Wozu wir das heilige Messopfer darbringen

Von der Bestimmung des Priesters: Er steht in der heiligen Messe vor dem Hochaltar

P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung

§ 2. Das heilige Messopfer

Wozu bringen wir Gott das heilige Messopfer dar?

Wir bringen es Gott dar, um ihn zu loben, ihm für seine Wohltaten zu danken, unsere Sünden zu sühnen und reichliche Gnaden zu erflehen, mit andern Worten: wir bringen es ihm dar als Lob-, Dank-, Sühn- und Bittopfer.

Wir wir schon früher hörten, hatten die verschiedenen Opfer des Alten Bundes den zweck, entweder Gott den Herrn zu loben oder ihm für seine Wohltaten Dank zu sagen oder ihn zu versöhnen oder endlich ihn um Gnaden zu bitten. Das Kreuzesopfer Jesu Christi, von dem jene alttestamentlichen Opfer Opfer nur Vorbilder waren, erfüllte allein diesen vierfachen Zweck, und zwar auf die vorzüglichste Weise: es war das vollkommenste Lob-, Dank-, Sühn- und Bittopfer. Dasselbe gilt auch vom hl. Messopfer. Warum? Weil es nichts anderes ist als die unblutige Erneuerung des Kreuzesopfers. Nur ein zweifacher Unterschied zwischen dem Kreuzesopfer und dem hl. Messopfer waltet in dieser Hinsicht ob. Erstens leistet das hl. Messopfer keine neue Sühne oder Genugtuung, sondern opfer nur die am Kreuz geleistete Sühne für diejenigen, für welche es dargebracht wird, Gott auf. Zweitens wurde das Kreuzesopfer bloß für uns dargebracht; denn obgleich Christus hier wie dort der eigentliche Opferpriester ist, so legt er sich doch beim hl. Messopfer gleichsam in unsere Hände, und während er da sich selbst dem himmlischen Vater als Opfer darbringt, gestattet er hier, daß auch wir ihn Gott aufopfern. Dies war beim Kreuzesopfer nicht der Fall. – Wir bringen also Gott das hl. Messopfer dargebracht

1. als Lobopfer zu seiner Ehre und Verherrlichung. – Es ist des Menschen heiligste Pflicht, Gottes Oberherrschaft anzuerkennen, dessen unendliche Vollkommenheiten zu preisen, dessen allerhöchster Majestät die gebührende Huldigung zu bezeigen, mit einem Wort, ihn zu loben. Deshalb sagt der königliche Prophet (Ps. 28, 2): „bringet dem Herrn Preis und Ehre, bringet Preis dem Namen des Herrn; betet an den Herrn in seinem heiligen Vorhof.“ Aber wie vermöchte das Geschöpf den Schöpfer, der Endliche den Unendlichen gebührend zu loben? Wie vermöchte der Erdenwurm den Allerhöchsten, vor dem die Himmel sich neigen, auf würdige Weise anzubeten? Was uns schlechterdings unmöglich war, das hat uns Jesus Christus durch die Einsetzung des heiligenMessopfers möglich gemacht; denn durch die Feier desselben erweisen wir der göttlichen Majestät eine Ehre, wie selbst die Engel des Himmels sie ihr nicht zu erweisen imstande sind, eine Ehre, die des Allerhöchsten vollkommen würdig ist. In der hl. Messe ist es das unbefleckte Gotteslamm selbst, das wir als geheimnisvolles Schlachtopfer vor dem Throne der göttlichen Majestät nieder legen und wodurch wir ihr den Tribut unendlichen Lobes und unendlicher Huldigung entrichten. Darum betet auch der Priester nach der hl. Wandlung: „Durch ihn (Christum) und mit ihm und in ihm ist dir, o Gott, allmächtiger Vater, in Einigkeit des Hl. Geistes alle Ehre und Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“ – Wir bringen das hl. Messopfer Gott dargebracht

