Die Verehrung des Leidens Jesu

Die Verehrung des Leidens Jesu Christi

Beachte wohl den Zeitpunkt, in welchem die göttliche Vorsehung den hl. Paul vom Kreuz der Christenheit gesandt hat, mit dem Auftrag, einen Orden zu stiften, der mit vereinten Kräften die Verehrung und Andacht zum Leiden Jesu befördern sollte. Es geschah um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, als die Freimaurer große Triumphe ihres Hasses gegen die katholische Kirche feierten, dem Papst Klemens XIV. die Aufhebung der Gesellschaft Jesu abnötigten, und der gräuelvollen Revolution in Frankreich sowie dem nicht minder verderblichen Josephinismus in Deutschland den Weg ebneten. In solcher Trübsal war das Festhalten am heiligen Kreuz und der Aufblick zum Gekreuzigten das wirksamste Mittel zur Treue und Standhaftigkeit im Glauben. Von dem großen Nutzen der Verehrung des Leidens Jesu kannst du dich lebhaft überzeugen, wenn du betrachtest die Geschichte und die Praxis der Kirche.

1. Die Geschichte der Kirche. Simon Petrus war nicht bloß ein eifriger, sondern auch ein sehr bevorzugter Apostel: er hatte alle Predigten Jesu gehört, alle seine Wunder gesehen, seine Verklärung auf Tabor geschaut und sogar aus seiner Hand die hl. Kommunion empfangen. Dennoch blieb er schwach, gab sich der Schlafsucht hin und vermochte nicht mit dem ihn bittenden und zum Tode betrübten Meister eine Stunde zu wachen und zu beten; ja, er verleugnete Ihn schmachvoll – aus Furcht vor dem Geschwätz einer Magd! Sobald aber Petrus nur einen Blick in das von Backenstreichen, Blut und Speichel entstellte Angesicht des leidenden Jesus tat, wurde er erschüttert, zu bitteren Tränen gerührt und vollständig bekehrt. (siehe den Beitrag: Die Verleugnung Jesu Christi durch Petrus)

Der gute Schächer Dismas war in Verbrechen grau geworden und in seinen Lastern verhärtet bis zur letzten Stunde, bis er Jesus neben sich mit himmlischer Geduld leiden sah. Erst dieser Anblick durchleuchtete seine Seele mit einem Lichtstrahl der Gnade, rührte sein Herz zur Reue und zum Bekenntnis seiner Schuld und gab ihm das demütige Vertrauen zu der großen Bitte: „Herr, gedenke meiner, wenn Du in dein Reich kommst!“ Jesus belohnte ihm diese Verehrung seines Leidens mit der huldvollen Zusicherung: „Heute noch wirst du bei Mir im Paradiese sein.“ (Luk. 23) (siehe den Beitrag: Die Bekehrung des guten Schächers am Kreuz)

Ebenso erging es dem römischen Hauptmann. (Luk. 23) Dieser wohnte in Jerusalem, ohne sich um die Lehren und Wunder Jesu zu kümmern; er wußte aus dem Munde des Pilatus selbst, daß Jesus unschuldig sei, aber das rührte ihn nicht: er kommandierte die Soldaten während der Kreuzigung, aber kein Gefühl des Mitleids, kein Funke des Glaubens regte sich in ihm. Erst dann, als er den leidenden Jesus in seinen Schmerzen am Kreuz betrachtete, beugte sich sein Stolz, schlug er an seine Brust und bekannte öffentlich: „Wahrhaft, dieser ist Gottessohn!“

Die heiligen Märtyrer haben stets den Heldenmut und die Freudigkeit, mit der sie die glänzendsten Versprechungen irdischen Glückes, wie die grimmigsten Drohungen ihrer Richter verachteten, aus den Wunden des leidenden Jesus geschöpft; die heiligen Väter haben sich stets des heiligen Kreuzes bedient, bald als Schwert im Kampf wider die Versuchungen, bald als Wanderstand auf dem steilen Weg der Tugend. Was willst du tun?

2. Die Praxis der Kirche. Es ist im höchsten Grade rührend, wie die Kirche mit ihrer mütterlichen Innigkeit die Augen und Herzen ihrer Kinder an das Kreuz und an ihren gekreuzigten Bräutigam zu heften sich bemüht. Sie feiert ohne Unterbrechung das immerwährende Opfer des Leidens Jesu auf ihren Altären und verpflichtet die Gläubigen unter einer schweren Sünde, wenigstens alle Sonn- und Feiertage sich andächtig daran zu beteiligen: sie stellt ihnen überall in und außer den Kirchen und Häusern, in Tausenden von Abbildungen, die Leiden des für uns Gekreuzigten zur Verehrung vor: sie ordnet besondere Andenken an für die Donnerstage und Freitage, und für die große Karwoche: sie versammelt, so oft sie kann, ihre Kinder vor der heiligen Hostie in der Monstranz und freut sich über die frommen Vereine, welche sich der ewigen Anbetung des leidenden Erlösers befleißen: sie befördert durch den Orden des hl. Franziskus in den weitesten Kreisen die Stationen-Andacht, und bewilligt für dieselbe sehr viele vollkommene und unvollkommene Ablässe: sie privilegiert viele Wallfahrts-Stätten, wo das kostbare Blut, das hl. Kreuz, das Ecce-Homo-Bild, ein Gnadenbild der schmerzhaften Mutter Maria verehrt wird, usw. Wie betätigst du in diesen Stücken deine christliche Liebe und Dankbarkeit, um mit dem hl. Paul vom Kreuz die ewigen Freuden des Himmels zu genießen? –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 746

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