Der selige Franz Patrizzi von Siena

Jesus Christus mit seinen Heiligen, die ihm Verehrung zollen und ihn anbeten

Heiligenkalender

12. Mai

Der selige Franz Patrizzi von Siena, Servit

Der selige Franz Patrizzi sitzt unter einem Baum auf dem Boden und erhält von der Gottesmutter Maria einen Rosenstrauch

Ehe dieser liebeglühende Diener der Gottesmutter geboren wurde, hatte seine fromme Mutter Rainalda einen wunderbaren Traum. Es kam ihr vor, als würde sie eine weiße Lilie zur Welt bringen, aus deren Wurzeln noch viele andere hervor sproßten, die sie dann, zu einem Kranz geflochten, der göttlichen Mutter auf`s Haupt setzte. Ein anderes Mal sah sie im Traum einen ehrwürdigen Greis mit bischöflichen Kleidern angetan, zu ihr hinein treten, der zu ihr die Worte sprach: „Fürchte dich nicht, denn du wirst eine Lilie gebären, die sich von dem Schmutz dieser Welt makellos bewahren werde.“ Der Greis machte darauf mit seinem Stab das Zeichen des Kreuzes über sie und verschwand.

Die fromme Mutter betete fleißig, es möchte sich ihr Traum verwirklichen. Ihr Gebet ward erhört. Sie gebar 1273 (*) einen Sohn, der in der Taufe den Namen Franziskus erhielt und eine schöne blühende Lilie der Unschuld genannt werden konnte. Kaum war das Kind getauft, als es seine Äuglein öffnete, dieselben unverwandt auf ein an der Wand hängendes Marienbild heftete und selbes so holdselig anlächelte, als wollte es die Himmelsmutter wenigstens mit den Äuglein begrüßen. Mit den zunehmenden Jahren entwickelte sich diese Liebe zur Gottesmutter im herzen des Franziskus immer mehr. Zum Jüngling heran gereift, ging er vor keinem Bild der seligsten Jungfrau vorüber, ohne ehrfurchtsvoll sein Haupt zu entblößen und ein Kurzes Gebet zu verrichten. Die der Lieben Frau geweihten Kirchen und Kapellen besuchte er täglich und mit solchem Eifer, daß er gewöhnlich der Erste und Letzte darinnen war. Wenn Jünglinge seines Alters mit erlaubten Spielen sich unterhielten, ging er im Stillen zu einem Marienbild und verrichtete mit der größten Herzensfreude dort sein Gebet. Oft stand er auch um Mitternacht auf, um Jesum und Maria zu loben und zu preisen. Damit noch nicht zufrieden, begrüßte er noch täglich fünfhundert Mal die seligste Jungfrau mit dem Gruß des Engels. Im 12. Jahr seines Alters hatte er in einer Predigt die Worte gehört: „Du wirst den Himmel verdienen, wenn du die Welt fliehst.“ Diese Worte vergaß er nicht mehr, und es reiste in ihm der Entschluss, die Welt zu verlassen und ein strenges Bußleben zu führen. Er verfügte sich zum Ordensgeneral der Diener Mariens, dem heiligen Philipp Benitius, der damals gerade in Siena anwesend war, und bat ihn um Aufnahme in den Orden. Weil aber Franziskus noch zu jung war, und auch seine Mutter es nicht zugab, konnte ihm Philipp nicht willfahren, gab ihm aber das kleine Skapulier der Lieben Frau und nahm ihn in den dritten Orden auf, mit dem Versprechen, wenn er im Dienst Mariens ausharre, sobald er das gehörige Alter erreicht, seine Bitte gewiß zu erfüllen.

In seinem 222. Jahr starb seine gute Mutter; und da nun alle Hindernisse, welche ihn noch in der Welt zurück hielten, gehoben waren, entschloss er sich aufs Neue, um die Aufnahme in den Orden der Diener Mariens nachzusuchen. Gerade als er über diesen Entschluss nachdachte, erschien ihm die göttliche Mutter und versicherte ihm, daß sie ihn schon ihren Dienern beigesellt habe. Voller Freude begab er sich zu dem Pater Lothar Stuffa, dem Nachfolger des heiligen Philipp Benitius, trug ihm sein Anliegen vor und erhielt die Aufnahme in den Orden.

Da er nun seine sehnlichsten Wunsch erfüllt sah, legte er alsbald Hand ans Werk, ein vollkkommener Ordensmann zu werden. Durch seinen Eifer, begnadigt von Gott, gelang es ihm, ein vollendeter Meister in jeglicher Tugend zu werden, so daß alle Brüder ihn bewunderten und hoch schätzten. Diese Bewunderung konnte aber seine tiefe Demut nicht ertragen, weswegen er sich mit Gutheißung der Oberen eine Höhle auserwählte, da wo jetzt das Kloster der Diener Mariens in Siena steht, um dort in tiefster Einsamkeit sein Leben dem Dienst Jesu und Mariä gänzlich zu weihen. –
Um die Reinheit des Leibes und die Unschuld der Seele zu bewahren, geißelte er sich und umgürtete sich mit scharf gespitzten Ketten. –

