P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung
§ 2. Das heilige Messopfer
Das heilige Messopfer von den Aposteln an gefeiert
Wodurch beweisen wir, daß von den Aposteln an das hl. Messopfer allezeit gefeiert wurde?
1. Dies geht schon hervor aus der Heiligen Schrift.
Der hl. Paulus schreibt im Brief an die Hebräer (13, 10): „Wir (Christen) haben einen Opferaltar, wovon diejenigen nicht essen dürfen, die dem Zelt dienen“, d. h. den Juden. Die Christen hatten also nach dem Zeugnis des Weltapostels schon zu dessen Lebzeiten einen Opferaltar. Wo aber ein Opferaltar ist, da ist offenbar auch ein Opfer, welches auf demselben dargebracht wird. Und wenn der Apostel von diesem Opfer sagt, daß die Juden nicht davon essen durften, so gibt er damit klar zu verstehen, daß die Christen davon aßen. Worin bestand nun dieses Opfer der Christen? Darüber gibt uns derselbe Apostel näheren Aufschluss im ersten Korintherbrief (10, 20. 21), wo er vor der Teilnahme an den heidnischen Götzenopfern warnt und sagt: „Ihr könnt nicht den Kelch des Herrn trinken und den Kelch der Teufel; ihr könnt nicht Anteil haben am Tisch des Herrn und am Tisch der Teufel.“ Der hl. Paulus stellt also an dieser Stelle die Opferspeise der Heiden jener der Christen gegenüber und deutet dadurch an, daß jener „Kelch des Herrn“ ein Opferkelch und jener „Tisch des Herrn“ ein Opfertisch ist. Seine Worte können daher nur den Sinn haben: Es ist euch, Christen, nicht erlaubt, den Kelch zu trinken, der auf eurem Altar dem Herrn geopfert wird, und zugleich den, welcher auf den Altären der Heiden den Götzen oder Teufeln als Opfer dargebracht wird; ebenso ist es euch nicht gestattet, von der dem Herrn geopferten Speise zu essen und zugleich teil zu nehmen an den Speisen, die den Teufeln geopfert wurden. Was ist nun aber dieser dem Herrn geopferte Kelch anders als der Kelch des Blutes Christi, und was ist jene gottgeweihte Opferspeise anders als der Leib des Herrn? Sagt ja doch der Apostel selbst unmittelbar vorher: „Der Kelch der Segnung, den wir segnen, ist er nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi! Und das Brot, das wir brechen, ist es nicht die Gemeinschaft des Leibes des Herrn?“ Das Opfer der ersten Christen war demnach das hl. Messopfer. – Von diesem Opfer redet auch der hl. Lukas in der Apostelgeschichte, indem er (13, 2) sagt, daß die Vorsteher der Kirche von Antiochien dem „Herrn den heiligen Dienst verrichteten“. Denn das griechische Wort, dessen sich derselbe bedient, drückt nach dem übereinstimmenden Zeugnis der Väter und Schriftausleger die hl. Opferhandlung aus. – Daß die Kirche das hl. Messopfer stets gefeiert hat, geht auch hervor
2. aus den unleugbaren Zeugnissen der hl. Väter, den Beschlüssen der Konzilien, den uralten Messgebeten und vielen anderen kirchlichen Denkmälern des Morgen- und Abendlandes.
a) Zeugnisse der Väter, selbst der drei ersten Jahrhunderte, liegen in großer Anzahl vor. Schon oben haben wir kurz hingewiesen auf eine Stelle der im Jahre 1883 neu entdeckten Schrift, die den Titel führt: „Lehre der zwölf Apostel“, und die entweder noch zu Lebzeiten des hl. Apostels Johannes abgefaßt wurde oder bald nach seinem Tode. Die ganze Stelle (Kap. 14) lautet so: „Am Tage des Herrn kommt zusammen, brechet das Brot und saget Dank, nachdem ihr eure Sünden bekannt habt, damit euer Opfer rein sei. Aber keiner, der Streit mit seinem Nächsten hat, soll sich bei einer Versammlung einfinden, bevor sie sich versöhnt haben, damit euer Opfer nicht verunreinigt werde; denn es ist jenes (Opfer), von dem der Herr gesagt hat: An jedem Ort und zu jeder Zeit soll man mir ein reines Opfer darbringen; denn ich bin ein großer König, spricht der Herr, und mein Name ist wunderbar unter den Völkern.