Heiligenkalender
29. April
Der heilige Robert von Molesme Abt
Obschon von adeligem Geschlecht, entschloß sich der hl. Robert schon in seinem fünfzehnten Jahr in ein Benediktiner-Kloster bei Troyes in Frankreich einzutreten; denn schon von seinen frühesten Jahren an, sobald er nur einige Unterweisung in der Religion bekommen hatte, zeigte er ein Verlangen ganz für Gott zu leben. In seinem Lebenslauf hat sich mehrmals ein Begegnis (=Ereignis) wiederholt, das zwar ein Zeugnis ist für den religiösen Eifer des hl. Robert, das aber auch einem so heiligen Mann sehr schmerzlich fallen musste. Der hl. Robert erreichte nämlich sehr früh schon einen hohen Grad von Vollkommenheit, so daß er wider seinen Willen weithin die Aufmerksamkeit auf sich zog. Daher kam es, daß er als Jüngling schon zum Prior seines Klosters, und einige Jahre später zum Abt in einem andern Kloster Tonerre gewählt wurde. Allein die Mönche daselbst wollten zwar einen vortrefflichen Mann zu ihrem Vorsteher, sie selbst wollten aber, daß man sie dabei tun und treiben lasse, was ihnen gut dünkte. Als Robert nun hier Ordnung und Zucht einführen wollte, zeigten die Brüder solche Widerspenstigkeit, daß alle Mühe des Abtes umsonst war. Robert wollte aber kein Amt führen, das bei dem Ungehorsam der Untergebenen ganz unnütz war, deshalb legte er es endlich nieder und verließ dieses Kloster.
Nicht weit von Tonerre war eine Einöde, wo sieben Einsiedler ein beschauliches bußfertiges Leben führten. Da sie hörten, wie sehr Robert sich durch Gottseligkeit auszeichne, baten sie ihn, daß er ihr Lehrer und Führer auf der Bahn der Gottseligkeit sein möge. Robert willigte ein; sie nahmen ihn mit Freuden auf. Nachdem Robert einen angemessenen Ort in dem Wald von Molesme aufgefunden hatte, zogen sie dahin, machten sich Hütten von Baumzweigen und errichteten ein Bethaus. Zuerst ging Alles sehr gut. Die große Frömmigkeit und Weltentsagung der Einsiedler wurde allmählich weithin bekannt; fromme Leute aus der Umgegend kamen und brachten mehr und mehr Beisteuern. Allein gerade der Überfluss, den die Einsiedler bekamen, bewirkte, daß sie die Handarbeit nicht mehr wie früher fortsetzten und überhaupt von der früheren Strenge abließen. Umsonst widersetzte sich der hl. Robert diesem Rückgang von dem früheren Eifer; aber auch hier waren seine Ermahnungen vergeblich, so daß er zuletzt seine Stelle wieder niederlegte.
Nun hatte Robert von Mönchen gehört, die in der Einöde von Hauz einen solchen Wandel führten, wie er selbst zu führen wünschte, nämlich die all` ihre Zeit nur mit Gebet, Betrachtung und Händearbeit zubrachten. Dahin begab sich nun Robert und wurde von den Mönchen, sobald sie seinen heiligen Wandel kennen gelernt, zum Vorsteher gewählt. – Allein die Mönche von Molesme glaubten mit Recht, daß es für sie eine Schande sei, wenn es heiße, Robert habe wegen ihrer Unordnung sich zu einer besseren Brüderschaft begeben. Sie bewirkten daher bei dem Papst, daß dem hl. Robert befohlen wurde, wieder zu ihnen nach Molesme zurück zu kehren. Obschon aber die Mönche versprochen hatten ihm gehorsam zu sein, wenn er zurück kehre, so änderten sie ihren Wandel doch nicht. Nur der kleinere Teil der Brüder hatte dieselbe Gesinnung wie Robert; diese vereinigten sich mit ihm und erwirkten bei dem päpstlichen Legaten zu Lyon, daß sie sich von den Übrigen trennen durften, um ganz genau nach der alten Ordensregel des hl. Benediktus zu leben.
Robert wanderte nun mit dem besseren Teil der Brüder in einen Wald bei Dijon; hier machten sie sich Zellen und führten ein höchst frommes, außerordentlich strenges Leben. Nur vier Stunden wurden daselbst dem Schlaf gewidmet, alle übrige Zeit dem Gebet und der Arbeit. Wurzeln und Kräuter waren die einzige Nahrung, welche sie zu sich nahmen. Der Herzog von Burgund ließ ihnen bald ein Kloster daselbst bauen, welches dann zur Abtei erhoben wurde. Von dem Wald Cisteaux, wo dieses Kloster errichtet wurde, bekamen die Mönche den Namen Zisterzienser; da aber später viele Klöster dieselbe strenge Ordensregel annahmen, wie sie Robert in Cisteaux eingeführt hatte, so wurden dann auch diese Zisterzienser genannt.
