Das Leben und Leiden und der Tod Jesu
Die Verleugnung Jesu Christi durch Petrus
Joh. 18,15. Simon Petrus aber und ein anderer Jünger folgten Jesu nach. Jener Jünger war dem Hohenpriester bekannt und ging mit Jesu in den Vorhof des Hohenpriesters. – 16. Petrus aber stand draußen vor der Türe. Da ging der andere Jünger, welcher dem Hohenpriester bekannt war, hinaus, redete mit der Türhüterin und führte den Petrus hinein. – 17. Da sprach die Magd, die Türhüterin, zu Petrus: „Bist auch du etwa aus den Jüngern dieses Menschen?“ Er sprach: „Ich bin es nicht.“ – 18. Es standen aber die Knechte und die Diener am Kohlenfeuer und wärmten sich; denn es war kalt; auch Petrus stellte sich zu ihnen und wärmte sich. – 25. Simon Petrus aber stand und wärmte sich. Da sprachen sie zu ihm: „Bist etwa auch du einer von seinen Jüngern?“ Er leugnete es und sprach: „Ich bin es nicht.“ – 26. Einer von den Knechten des Hohenpriesters, ein verwandter dessen, dem Petrus das Ohr abgehauen hatte, sprach zu ihm: „Hab` ich dich nicht im Garten bei ihm gesehen?“ – 27. Da leugnete Petrus wieder: und sogleich krähte der Hahn.
Luk. 22,54. Die Soldaten aber ergriffen und führten ihn in das Haus des Hohenpriesters, und Petrus folgte von ferne. – 55. Als sie aber ein Feuer im Hof angezündet und sich zusammen gesetzt hatten, war Petrus unter ihnen. – 56. Da nun eine Magd ihn beim Licht sitzen sah, sprach sie, nachdem sie ihn betrachtet hatte: „Auch dieser war bei ihm.“ – 57. Er aber verleugnete ihn und sprach: „Weib, ich kenne ihn nicht!“ – 57. bald danach sah ihn ein anderer und sprach: „Du bist auch einer von diesen!“ Petrus aber sprach: „O Mensch, ich bin es nicht!“ – 59. Und über eine Weile, ungefähr nach einer Stunde, bekräftigte es ein anderer und sprach: „Wahrlich, auch dieser war bei ihm; denn er ist auch ein Galiläer.“ – 60. Und Petrus sprach: „Mensch, ich weiß nicht, was du sagst.“ Und alsbald, da er noch redete, krähte der Hahn. – 61. Da wandte sich der Herr um und sah Petrus an. Und Petrus erinnerte sich an das Wort des Herrn, wie er gesagt hatte: Ehe denn der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen, – 62. Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich.
Matth. 26,57. … 69. Petrus aber saß draußen im Hofe: und eine Magd trat zu ihm und sprach: „Du warst auch bei Jesu, dem Galiläer.“ – 70. Er aber leugnete vor allen und sprach: „Ich weiß nicht, was du sagst.“ – 71. Als er aber zur Tür hinaus ging, sah ihn eine andere Magd und sprach zu denen, die da waren: „Auch dieser war bei Jesus, dem Nazarener.“ – 72. Und er leugnete abermals mit einem Schwur: „Ich kenne den Menschen nicht.“ – 73. Und nach einer kleinen Weile traten die Umstehenden hinzu und sagten zu Petrus: „Wahrlich, du bist auch einer von denen; denn auch deine Sprache macht dich kennbar.“ – 74. Darauf fing er an zu fluchen und zu schwören, daß er diesen Menschen nicht kenne. Und alsbald krähte der Hahn. – 75. Da erinnerte sich Petrus des Wortes Jesu, daß er gesagt hatte: Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er ging hinaus und weinte bitterlich.