2. als Dankopfer für alle von ihm empfangenen Gnaden und Wohltaten. – Nicht nur Lob und Anbetung sind wir Gott schuldig, sondern auch Dank, großen Dank für die zahllosen Gnaden und Wohltaten, die wir aus seiner Vaterhand empfangen haben und noch täglich empfangen. Muss da nicht jeder aus uns im Gefühl seines Unvermögend mit dem Propheten ausrufen: „Was soll ich dem Herrn vergelten für alles, was er mir gegeben hat?“ (Ps. 115, 3) Von ihm, unserm Schöpfer und Erhalter, unserm Erlöser und Seligmacher, haben wir Wohltaten empfangen, denen gegenüber aller menschlicher Dank als gänzlich ungenügend erscheint. Ob wir auch Reichtümer und Ehren, Leib und Seele, Gesundheit und Leben, alles, was wir sind und haben, ihm zum Dank weihen: wir müssen dennoch an uns die Frage stellen: „Was kann seiner Wohltaten würdig sein?“ (Tob. 12, 2) Im hl. Messopfer aber ist uns ein Mittel an die Hand gegeben, der göttlichen Majestät auf eine vollkommen würdige Weise unsere Erkenntlichkeit zu bezeigen. Der eingeborene Gottessohn, den wir da auf den Altar Gottes nieder legen, ist eine Gabe von unendlichem Wert und darum ein mehr als entsprechendes Gegengeschenk für alle Gaben der Natur und Gnade und selbst für die verheißenen Güter des Himmels. Wie sehr müssen wir uns also freuen, diese Dankesgabe im verein mit der unendlich vollkommenen Dankesgesinnung unseres ewigen Hohenpriesters der göttlichen Majestät darbringen zu können! – Der Charakter der Messe als Dankopfer ist besonders deutlich ausgeprägt in der Präfation, wo es heißt: „Lasset uns Dank sagen dem Herrn, unserm Gott! … Wahrhaft würdig und gerecht ist es, billig und heilsam, daß wir dir immer und überall Dank sagen, heiliger Herr, allmächtiger Gott, ewiger Gott, durch Christum unsern Herrn“ usw. Ja, die ganze Präfation ist nichts anderes als ein fortgesetzter Dankeserguß, nichts als die den verschiedenen Festzeiten angepaßte Ausführung der Worte: „Lasset uns Dank sagen dem Herrn, unserm Gott.“

3. Auch ein Sühnopfer ist die heilige Messe, und zwar ein solches, das hinreicht, Gott für alle ihm zugefügten Beleidigungen eine vollkommene Genugtuung zu bieten. Tag für Tag beleidigen wir Gott aufs neue und fordern seinen Zorn heraus. Wehe uns, wenn wir keine Mittel hätten, diesen Zorn wieder zu besänftigen und den drohenden Arm der göttlichen Gerechtigkeit zurück zu halten. Glücklicher Weise besitzen wir ein solches Mittel im hl. Messopfer; denn auch als Sühnopfer hat der Heiland uns dasselbe hinterlassen. Und wer möchte auch nur dem leisesten Zweifel Raum geben, daß dieses unbefleckte Opfer den erzürnten Gott bewegen werde, wiederum mit Huld und Erbarmen auf uns herab zu blicken? Ist es doch die freiwillige Hingabe seines unendlich kostbaren Lebens, die der Sohn Gottes da seinem himmlischen Vater als Ehrenersatz für die ihm von uns zugefügte Schmach täglich von neuem darbietet.

Was würde aber aus der Welt werden, wenn sie dieses unblutigen Sühnopfers entbehrte? „Ich meinesteils glaube“, sagt der hl. Leonardo von Porto Maurizio, „daß, wenn die hl. Messe nicht wäre, die Welt bereits zugrunde gegangen sein würde, weil sie das Gewicht so vieler Sünden nicht mehr hätte tragen können.“

4. Endlich ist die hl. Messe ein Bittopfer, geeignet, uns von Gott Hilfe in allen Nöten des Leibes und der Seele zu erflehen. – Diesem überaus wirksamen Bittopfer verdanken wir zunächst reiche Gnaden des Beistandes, um die Sünden zu meiden, die Tugend zu üben, in der göttlichenLiebe mehr und mehr zu wachsen und im Guten bis zum Ende zu verharren. Aber auch zeitliche Güter werden uns durch dasselbe zuteil, insofern sie zur Verherrlichung Gottes und zum Heil unserer Seele ersprießlich sind. „Daher beten wir und bringen dieses Opfer dar“, sagt der hl. Cyrillus (Katech. 23), „für den allgemeinen Frieden der Kirche, für die Ruhe der Welt, für die Kaiser, für ihre Kriegsheere, für ihre Verbündeten, für die Kranken, für die Betrübten und Bedrängten, mit einem Wort für alle, die der Hilfe bedürftig sind.“ Die Kirche tut dieses, weil sie die Überzeugung hegt, daß kein Gebet bei Gott mehr vermöge als die Darbringung jenes Opfers, bei dem sein eingeborener Sohn die durchbohrten Hände zu ihm empor hebt und mit der Stimme seines Blutes ihn für uns anfleht. Oder könnten wir auch nur irgend einen gegründeten Zweifel hegen, daß Jesus im hl. Messopfer für uns zu Gott bitte? Wenn er nach dem Ausspruch des hl. Paulus in der Herrlichkeit des Himmels allzeit lebt, „um für uns zu bitten“ (Hebr. 7, 25; 9, 24), wird er hienieden auf dem Altar, wo er unser Hoherpriester und unser Opfer zugleich ist, wird er da wohl aufhören, seinen himmlischen Vater für uns zu bitten? – aus: P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, Ein Hilfsbuch für die Christenlehre und katechetische Predigt, 3. Band Lehre von den Gnadenmitteln, 1912, S. 172-176

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