Heiligenkalender
3. Mai
Die selige Johanna vom Kreuz, Oberin
Diese, der hohen Himmelskönigin vom ganzen Herzen ergebene Jungfrau, ward im Jahre 1481 im Bistum Toledo von ehrbaren Eltern geboren. Schon ihre Geburt war eine Wirkung der Gebete, welche Maria an ihren göttlichen Sohn gerichtet hatte, indem sie die Geburt dieses Kindes ausdrücklich von ihm verlangte, da sie von Johanna die Verbesserung des Klosters St. Maria vom Kreuz bei Cuba erwartete, welches Kloster ihrem Schutz empfohlen und geweiht war. – Noch in der Wiege liegend, enthielt sich das Kind 3 Tage der Muttermilch, so daß die Mutter glaubte, Johanna sei schon tot. Die Mutter voll Angst tat der Lieben Frau ein Gelübde, und alsbald kam das Kind wieder zu sich.
Im vierten Jahr ihres Lebens verfiel Johanna eines Tages in Verzückung und wurde im Geist an einen prächtigen Ort geführt, wo sie mehrere vorzüglich schöne Frauen sah, deren Angesicht und Gewand den Strahlen der Sonne glänzte und leuchtete. Mitten unter ihnen befand sich aber eine, die alle andern an Schönheit übertraf, und die ihre Königin zu sein schien. Auch fand sich eine Menge von kleinen Kindern ein, die sich Johanna nahten, und sie aufforderten, ihre Huldigung jener Frau darzubringen, die über alle erhaben schien und welche, wie sie sagten, die Königin des Himmels und der Erde, die Gebieterin der Engel und Menschen sei. Johanna entschuldigte sich, daß sie nicht wisse, wie sie mit einer solchen vornehmen Frau reden solle, und nun lehrten sie die Kinder das Ave Maria, das sie hierauf kniend vor der heiligen Jungrau betete. Von dieser Zeit an war das herz Johannas wie umgewandelt. Sie mied die kindlichen Spiele ihres Alters, war gerne einsam und betete viel. Durch Maria wurde ihr reines Herz ganz für Jesus gewonnen; sie suchte nur ihm zu gefallen. Mit sieben Jahren ward sie ihrer Mutter beraubt, aber die Gottesmutter hatte bereits ihre Stelle eingenommen. Unter ihrer Obhut und Leitung nahm Johanna wunderbar in der Frömmigkeit zu. Sie war von dieser Königin der Jungfrauen bestimmt, im Kloster St. Maria vom Kreuz die alte Zucht wieder herzustellen und ein Leben der Vollkommenheit dort erblühen zu machen. Daher mahnte Maria die junge Johanna, jetzt schon den Grund zu diesem Werk zu legen.
Johanna führte ein strenges Bußleben; sie aß nur des Tages einmal, fastete bei Wasser und Brot, enthielt sich oft 2-3 Tage der Speise. Sie züchtigte ihren Leib mit der Geißel und mit einem rauhen Cilicium. Und bestrebte sich noch im väterlichen Hause ein klösterliches Leben führte, blieb sie doch von großer Schönheit des Leibes. Ein junger Edelmann begehrte sie daher zur Ehre; allein sie weigerte sich dessen standhaft, und wandte sich deshalb, wie immer, zu ihrer lieben Mutter Maria. Diese hatte ihr bereits den Gedanken eingeflößt, in den dritten Orden des heiligen Franziskus zu treten, und Johanna suchte nun im Kloster von St. Maria vom Kreuz bei Cuba Aufnahme zu finden. Da sie wußte, daß man ihr die Reise dahin nicht gestatten werde, entfloh sie heimlich aus dem Haus ihres Vaters zu Azana, vertrauend auf den Schutz der Gottesmutter, der ihr auch nicht mangelte. Als sie sich auf den Weg machte, folgte ihr der Edelmann nach, dem sie vermählt werden sollte. Da hüllte sie die mächtige Jungfrau in eine Wolke, so daß der Edelmann, sie suchend, vor ihr vorbei eilte, ohne sie zu sehen. Ohne weitere Gefahr machte sie die 5 Meilen weite Reise und gelangte zum Kloster. Dort flehte sie unter Tränen die Schwestern an, sie aufzunehmen. Sie erhielt auch wirklich die Aufnahme und kaum hatte sie den Habit angezogen, als sie auch schon mit allem Eifer nach Vollkommenheit strebte. In kurzer Zeit ward sie ein Muster aller Schwestern. Eines Tages erschien ihr die Mutter Gottes und kündigte ihr an, daß sie die Oberin des Klosters werden sollte, und wirklich ward sie zur Oberin gewählt. Nachdem sie, vertrauend auf die Hilfe der Himmelskönigin, das neue, schwierige Amt übernommen hatte, erschien ihr Maria wieder und befahl ihr, die gelockerte Klosterzucht herzustellen und die Schwestern nach der Regel des Ordens den Weg der Vollkommenheit zu führen. Johanna befolgte den Befehl, hatte aber dabei viel zu leiden. Doch Maria verließ sie nicht, tröstete und stärkte sie. Eines Tages erschien sie ihr im Garten mit ihrem süßen Kind auf dem Arm. Johanna hatte eine ungemeine Freude und verlangte glühend das heiligste Kind in ihre Arme zu schließen. Huldvoll reichte ihr auch Maria das göttliche Kind; sie durfte es längere Zeit in ihren Armen halten und an ihr Herz drücken und empfand dabei himmlische Wonne. Nachdem sie endlich ihr Werk vollbracht, im Kloster die heilige Zucht hergestellt hatte, und zu einer hohen Stufe der Heiligkeit gelangt war, starb sie selig im Herrn am 3. Mai 1534. (Balinghem. Annus mar. De Monstier.) –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Erster Teil, 1869, Sp. 1117 – Sp. 1119