Streng war sein Fasten. Schon von Jugend auf genoss er am Mittwoch und Samstag zu Ehren der Lieben Frau nur Brot und Wasser. So streng er aber gegen sich selbst verfuhr, so mildreich war er gegen seine Mitmenschen, so daß man ihn ein Wunder der brüderlichen Liebe nannte. Immer betete er für alle Betrübte und Leidende. Gegen die Armen trug er ein solches Mitleid, daß er, einmal angebettelt, sein Unterkleid dem Armen gab, weil er sonst nichts hatte. Seinen Erbteil hatte er vor seinem Eintritt in den Orden schon unter die Armen verteilt. Noch mehr aber übte er die Werke der geistlichen Barmherzigkeit. Er sparte weder Zeit noch Mühe, um die Kleinmütigen zu trösten, die Unwissenden zu belehren, die Irrenden auf den rechten Weg zu bringen. Wenn er vernahm, daß die Bürger der Stadt, wie es damals in Italien öfters der Fall war, in Zwietracht lebten, so verließ er sogleich seine Einsamkeit und ruhte nicht eher, als bis er die feindseligen Gemüter versöhnt hatte. Wenn er predigte, da konnten die verstocktesten Sünder seine Worten nicht widerstehen, und wenn man ihn fragte, woher er solche Macht des Wortes nehme, gab er zur Antwort: „Der allmächtige Gott gibt die Weisheit und Gnade aus seinem Mund denen, welche auf ihn hoffen.“

Auf diese Weise wirkte Franz unermüdlich im Weinberg des Herrn und heiligte sich mehr und mehr in der Übung aller Tugenden. Dessen ungeachtet ließ Gott zu, um ihn noch mehr zu reinigen, daß böse Zungen die Verleumdung gegen ihn ausstreuten, als habe er einen zu freien Umgang mit dem weiblichen Geschlecht. Franz schwieg, duldete, nahm seine Zuflucht zur gebenedeiten Mutter und bat sie, unbekümmert um seine Ehre, daß sie nur die Ärgernisse heben, und er selbst davon nichts mehr hören möchte. Sein Gebet war erhört; er verlor, während er die Tagzeiten betete, gänzlich das Gehör, wodurch er Anlass nahm, mit Niemanden mehr, wes Standes und Geschlechtes er auch immer war, zu sprechen oder Umgang zu haben. Seine Mitbrüder und die Bürger der Stadt bedauerten ihn, und wollten ihm ärztliche Hilfe angedeihen lassen, er aber weigerte sich dessen, lobte Gott für das zugeschickte Übel und lag nun desto mehr dem Gebet und der Verkündigung des göttlichen Wortes ob.

Als er, um zu predigen, eines Tages außer der Stadt ging, befiel ihn auf einmal eine ungemeine Schwäche, so daß er zu Boden fiel. Sein Gefährte eilte in das nächste Haus, um einen Trunk Wassers für den Kranken zu erbitten, allein der reiche Gutsbesitzer verweigerte ihm die Labung, dafür aber strafte ihn Gott. Ein gewaltiges Hagelwetter vernichtete alle seine Feldfrüchte.

Indessen erschien aber dem schmachtenden Franz eine Frau von erhabener Würde und reichte ihm einen Strauß duftender Rosen, worauf er sich erhob und von seinem Gefährten begleitet auf Ermahnung dieser Frau in das Kloster zurück kehrte, wo er zuerst in der Kirche vor dem Bild der seligsten Jungfrau mit aller Inbrunst betete und die erhaltenen Rosen aufhing, dann aber von den Brüdern in das Krankenzimmer getragen wurde, wo er mit dem Bußgürtel und vollständigen Ordenskleid angetan, bis zu seinem seligen Tode verblieb. Während seiner Krankheit weilte sein Geist beständig bei den göttlichen Wahrheiten in heiliger Betrachtung. Man fragte ihn, wie er sich befinde, allein er gab keine Antwort und stimmte hierauf zur Verwunderung aller den Gesang der sieben Bußpsalmen an. Nach Vollendung des Gesanges ermahnte er seine Mitbrüder zur standhaften Ausdauer im Dienst Jesu und Mariä.

Indessen rückte der Vorabend der glorreichen Himmelfahrt des göttlichen Heilandes heran. Da fragte ihn ein Mitbruder, wie er sich fühle? Er aber antwortete: „Weißt du, mein Sohn, daß morgen die Feier der Himmelfahrt des Herrn ist?“ „Ich weiß es, Vater“, entgegnete der Bruder. „Glaubst du“, fuhr der Sterbende fort, „daß ich mein göttlicher Heiland noch länger in einem so elenden Gefäß werde verbleiben lassen?“ Der Andere schwieg, der Selige aber sprach: „Ich hoffe von der göttlichen Barmherzigkeit, gar bald aus dieser Gefangenschaft befreit zu werden.“ Hierauf verlangte er die heiligen Sterbesakramente und empfing solche mit der zartesten Andacht. Bald darauf hatte er den überschwänglichen Trost, nochmals von der seligsten Jungfrau, Jesum auf den Armen haltend, heimgesucht zu werden, die ihn mit liebevollen Worten anredete: „Franziskus, was soll ich dir für eine Belohnung geben für deine treuen Dienste und für deine große Liebe, die du allzeit zu mir getragen hast?“ Darauf antwortete das Kindlein anstatt des Sterbenden: „Es geziemt sich, daß derjenige, welcher uns getreulich gedient, auch mit uns in der ewigen Freude glückselig lebe.“ Nun sprachen Mutter und Sohn: „ Komme, komme, du getreuer Diener“; bei diesen Worten hauchte er seine Seele aus am Fest der Auffahrt des Herrn, … (*) Nach den bewährtesten Zeugnissen stieg gleich nach seinem Tode aus seinem Mund eine schöne blühende Lilie empor, auf deren einzelnen Blättern mit goldenen Buchstaben die Worte: Ave Maria geschrieben waren. (Marianischer Tugendspiegel.) –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Erster Teil, 1869, Sp. 1192 – Sp. 1195

(*) zu den Daten gibt es unterschiedliche Angaben. Im Lexikon für Theologie und Kirche (1935) steht: * um 1263; † 12.5.1328. Bestätigung seines Kultes 11.9.1743 durch Benedikt XIV. (Bd. VII, Sp. 1036)

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