihres Herzens überlassen hatte. Deshalb schreibt der Apostel an die Epheser (5, 12) von denselben: „Was im geheimen von ihnen geschieht, ist zu schändlich, um es auch nur auszusprechen.“ Dieses abscheuliche Vergehen heißt auch „die stumme Sünde“, weil dieselbe unter Christen gar nicht einmal besprochen werden soll. –
aus: P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, Ein Hilfsbuch für die Christenlehre und katechetische Predigt, 2. Band Lehre von den Geboten, 1912, S. 362 – S. 363