Erschaffung des Menschen und Sündenfall

Das Bild zeigt die Sünde und ihre Folgen

Leben Jesus im Schoße der Verheißungen

Die Erschaffung des Menschen und der Sündenfall

(Gen. 3)

Die zweite Schöpfung Gottes war die sichtbare Welt und der Mensch als deren Haupt und Zier.

Die Erschaffung des Menschen

Schon die Art und Weise, wie die Erschaffung des Menschen erzählt wird, zeigt, daß es sich hier um ein hervorragendes Werk der Schöpfung handelt. Gott geht vor der Erschaffung mit sich zu Rat (Gen. 1, 26), er bildet selbst den Menschen mit Leib und Seele (ebd. 1, 27; 2, 7. 22), und die Worte, die Gott spricht bei der Beratung, besagen eine besondere Ähnlichkeit und Ebenbildlichkeit des Menschen mit Gott (ebd. 1, 26. 27). In der Tat, der Mensch als geistig-sinnliches Wesen verbindet die Herrlichkeit der materiellen und geistigen Schöpfung in sich und ist vermöge seiner vernünftigen Seele ein wahres, natürliches Abbild Gottes. Dazu kam noch das übernatürliche Abbild durch die Gnade, die den Menschen zum Kinde Gottes macht und ihm alle herrlichen Ziele des übernatürlichen Lebens eröffnet und sichert. An diesen übernatürlichen Vorzug reihten sich noch andere wunderbare Gaben, nämlich das Freisein von Begierlichkeit (Gen. 2, 25), die Unsterblichkeit (ebd. 2, 17), die vollständige Herrschaft über die sichtbare Welt (ebd. 1, 26. 28. 29) und der vergnügliche Aufenthalt im Paradies (ebd. 2, 15). So wurde der Mensch geschaffen. Als ein wundervolles Wesen ging er hervor aus der Hand Gottes und stellte ein herrliches Abbild auch der zweiten Person in der Gottheit dar durch seinen Verstand und seine übernatürliche Kindschaft Gottes und als Vertreter der königlichen Weisheit hienieden. Nicht nur die Stammeltern sollten sich dieser herrlichen Gaben erfreuen, sondern alle Nachkommen, wenn sie das Gebot des Herrn hielten. Es war ein herrlicher Plan der Weisheit und Güte Gottes mit der Menschheit. Überdies sollte dieses irdische Reich nur das Unterpfand des ewigen himmlischen Reiches sein, in welches sie aufgenommen werden sollten ohne Leiden und Tod. (Vgl Ps. 8)

 

Der Fall des Menschen

Beim Fall des Menschen kommen zwei Dinge in Betracht: erstens die Ursache der Sünde und zweitens die Sünde selbst.

Ursachen des Falles

Entfernte Ursache oder vielmehr Veranlassung war die Zulassung Gottes. Er ließ den untergeordneten Ursachen die Freiheit, mit denen er sie begabt, und trotz und neben aller geschöpflichen Freiheit erreichte er doch sein Ziel, die Offenbarung seiner Macht, Weisheit und Güte, namentlich die Verwirklichung des ewigen Ratschlusses der Menschwerdung, wie der hl. Augustin sagt: „Gott wollte lieber das Übel zulassen als aus dem Übel nicht Veranlassung nehmen zum Guten.“ Eine andere Veranlassung von Seiten Gottes war das Gebot, vom verbotenen Baum nicht zu essen (Gen. 2, 16. 17). Er machte die Aufrechthaltung seines Planes mit dem Menschengeschlecht von der Beobachtung dieses einfachen, einzigen und leichten Gebotes abhängig. –

Die zweite Ursache, eine tief eingreifende, wenn auch noch äußere, war der Teufel in seinem Haß gegen Gott und sein Ebenbild; in seinem Neid gegen das Menschengeschlecht, dessen Glück er zu zerstören beabsichtigt; in seinem Stolz, in dem er über dasselbe herrschen wollte, und in seiner Tücke und Schlauheit, mit der er die Versuchung ausführte. Er verbirgt sich unter der Gestalt eines sehr zutunlichen und einschmeichelnden Tieres; er faß beim schwächeren Teil, bei Eva, an, und zwar an ihrer geistigen, inneren Seite, weil bei der Freiheit von ungeordneter Begierlichkeit die Sinne keinen Anhalt zum Angriff boten. Er suchte ihre Seele zum Mißtrauen gegen Gott (Gen. 3, 4) zu verführen, zur Neugierde, um Stolz (ebd. 3, 5) und endlich zur Sinnlichkeit. Beim Mann soll dann Eva die Verführerrolle übernehmen. –

Die dritte und eigentliche Ursache ist die schwäche und Wandelbarkeit des Menschen selbst, die Beschränktheit des Verstandes und namentlich die Hinfälligkeit des Willens. Wie es scheint, glaubte Eva wenigstens den lügnerischen Worten des Satans (ebd. 3, 13) und ließ sich überlisten und zur inneren und äußeren Sünde verleiten. Adam mag mehr aus Nachgiebigkeit gegen Eva gefallen sein (ebd. 3, 12. 17).