“ Zeugnisse vom heiligen Irenäus und vom heiligen Justinus wurden bereits angeführt. Auch Tertullian spricht an vielen Stellen vom hl. Messopfer. So z. B. in seiner Schrift „Vom Gebet“ (Kap. 18, 19), wo er solche tadelt, die an den Fasttagen die hl. Kommunion nicht empfangen wollten aus Furcht, dadurch das Fasten zu brechen. Nachdem er ihnen gezeigt, daß dies eine törichte Furcht sei, sagt er, sie sollten wenigstens, wenn beim hl. Opfer die Kommunion ausgeteilt werde, diese in Empfang nehmen und sie bis zum Schluß des Fastens (bis zum Abend) aufbewahren und dann genießen, damit sie so ihren vollen Anteil am hl. Opfer hätten. An einer andern Stelle (De cultu feminarum 2, 11) sagt er, Frauen hätten nur dann einen begründeten Anlass auszugehen, „wenn entweder ein Kranker zu besuchen ist oder das hl. Messopfer dargebracht oder das Wort Gottes verkündet wird.“ Der hl. Cyprian (Br. 63) sagt, Christus habe beim letzten Abendmahl nach der Ordnung Melchisedechs unter den Gestalten von Brot und Wein seinen Leib und sein Blut aufgeopfert, und fährt dann fort: „Da Jesus Christus unser Herr und Gott, selbst der Hohepriester Gottes des Vaters ist und isch selbst zuerst als Opfer dem Vater dargebracht und befohlen hat, zu seinem Andenken ein Gleiches zu tun, so vertritt jener Priester in Wahrheit die Stelle Christi, der das nachtut, was Christus getan, und bringt Gott dem Vater in der Kirche ein wahres und vollständiges Opfer dar, wenn er so opfert, wie er weiß, daß Christus geopfert hat.“ – Diese Zeugnisse sind so klar, daß es unnütz wäre, aus den Vätern der späteren Jahrhunderte, die diesen Gegenstand bekanntlich noch einläßlicher behandeln, weitere hier anzuführen; einige derselben werden noch in der Folge vorkommen. (*)
(*) Luther selbst verhehlte es sich nicht, daß er durch Verwerfung des Messopfers mit der Lehre der hl. Väter und der ganzen Kirche in offenbaren Widerspruch gerate. In seiner Schrift von der Abschaffung der Privatmesse gesteht er, daß es in Wahrheit ein großes Unternehmen sei, der Übung so vieler Jahrhunderte, so vielen Zeugen, der so allgemeinen Ansicht sich entgegen zu setzen. Er fragt einwurfsweise sich selbst: Bist du denn der Alleinweise? Sind so viele einstimmige Zeugen im Irrtum? Waren so viele Jahrhunderte in Unwissenheit? Und der Reformator von Wittenberg antwortet mit gewohnter Bescheidenheit: „Wenn da scheint, daß ich gegen den gebrauch der Kirche, gegen die Aussprüche der Väter gelehrt habe, der soll wissen, daß ich mich um das alles nicht kümmere.“ Ebenso spricht er an einer andern Stelle: „Es kümmert uns nicht, wenn die Papisten schreien: die Kirche! Die Kirche! Die Väter! Die Väter! Denn in solchen Dingen kümmern wir uns nicht um das, was Menschen sagten und taten: Propheten und Apostel haben sich geirrt; durch Christi Worte richten wir die Kirche, die Apostel und selbst die Engel.“ So äußerte sich derselbe Luther, der im Jahre 1532 „gegen die Sakramentsschwärmer und Rottengeister“ schrieb: „Gefährlich und erschrecklich ist es, etwas zu hören oder zu glauben wider das einträchtliche Zeugnis, Glauben und Lehre der ganzen heiligen, christlichen Kirche.“ – Und während Luther so ohne weiteres über das Ansehen der ganzen Kirche hinweg schreitend dasselbe tat, was er an den Sakramentierern rügte und als „gefährlich und erschrecklich“ bezeichnete, trug er kein Bedenken, zu erzählen, wie der Teufel ihn einstmals in einer nächtlichen Erscheinung mit seinen Argumenten in die Enge getrieben und ihm zugeredet habe, die Messe abzuschaffen, was er auch getan. Jenes werkwürdige Nachtgespräch ist aufgezeichnet in Luthers Schrift „Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe“.
b) der von jeher bestehende Gebrauch, das hl. Messopfer zu feiern, läßt sich auch aus den Beschlüssen mancher Konzilien mit Bestimmtheit abnehmen. So rügt z. B. das erste allgemeine Konzil von Nicäa (i. J. 325) dem Missbrauch, daß Diakone den Priestern die hl. Eucharistie reichten. „Es ist der vorgeschriebenen Ordnung und dem Herkommen zuwider“, sagt es, „daß die, welche, die Vollmacht zu opfern nicht besitzen, denen, welche sie besitzen, den Leib des Herrn darreichen.“ Auch andere Konzilien desselben Jahrhunderts, wie das von Ancyra, Neocäsarea, Laodicäa, setzen in ihren Verordnungen offenbar voraus, daß die Priester und Bischöfe das hl. Messopfer darbrachten.