siehe auch: Mark. 14,54. – 14,72
Die Schwere und Schmählichkeit des Falles aber wird ersichtlich, wenn man bedenkt, wie viele Unwürdigkeiten in dieser Handlung lagen. Es lag darin eine Charakterlosigkeit, elende Menschenfurcht, eine Lüge, dann eine Beteuerung, ein Schwur mit einer Verwünschung gegen sich und endlich eine Verleugnung des Herrn. Petrus beteuert und schwört, er sei kein Jünger des Herrn, er kenne den Menschen gar nicht. Wer ist es doch, der so schwört? Und wen beteuert er nicht zu kennen? Einst war es sein Ruhm, sein höchstes Glück, den Aposteln zugesellt, ja ihr Haupt zu sein. Noch vor wenigen Stunden wollte er für den Herrn in den Tod gehen, und für ihn hatte er das Schwert gezogen. Jetzt kennt er den Menschen nicht, den er so oft Lehrmeister und Vater genannt, und dessen Gottheit er wiederholt und feierlich bekannt hatte. Und vor wem wagt er es nicht, ihn zu bekennen? Vor Bedienten Mägden und Gesindel. Was sind doch die Menschen, die besten und edelsten! – Ferner wird die Tiefe des Falles klar, wenn man bedenkt was für ein Schmerz und eine Verdemütigung dadurch dem Heiland zugefügt wurde. Wie weh tut einem Lehrmeister, einem Wohltäter, einem Vater Undank, Untreue und Verachtung! Ein Apostel verkauft ihn und verrät ihn, alle lassen ihn im Stich, und sein erster Jünger verleugnet ihn, schwört, ihn nie gekannt zu haben. Wie weit ist es doch mit dem Heiland gekommen! Ist er nun menschlicher Weise nicht ganz verlassen? Es war gewiß ein recht tiefer und bedauernswerter Fall in jeder Hinsicht.
Ursachen des Falles von Seiten des hl. Petrus
Ursache des Falles war sicher von Seiten des hl. Petrus die Vernachlässigung des Gebetes, zu dem ihn und die anderen Apostel der Heiland in Voraussehung der Dinge so oft und so ernst gemahnt hatte. – Eine fernere Ursache war ein gewisses Selbstvertrauen. Er meinte, in seiner Liebe zum Heiland sei ihm alles möglich, ein Fall und eine Untreue seien undenkbar (Matth. 26,33). Es lag dieses ganz in seinem erregbaren Charakter. – Endlich war es sicher Unbesonnenheit, sich ohne Not und Nutzen in diese offenbare Gefahr zu wagen und sich so lange in derselben aufzuhalten.
Indessen müssen doch auch Umstände nicht außer acht gelassen werden, welche die Schwere des Falles erleichtern und ihn einigermaßen entschuldigen.. Es war gewiß vor allem die herzlichste Teilnahme, die innigste Liebe und das lebhafteste Mitleid, ja unwiderstehliches Verlangen, zu erfahren, was mit mit dem Heiland vorgehe, was Petrus sowie auch Johannes antrieb, ihm auf dem Fuß zu folgen bis in das Haus des Kaiphas (Matth. 26,58). – Ferner ergibt sich aus den Umständen, daß Petrus infolge der unerwarteten, rasch aufeinander folgenden traurigen Ereignisse dieser Nacht in sehr großer Aufregung und Verwirrung war und nur mehr von seinen Gefühlen und Eindrücken bestimmt wurde. – Dazu kamen nun noch die Besorgnis, die Scheu, die drohenden und einschüchternden Szenen, denen er überall begegnete, und die Schlag auf Schlag und von allen Seiten folgenden Angriffe auf seinen Starkmut und seine Geistesgegenwart.. Aus einer Gefahr geriet er in die andere. So kann man wohl annehmen, daß in dem Falle des guten hl. Petrus ein großer Teil der Ungunst der Umstände, der Gewalt, der Angst, der Bedrängnis und Verwirrung, der inneren und äußeren Abgehetztheit und Ermattung und dem Eifer seines Charakters zu gute kommt. Wer von uns wäre in solchen Umständen standhafter gewesen?