Ungehorsam und Mißtrauen gegen Gott

Die Sünde selbst bestand vor allem im Ungehorsam gegen das strenge Gebot, sodann im Mißtrauen gegen die Wahrhaftigkeit Gottes; dann besonders im Stolz, indem die ersten Eltern nach einer unerlaubten Gottähnlichkeit strebten, sei es, daß sie die Geheimnisse Gottes und ihrer Zukunft wissen, oder daß sie selbst sich den Weg zur Seligkeit bestimmen wollten, was alles in den Worten: „Ihr werdet sein wie die Götter und Böses und Gutes wissen“ (ebd. 3, 5), liegen kann; endlich bestand die Sünde auch in der Sinnlichkeit durch den Genuss der Frucht, und bei Adam in der schuldvollen Willfährigkeit gegen Eva. Die Sünde war an und für sich nicht die größte, auch dem Stolze nach nicht; denn die Stammeltern strebten nach einer Gottähnlichkeit in dem Wissen, nicht in der Macht, wie die gefallenen Engel; so wie es ja der Gattung nach andere, größere Sünden des Stolzes gibt, wie Gottesleugnung und Gotteslästerung. Den Umständen nach aber war die Sünde der ersten Menschen sehr groß wegen der Erhabenheit und Vollkommenheit ihres Standes und Zustandes in der Gnade und in ihrer Eigenschaft als Stammeltern; ferner wegen der Leichtigkeit des Gebotes, wegen der Undankbarkeit und Leichtfertigkeit und endlich wegen der schrecklichen Folgen, wenn ihnen diese einigermaßen klar waren. Das ist nun die Ursünde hier auf der Erde, einerseits das Nachbild der Sünde der Engel, weil eine Sünde des Stolzes und durch die gefallenen Engel bewirkt, und andererseits das Vorbild und der Anfang aller menschlichen Sünde.

Die Strafe trifft alle Schuldigen

Die Strafe trifft alle Schuldigen, sowohl den Satan als auch die Stammeltern.

Die Strafe gegen Satan

Satan traf die härteste Strafe, weil er der eigentliche Anstifter der Sünde war. Es war seinem Hasse und seiner Bosheit gelungen, das Menschengeschlecht in den Stammeltern zu verderben, den ursprünglichen Plan Gottes zu vereiteln, und schon wollte er triumphierend seinen Fuß auf den Nacken der armen Menschheit setzen, da kam über ihn zum zweiten Mal das Gericht und die Strafe, und zwar die ärgste, die seinen Stolz treffen konnte. Gerade so, wie er jetzt die Niederlage der Menschheit vollbracht hatte durch ein Weib, so wurde ihm seine Niederlage verkündet durch ein Weib und dessen Samen (Gen. 3, 14. 15). Es ist dieses Weib der Auslegung der Kirche Maria, die zweite Eva, und der zweite Mann Adam Christus, die zweiten Stammeltern unseres Geschlechtes. Diese Niederlage erlitt Satan zuerst in der unbefleckten Empfängnis der Gottesmutter und dann in dem Tode Christi. Veranlaßt wurde dieser Tod durch Satan. Er sollte der tödliche Stich in die Ferse des Erlösers sein, und diese Ferse zerschmetterte ihm den Kopf. Zum Wahrzeichen dieser Niederlage und Schmach und Schande soll dem Satan sein das niedrige Kriechen des Tieres, das er zum Werkzeug der Versuchung mißbraucht. Wie die Schlange auf dem Bauch kriecht, Staub frisst und allen ein Abscheu ist, so soll auch er erniedrigt und verabscheut sein.

Adam, die Hand vor dem Gesicht, und Eva mit gesenktem Kopf gehen aus dem Paradies; der Engel steht auf einer himmlischen Wolke, ein Flammenschwert in der Hand, in der Mitte des Bildes erhöht, um die beiden aus dem Paradies auszuweisen

Die Strafe der Stammeltern

Die Strafe der Stammeltern war teils eine gemeinsame, teils eine besondere. Beide gemeinschaftlich und uns alle traf die Hinwegnahme der heiligmachenden Gnade und Kindschaft Gottes, so daß alle Nachkommen nun in diesem verschuldeten Mangel an Gnade, in der Erbsünde, geboren werden. Diese Strafe wurde fühlbar in der Entziehung von wahrnehmbaren Gaben, welche alle auf dem Besitz der heiligmachenden Gnade beruhten. Es sind diese Gaben das Freisein von ungeordneter Begierlichkeit, die Unsterblichkeit und der Aufenthalt im Paradies. Die ungeordnete Begierlichkeit offenbarte sich bei den Stammeltern sogleich in der Scham, nackt zu sein (Gen. 3, 7. 10. 11); der Tod wurde ihnen förmlich angekündigt (ebd. 3, 19. 22), und sofort erfolgte die Ausweisung aus dem Paradies in die Fluch beladene Erde (ebd. 3, 23. 24). –