Aber auch hier war kein Bleiben für Robert. Die Mönche von Molesme schickten wieder nach Rom und begehrten, daß dem Robert die Rückkehr befohlen werde, indem sie ohne Vorsteher seien. Sie gestanden ihre früheren Verfehlungen, versprachen sich besser den Anordnungen ihres früheren Abtes zu fügen, wenn er seine Stelle wieder übernehme; seine Gegenwart sei aber durch aus notwendig, wenn wahres Heil in ihr Kloster zurück kehren solle. – Wirklich bekam nun Robert die Anweisung von Rom, wieder als Vorstand die Leitung des Klosters Molesme zu übernehmen; gehorsam fügte sich der hl. Robert und blieb nun daselbst bis zu seinem gottseligen Tod im Jahre 1110.
Als der hl. Robert gestorben und sein Leichnam ausgestellt war, berührten zwei Kranke voll gläubigen Vertrauens sein Kleid, und erhielten plötzlich dadurch ihre Gesundheit wieder, so daß das Weinen und Klagen der Mönche bei dem Leichnam in Freude und Jubel über das geschehene Wunder verwandelt wurde. – Besonders häufig aber geschahen wunderbare Heilungen in der Kirche zu Molesme, welche der hl. Robert zur Ehre der Mutter Gottes erbaut hatte. Ein Edelmann aus Lothringen, schon alt und kränklich, hatte das Augenlicht verloren. Dieser hörte auch davon, wie am Grab des hl. Robert Leidende schon von so manchen Übeln befreit worden seien. Er ließ sich nun auch von seinen Angehörigen nach Molesme bringen; hier am Grab des Heiligen wachte und betete er nun, bereute und beweinte seine Sünden. Aber er hatte schon eine Woche lang in frommen Übungen hier zugebracht, ohne daß sich eine Heilung zeigte. Da wollten ihn seine Leute aus der Kirche fortführen, um in die Heimat zurück zu kehren; er aber warf sich am Tor der Kirche noch einmal zur Erde, weinte und jammerte und rief öfters den Namen des hl. Robert an,, und daß Gott um dessen Verdienste willen ihm barmherzig sein möge. Plötzlich rissen an seinen Augen seine Häutchen los, die er mit der Hand noch vollends abwischte, worauf er vollständig wieder sehen konnte. Wie er so eben noch vor Trauer und Schmerz geweint hatte, so weinte und dankte er jetzt vor übergroßer Freude. – Auf der Rückreise wurde der Edelmann von einem vornehmen Herrn zu Tudella gastfreundlich beherbergt. Hier erzählte er nun den Hergang seiner Heilung. Der Herr Hatte aber eine Gemahlin, die schon siebzehn Jahre lang gelähmt war, so daß sie auf keinem Fuß stehen konnte. Diese und ihr Gemahl faßten nun auch ein Vertrauen zu dem hl. Robert, und machten die Reise zu dem Grab desselben. Die Frau ließ sich von der Tragbahre herab heben und auf die Erde legen, dann betete sie mit viel Inbrunst um Hilfe; auch andere Leute, die gleichfalls hier geheilt worden waren, beteten mit ihr. In Kurzem fühlte sie, daß sich die durch lange Krankheit zusammen gezogenen Nerven und Sehnen ausdehnten und in ihre glieder Kräftigkeit zurück kehrte; sie stand selbst ohne fremde Stütze auf, und hatte den vollständigen Gebrauch ihrer Glieder wieder, worüber allgemeines Freudengeschrei und Jubel entstand.
Mehrere Äbte, deren Klöster nicht weit von dem des hl. Robert waren, schrieben an den Papst, als es sich um die Heiligsprechung desselben handelte, Folgendes: „Wir hören fortwährend die Stimme des Volkes in der Umgegend, daß eine zahlloseMenge von Gichtkranken, Blinden, Stummen und mit andern Übeln Behafteten täglich zum Grab des genannten Robert in der Kirche zu Molesme zusammen strömen, und auf das Gebet und die Anrufung des Heiligen ihre frühere Gesundheit wieder erlangen.“ (*)
Auf ähnliche Weise finden wir auch bei andern Heiligen, daß besonders nach ihrem Tod vielen Notleidenden wunderbar geholfen wurde, wenn man mit vertrauen sie anrief. Desgleichen dürfen wir überzeugt sein, daß auch fortwährend die heiligen aus Liebe für uns bitten und die Rücksicht auf ihre Fürbitte und ihre Verdienste Gott bewegt, uns von mancher verdienten Strafe zu verschonen und manche unverdiente Wohltat zuzuwenden. Die hl. Katharina, deren Tag morgen ist, sagte selbst beim Sterben zu den Umstehenden: „Ich verspreche euch mit Zuversicht, daß ich euch nach meinem Tode nützlicher sein werde, als in diesem armseligen Leben.“ Die Fürsprache und die Verdienste Christi werden dadurch gleichsam erweitert und verstärkt, wie das Licht und die Wärme der Sonne stärker strahlt und wirkt, wenn viele Gläser und Spiegel ihre Strahlen auffangen und zurück werfen. Deswegen ist es auch für uns ein Segen und für die katholische Kirche ein Gewinn, so oft ein Heiliger mehr in den Himmel eingeht; und es gebührt sich, daß wir Gott dafür freudig loben und danken. – aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 2 April bis Juni, 1872, S.135-139
(*) Anm.: Die Heiligsprechung von Robert von Molesme erfolgte am 8. Januar 1222 durch Papst Honorius III.