Das Geheimnis der Menschwerdung
Teil 2-4
Welche Folgen hat die Menschwerdung für die Schöpfung
Es ist ein schöner Gedanke tiefer Forscher, Gott habe die Menschwerdung auch gewirkt zur Ergänzung, Abrundung und Vollendung des Weltalls. In der Tat wirkt dieses alles die Menschwerdung auf zweifache Weise. –
Erstens, indem durch die Menschwerdung die ganze Reihe der Wesen an wunderbarer Mannigfaltigkeit gewinnt. Wir haben jetzt nicht bloß die wunderbare Verschiedenheit von Wesen materieller, geistiger und geistig-sinnlicher Natur, Wesen in der Ordnung der Natur und der Übernatur, die Kreise der Gnade und Glorie, nicht bloß Wesen, die in einer Person und einer Natur, und solche, die mit mehreren Personen in einer Natur bestehen; wir haben jetzt nicht bloß Menschen, die von Weib und Mann kommen; sowie es auch ein Weib gibt, das bloß von einem Mann kommt; wir haben nicht bloß Wesen, die geschaffen und ungeschaffen sind: sondern mit der Menschwerdung gewinnt die Schöpfung auch ein Wesen, bei dem mehrere Naturen in einer Person bestehen, ein Wesen, das bloß aus dem Weibe kommt, und ein Wesen, das der Natur nach geschaffen und der Person nach ungeschaffen und wahrer Gott ist. So baut sich die Schöpfung durch dieses Geheimnis nach allen Seiten aus, vervollständigt ihre Mannigfaltigkeit und ihren Reichtum.
Daraus ergibt sich zweitens der Vorteil, daß die Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit der Kreaturen in die wunderbarste Einheit und wesenhafte Verbindung mit Gott gelangt. Vor der Menschwerdung war nirgends in den verschiedenen Ordnungen der Schöpfung eine lebendige Angliederung an Gott, überall himmelweiter Abstand und absolute Verschiedenheit an Natur, Würde und Vortrefflichkeit. Überall fehlte das lebendige Bindeglied, das, gleichsam aus der Gottheit heraus wachsend und in Gott und in der Natur wurzelnd, alles durch sich und in sich vereint und alles mit Gott wesenhaft, lebendig in Verbindung bringt. In der Menschwerdung ist dieses geschehen. Da griff einer, der in der Gestalt Gottes auf dem Throne der Glorie sitzt, nach einer geschaffenen Einzelnatur und zog sie an sich. Diese Einzelnatur war eine Menschennatur, in der alle Elemente und Ordnungen der Schöpfung vertreten sind, und die deshalb, weil sie der Mittelpunkt der Schöpfung außer Gott war, so auch der Berührungs- und Vereinigungs-Punkt zwischen Gott und der gesamten Kreatur wurde. So fehlt nun nichts mehr. Die Gliederung und Angliederung ist vollendet durch ein hohes und göttliches Wesen, das allen andern zur Zierde, zur Ehre und Verherrlichung gereicht. –
aus: Moritz Meschler SJ, Das Leben unseres Herrn Jesu Christi des Sohnes Gottes, Bd. 1, 1912, S. 89-90