Sühnung des Falles oder die Buße
Bei der Buße des hl. Petrus ist vor allem zu erwägen, von wem sie ausging und ihren Anfang nahm. Es war dies niemand anderes als der Heiland selbst. Er war es, der ihn zuerst mahnte. Es ging nämlich wahrscheinlich eben zur Zeit der letzten Verleugnung der Herr, von Soldaten geführt, vorbei, sei es, daß er aus dem Ratssaal nach der vorläufigen Verurteilung heraus trat oder später aus dem Hof in ein Verließ gebracht wurde. Petrus war in der Nähe, und der Herr, der bisher für seine Umgebung taub und unempfindlich gewesen war und selbst gegen seine Peiniger sich nicht gerührt hatte, wandte sich nach der Seite, Petrus zu und blickte ihn bedeutungsvoll und wehmütig an (Luk. 22,61). In welcher Absicht blickte er ihn an? War es ein Blick des Vorwurfs, der Entrüstung, der Strafe und des Todes? Nein. Es war ein Blick des Lebens. Wer erfaßt, was in diesem Blick alles lag? Gewiß eine ernste Mahnung, ein tiefer Schmerz, aber auch unendlich viel Barmherzigkeit und Aufmunterung zum Vertrauen. Es war eine große, mächtige Gnade, ein Blick der unendlichen Barmherzigkeit Gottes, der in einem Augenblick aus Sündern Heilige, aus Leugnern und Verfolgern Apostel macht. Petrus erkannte nun den gräßlichen Abgrund, in den er hinab gefahren, erblickte aber auch die Hand, die sich ausstreckte, ihn zu halten, und wie einst auf dem Galiläischen Meer, so ergriff er auch hier diese Hand, und sie zog ihn empor. Er gedachte des Wortes, das der Herr zu ihm gesprochen: „Bevor der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnet haben.“ (Luk. 22,61), und „Ich habe für dich gebetet, und du hinwieder bekräftige deine Brüder“ (ebd. 22,32).
Das war der Anteil des Heilandes an der Buße des hl. Petrus. Das Übrige war nun Sache des Petrus. Auch er erfüllte seinen Teil vollständig und vollkommen. Der Anblick des mißhandelten, unschuldig verurteilten Heilandes traf ihn und erweckte in ihm das ganze Bewusstsein und Gefühl seiner Schuld. Er hatte gesündigt gegen ihn, der ihn so ernst und treulich gemahnt hatte, der ihm Lehrer, Freund, Gott und alles war. Und er fing an bitterlich zu weinen und entfernte sich aus dem Hofe (Luk. 22,62). Gewiß fürchtete er sich nicht mehr, angeredet zu werden, und wohl jedem hätte er gesagt, wer er sei und welch große Schuld er begangen. Wahrscheinlich ging er hinaus aus der Stadt, um seinen Tränen und seiner Reue vollen Lauf zu lassen.
Der Herr ließ den Fall des Petrus zu
So musste den Heiland auch dieses Leid und diese Verdemütigung treffen. Daß er den Fall des Petrus voraus sah, nahm demselben nichts von seiner Bitterkeit. Es ist etwas anderes, ein Übel voraus sehen und es erfahren. Der Herr aber ließ diesen Fall des Petrus zu, erstens um uns zu trösten, wenn wir von Freunden verlassen und verleugnet zu werden. Zweitens wollte er uns warnen vor Unbesonnenheit und Selbstüberschätzung. Trauen wir der Liebe nicht, die nicht demütig und besonnen ist. Sie macht uns nur unglücklich. Drittens wollte der Heiland uns lehren, in allen Fällen auf ihn zu vertrauen und uns an ihn zu halten. Diese Lehren gibt uns der Blick des Heilandes, von dem dieses Geheimnis erzählt. Petrus hat ihn vollständig verstanden und vergißt ihn sowie auch sein Vergehen zeitlebens nie. Tags denkt er an sein Amt, an die Rettung der Seelen und an die Verbreitung des Reiches Christi; nachts steht er auf und weint über seinen Fall, so daß, wie die Legende sagt, die reichlichen Tränen nach und nach Furchen in seine Wangen zogen. Das ist das Fundament seines apostolischen Wirkens. Seine Liebe war nun demütig geworden, und die Marter wird ihn treu finden. –
aus: Moritz Meschler SJ, Das Leben unseres Herrn Jesu Christi des Sohnes Gottes in Betrachtungen Zweiter Band, 1912, S. 331 – S. 334