c) Einen ferneren, ganz unumstößlichen Beweis dafür liefern die schon öfters erwähnten uralten Liturgien (Über das hohe Alter der liturgischen Bücher siehe Gueranger, Institutions liturg. Tom. 3. chap. 2. Paris 1851) oder Messbücher, worin die damals für die Feier der hl. Messe vorgeschriebenen Gebete und Zeremonien enthalten sind. Dazu kommen noch andere Denkmäler, wie Altäre, Inschriften und Gemälde, die namentlich in den römischen Katakomben aufgefunden wurden und für die Feier der hl. Messe in den ersten christlichen Zeiten ein vollwichtiges Zeugnis ablegen. Insbesondere besitzen wir noch den hölzernen Altar, auf welchem der Apostelfürst Petrus im Hause des Senators Pudens das hl. Opfer darbrachte. Er wird in der Kirche der hl. Pudentiana aufbewahrt. Er liegt unter einem steinernen Altar, in welchem das Bild des hl. Petrus ausgehauen und eine Inschrift, daß derselbe hier geopfert habe, eingegraben ist. Ein anderer gleichfalls hölzerner Altar, auf dem der Überlieferung zufolge der hl. Petrus und die übrigen Päpste bis auf Silvester das hl. Opfer feierten, befindet sich auch noch in der Kirche vom Lateran. An demselben darf nach einer Verordnung Sylvesters I. nur der Papst das hl. Messopfer darbringen. (S. Bona, Rerum liturg. Lib. 1. c. 20. n. 3. u. römisch. Brevier 9. November) (**)
(**) Wir dürfen uns nicht wundern, daß es in den zwei ersten Jahrhunderten des Christentums manche Altäre gab, die wie die eben genannten aus Holz waren. Der Zustand fast ununterbrochener Verfolgung, worin die Kirche sich befand, die zahllosen Späher, die von den heidnischen Tyrannen ausgesandt wurden, um den Christen aufzulauern, machten es wünschenswert, daß die Altäre leicht von einem Ort zum andern übertragen werden konnten. Man feierte nämlich je nach Umständen heute in Höhlen und Grüften, morgen in den Häusern der Gläubigen, nichtselten selbst in den Kerkern das hl. Opfer. Dazu eigneten sich aber begreiflicher Weise die hölzernen Altäre mehr als die steinernen. – Überhaupt behalfen sich die eifervollen Priester jener Zeit hinsichtlich des Altares auf die mannigfachste weise. Einen auffallenden Beleg hierfür liefern uns die Märtyrerakten des antiochenischen Priesters und Märtyrers Lucian. Da nämlich im Kerker, wo dieser heilige Blutzeuge mit andern Glaubensbekennern schmachtete, sich kein Tisch vorfand, so legte er sich rücklings nieder, ließ sich Brot und Wein auf die Brust setzen und brachte so das hl. Opfer dar. (S. Bolland. 7. Januar u. Martène, De antiq. Eccles. Rit. L. 1. cap. 3. art. 5)
Als in Folge die Kirche sich des Friedens und des Schutzes der christlichen Kaiser erfreute, beeiferte man sich, aus Ehrfurcht gegen das hl. Opfer prachtvolle Altäre aus feinstem Marmor, Silber, Gold und Elfenbein mit Verzierungen von kostbaren Edelsteinen zu errichten. Die hl. Pulcheria, die Schwester des Kaisers Theodosius des Jüngeren, machte der Kirche von Konstantinopel einen Altartisch zum Geschenk, der nach dem Zeugnis der Kirchen-Geschichtsschreiber Sozomenus und Nicephorus aus purem Gold angefertigt und mit Perlen und Edelsteinen reich geschmückt war. – In der von Kaiser Justinian erbauten Sophienkirche zu Konstatinopel war der ganze Altar aus massivem Gold. Derselbe ruhte auf sechs Pfeilern von dem nämlichen edlen Metall und war mit einer Unzahl der kostbarsten Edelsteine eingelegt. Zu dem Altartisch schien nicht einmal das Gold kostbar genug; er wurde daher aus allen Arten der kostbarsten Materien, aus Gold, Silber, zerstoßenen orientalischen Perlen und den kostbarsten edeln Steinen zusammen geschmolzen und die Vertiefung noch überdies mit den reichsten Juwelen eingelegt. Über dem Altartisch erhob sich turmartig mit einer goldenen, reich verzierten Kuppel der Tabernakel. Die Kuppel war von zwölf goldenen Lilien umschattet, und zwischen diesen ragte ein goldenes 75 Pfund schweres und abermals mit den seltensten Steinen geschmücktes Kreuz hervor. (Stolberg, Gesch. d. Relig. Bd. 19, Abt. 2) – Auch in der Kirche des hl. Ambrosius zu Mailand befand sich, wie Bona (Rer. liturg. 1. I.) berichtet, ein goldener Altartisch, und Kaiser Heinrich II. schenkte nach Dietmars Zeugnis einen solchen der Kirche von Merseburg. – Galenius beschreibt in seinem Buch: De admiranda sacr. Et civil. Magnitud. Coloniae drei tragbare Altäre, welche zu Köln in der St. Andreaskirche aufbewahrt wurden und die Form eines Kistchens hatten, von denen einer aus Gold, der zweite aus Elfenbein, der dritte aus Kupfer verfertigt war. –
aus: P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, Ein Hilfsbuch für die Christenlehre und katechetische Predigt, 3. Band Lehre von den Gnadenmitteln, 1912, S. 165-168, S. 516-517