Warum ich ein Heiliger werden will

Christus sitzt in der Mitte, Löwe und Stier zu seinen Füßen

Was von dem leichtsinnigen Gerede zu halten sei: „Ich will kein Heiliger werden.“

Es gibt Leute, die, wenn man sie zu einem christlichen Lebenswandel mahnt und von dem Wandel der Weltkinder abzuhalten sucht, gleich mit den Worten bei der Hand sind: „Ich will kein Heiliger werden.“ Ebenso gibt es Leute, welche diejenigen, die ein zurückgezogenes Leben führen, und nicht alle Lustbarkeiten mitmachen, mit den Worten tadeln: „Ei, der will gar ein Heiliger werden!“

Was meinst du, christliche Seele? Sind diese Worte nicht höchst leichtsinnig und unüberlegt? Ich möchte doch gerne wissen, ob Jemand, ohne heilig gelebt zu haben, in den Himmel kommt? In den Himmel wollen Alle kommen; aber nun sagt Gott selbst: „Seid heilig, wie ich, der Herr, euer Gott, heilig bin.“ Mos. 19.

Es schreibt der Apostel Paulus: „Gott hat uns in Christo erwählt vor Grundlegung der Welt, daß wir heilig und untadelhaft seien vor ihm in Liebe.“ Ephes. 5. Es ruft der heilige Apostel Johannes: „Wer gerecht ist, werde noch gerechter und wer heilig ist, werde noch heiliger.“ Offenb. 22. Der nämliche Apostel sagt, daß nichts Unreines eingehen werde in das Himmelreich! Wie ist es also möglich, daß man ohne Heiligkeit eingehe in die Seligkeit? Heißt das Gerede: „Ich will kein Heiliger werden“, nicht gerade so viel als: „Ich will nicht selig werden?“ Da wären die Heiligen alle Toren gewesen, daß sie so sehr nach Heiligkeit gestrebt haben, wenn man auch ohne Heiligkeit selig werden könnte. Der heilige Priester Ivo dachte ganz anders. „Mu musst ein Heiliger werden“, war sein Wahlspruch und das Ziel seines Strebens; denn er wußte, daß er nur dadurch selig werden könne. Diejenigen, welche solche leichtsinnige Reden führen, betrügen sich gewaltig, wenn sie glauben, daß man ohne große Mühe und Anstrengung, ohne Trennung von den Eitelkeiten der Welt, ohne Übung heiliger Tugend, ohne bußfertiges Leben selig werden könne. Jeder Mensch muss ein Heiliger werden, d. h. er muss dem Vorbild Jesu gleichförmig werden, muss seinen Worten und Beispielen folgen, muss demütig, sanftmütig, friedfertig, geduldig, barmherzig, reinen Herzens werden, muss sich überwinden, muss sich abtöten und seine Pflichten getreu erfüllen und zwar Alles aus Liebe zu Gott, und darin besteht gerade die Heiligkeit. Zur Heiligkeit braucht man nicht Wunder zu wirken; denn dies ist eine besondere Gabe Gottes. Man kann auch, ohne Wunder zu tun, heilig und selig werden, aber nicht ohne einen heiligen Lebenswandel in den Himmel kommen.

Um mich deutlicher auszudrücken, sage ich dir: die Heiligkeit hat eigentlich drei Stufen. Die erste nehmen jene ein, die ohne Todsünde sind und den festen Willen haben, um keinen Preis eine solche zu begehen. Die zweite besteht in dem Streben, nach Kräften jede auch die geringste Beleidigung Gottes zu meiden; die dritte besteht endlich darin, aus Liebe zu Gott die größten und erhabensten Dinge zu tun und zu leiden. Die Erste reicht an und für sich hin zur Seligkeit; aber mit ihr allein werden wenige selig werden, wenn sie nicht auch nach den den beiden anderen streben, weil sie sich von Todsünden nicht enthalten können, wenn sie nicht auch entschlossen sind, geringe Sünden zu meiden und sich in guten Werken zu üben. Merke dir das, christliche Seele, und lasse dich durch ein solch leichtsinniges Gerede nicht täuschen. Sprich auch oft zu dir, wie der hl. Ivo: „Ich muss ein Heiliger werden.“ Wehe dir und mir, wenn wir es nicht werden und nicht nach allen Kräften darnach streben, denn ohne Heiligkeit gibt es keine Seligkeit!

Gebet.
O Jesus, mein Heilig- und Seligmacher, flöße mir ein inniges Verlangen ein, dir nachzufolgen, denn ich will, ich muss heilig und selig werden. Amen. –
aus: Georg Ott, Legende von den lieben Heiligen Gottes, Bd. 1, 1904, S. 789-790

Tags: Tugenden

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