Die besonderen Strafen berücksichtigten die Eigentümlichkeiten des Geschlechts und der Standesaufgabe. Dem Weib wird als Strafe Schmerz bei der Geburt von Kindern und in der häuslichen Gesellschaft Untertänigkeit, und widerwillige Untertänigkeit, gegenüber dem Mann (ebd. 3, 16) auferlegt. Der Mann, der für den Unterhalt der Familie zu sorgen hat und bestimmt war, über die Natur zu herrschen, wird durch schwere und verdemütigende und oft erfolglose Arbeit und durch die Widerspenstigkeit der Natur bestraft (ebd. 3, 17. 18. 19) Er muss nun alles mit Arbeit und Mühe der Erde, von der er fortan leben soll, abringen. Wenn auch die Sünde Adams vermöge seiner Stellung größer war, so fiel doch das Vergehen der Eva beziehungsweise schwerer ins Gewicht, weil sie nicht bloß selbst gesündigt, sondern zur Sünde verführt, und weil sie nicht aus Gefälligkeit gegen Freunde, sondern aus Nachgiebigkeit gegen den bösen Feind gefehlt hatte.

Der einzige Feind des Menschengeschlechts ist die Sünde

Also das ist die traurige Geschichte des Sündenfalls unserer Stammeltern und unser aller. Es ist hier sicher als Schlussfolgerung angebracht, Haß und Abscheu gegen die schwere Sünde und deren Urheber zu erwecken. Sie ist es, durch die der böse Feind alle werke und Pläne Gottes zerstört und seine Kreaturen in namenloses Unglück stürzt. Es ist bereits die zweite Schöpfung Gottes, welche durch die Sünde entstellt und verheert wird, und wie entsetzlich hat sich die Sünde Adams hier auf Erden bewährt in ihrer Ausbreitung auf alle Menschen, in dem wilden und verheerenden Strom der Leidenschaften, in der Flut der Verbrechen, der zeitlichen Übel, in der Strafe des zeitlichen Todes bei allen ohne Ausnahme und des ewigen bei unzählig vielen!

Das Menschengeschlecht und Gott haben keinen größeren Feind als die schwere Sünde. Ja ihr einziger Feind ist sie. Ohne die Sünde kann selbst die Hölle nicht schaden.

Die Güte und Barmherzigkeit Gottes

Dann aber offenbart sich hier auch auf rührende Art die Güte und Barmherzigkeit Gottes. Erstens dadurch, daß er das arme Menschengeschlecht nicht, wie die gefallenen Engel, im Verderben liegen läßt, sondern es retten will. Es war eben von einem Mächtigeren überlistet und überwunden worden. Die Schuld geht auf alle Nachkommen ohne ein persönliches Vergehen über, während bei den Engeln jeder persönlich sündigte. –

Zweitens ist auch das ein Zug der Barmherzigkeit, daß mehrfach die Strafe selbst, wie die Arbeit, die zeitlichen Übel, ein Zügel für die wilde Leidenschaft und die Sünde sind. –

Drittens liegt die Barmherzigkeit vornehmlich darin, daß uns ein Retter verheißen ist. Dieser Retter ist das Gericht Satans. Sein Plan gegen das Menschengeschlecht wird zu Schanden gemacht und kehrt sich gegen ihn. Er wollte uns unglücklich machen und gibt Anlass zu unserem größten Glück; er wollte uns berauben aller übernatürlichen Güter, und bereichert uns mit noch größeren; er wollte uns verdemütigen und erhöhte uns über ihn und alles Geschaffene. Dieser Retter ist niemand anders als der Heiland, Gott und Mensch zugleich. Er wird alles gut machen und herstellen: die Sünde durch seinen Tod, der Verheerung der Leidenschaft durch seine Gnade und den Tod durch seine Auferstehung. So ist Satans Gericht unsere Rettung. Gott wurde unser Hort und Verteidiger gegen unsere boshaften und übermütigen Unterdrücker (Is. 49, 25. 26). Mit Recht können wir mit der Kirche ausrufen: „“O glückliche Schuld, für die uns Gott einen solchen Erlöser geschenkt hat!“ Der Erlöser ist aus unserem Geschlecht uns verheißen. Die arme Menschheit kann nun getrost aus dem Paradiese scheiden, sie kann die Wanderung durch die unfreundliche Erde antreten; sie hat einen Stab, der sie stützt, sie hat einen Stern, der sie leitet, erfreut und tröstet; es ist das Zeichen der großen Überwinderin der Schlange mit dem Emmanuel. Die Worte, die Gott sprach, als er Adam in Tierfelle gekleidet aus dem Paradiese wies: „Siehe, Adam ist geworden wie einer aus uns“ (Gen. 3, 22), sind kein Spott mehr, sondern tröstende Wahrheit in Christus. –
aus: Moritz Meschler SJ, Das Leben unseres Herrn Jesu Christi des Sohnes Gottes, Bd. 1, 1912, S. 41 – S. 46

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