Die dreimalige Verleugnung des Petrus

Jesus mit dem Rohr in der Hand, auf der rechten ist Judas zu sehen

Petrus, der den Herrn verleugnet hat, entfernt sich vom Kohlenfeuer und weint bitterlich; im Hintergrund schaut Jesus zu ihm

Dreimalige Verleugnung des Petrus

Simon Petrus (1) und ein anderer Jünger waren Jesus von ferne gefolgt. Jener Jünger aber war dem Hohenpriester bekannt; er trat daher mit Jesus hinein in den Vorhof (2) des Hohenpriesters; Petrus aber blieb draußen vor dem Tore stehen. Da ging der andere Jünger wieder hinaus, redete mit der Türhüterin und führte den Petrus hinein. Da sagte die Magd, die Türhüterin, zu Petrus: „Bist etwa auch du einer von den Jüngern dieses Mannes?“ Er sprach: „Ich bin es nicht.“ Es standen aber die Knechte und die Diener am Kohlenfeuer und wärmten sich; denn es war kalt (3). Auch Petrus stellte sich, um den Ausgang zu sehen, zu ihnen und wärmte sich. Da trat eine von den Mägden des Hohenpriesters, die Türhüterin hinzu, und da sie ihn beim Schein des Feuers näher betrachtete, sprach sie: „Auch du warst bei Jesus, dem Nazarener.“ Er aber leugnete es vor allen und sprach: „Ich kenne ihn nicht und weiß nicht, was du sagst.“ (4) Und nach einer Weile ging er hinaus vor den Hof (d.i. in den Vorhof) (5); da krähte der Hahn.

Kurz darauf, da er zur Türe hinaus ging, sah ihn eine andere Magd (6) und sprach zu denen, die da waren: „Auch dieser war bei Jesus, dem Nazarener“; und ein anderer sah ihn und sprach: „Du bist auch einer von diesen!“ Er leugnete es abermals mit einem Schwur und sprach: „Ich kenne den Menschen nicht!“

Über eine Weile, etwa ein Stunde später (7), traten andere (8) heran und sagten zu Petrus: „Wahrlich, du bist auch einer von ihnen; denn du bist ein Galiläer, deine Sprache macht dich ja kennbar“ (9); und einer von den Knechten des Hohenpriesters, ein Verwandter dessen, dem Petrus das Ohr abgehauen hatte, sprach zu ihm: „Habe ich dich nicht selbst im Garten bei ihm gesehen?“ Da leugnete es Petrus zum dritten Mal und fing an, sich zu verwünschen und zu schwören, daß er diesen Menschen nicht kenne. Und alsbald, während er noch redete, krähte der Hahn zum zweiten Mal. Da wandte sich der Herr um und sah Petrus an (10). Und Petrus erinnerte sich an das Wort des Herrn: „Ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen“; und er ging hinaus und weinte bitterlich.

(1) Petrus hatte sich vom ersten Schrecken erholt und schämte sich seiner Furcht; Johannes gesellte sich ihm zu und verschaffte ihm Eingang in das Haus des Hohenpriesters. Dort trennten sie sich wieder, wie es scheint; Petrus blieb, um den weiteren Verlauf zu beobachten; Johannes eilte ohne Zweifel, der allerseligsten Jungfrau Nachricht zu bringen. – Nach Belser hat man nicht an Johannes, sondern an einen der jüdischen Aristokratie angehörigen geheimen Jünger Jesu vom Schlage des Nikodemus und Joseph von Arimathäa zu denken; daher dessen Bekanntschaft mit dem Hohenpriester.
(2) In den Hallen, die ihn umgaben, war auch der gegen den Hof offene Saal, in dem Kaiphas über Jesus zu Gericht saß. (Vgl. Jesus vor den Hohenpriestern Annas und Kaiphas Anm. 2)
(3) Am 26. März 1875 hatte man in Jerusalem schweres Hagelwetter, dann Regen und Schnee, der am 3. April noch die Berge bedeckte. (HL 1875, 64. Fahrngruber, Jerusalem XXIV)
(4) Eine Magd bringt den zum Fall, der das Haupt der Apostel war und bisher am meisten Mut gezeigt hatte! Wir sehen daraus, daß nichts schwächer ist als der Mensch, der auf seine Stärke vertraut. Gott ließ diesen Fall zu, um die ganze Größe der menschlichen Schwäche zu offenbaren, um Petrus durch die tiefste Demut geeignet zu machen, daß Haupt aller zu sein, und um ihm und der ganzen Welt unwiderleglich zu zeigen, daß die Gründung der Kirche und all das Große, was durch Petrus nachher geschah, nicht Menschenwerk, sondern Gottes Werk sei. Doch fiel Petrus nicht innerlich vom Herrn ab wie Judas, sondern verleugnet ihn nur äußerlich. Dennoch war seine Sünde sehr groß, und nur der erbarmenden Gnade Gottes und dem liebevollen, gnadenreichen Blick seines Erlösers verdankte er es, daß er sich von seinem Fall wieder erhob.
(5) Die Häuser der Vornehmen hatten meist doppelte Hofräume. Der äußere, in den man durch eine Pforte von der Straße her eintrat, auch Vorhof genannt, diente als Vorzimmer und zum Aufenthalt der Dienerschaft. Aus dem Vorhof trat man durch eine Türe in den geräumigen inneren Hof. Diesen umschlossen Säulenhallen und Galerien und auf den vier Seiten die unteren Gemächer des Hauses. – Petrus trat aus dem inneren Hof in den Vorhof, um seinen Schrecken und seine Verlegenheit zu verbergen, vielleicht auch, um sich weiterer Gefahr zu entziehen. In seiner Verwirrung überhörte er den Hahnenruf oder dachte nicht an das, was ihm Jesus gesagt hatte.
(6) Auch der zweite Fall wurde durch eine Magd veranlaßt, wie wir aus Matthäus und Markus ersehen, während aus Luka und Johannes ersichtlich ist, daß noch andere sich einmischten. Dies erklärt uns die steigende Angst des Apostels, die ihn trieb, seine Verleugnung mit einem Schwur zu bekräftigen. Man glaubte ihm für den Augenblick und behelligte ihn nicht weiter. Dies machte ihn wieder sicher. Das falsche Selbstvertrauen erhielt wieder die Oberhand; auch die Liebe zu Jesus ließ ihn nicht ruhen; und uneingedenk der Warnung Jesu beachtete er nicht weiter, wie gefährlich die Gelegenheit für ihn sei; und nun bot der Satan alles auf, ihn vollständig zum Fall zu bringen.
(7) Petrus war indes in den inneren Hof zurück gekehrt.
(8) So nach Matthäus und Markus; aus Lukas ersehen wir, daß einer davon dem Apostel besonders zusetzte, und Johannes sagt aus, daß dies sogar ein verwandter des Malchus und Augenzeuge der Vorgänge am Ölberg war. Wir sehen hier, mit welcher Wut der Satan auf das Haupt der Apostel einstürmte, und begreifen es, wie Petrus, seiner Schwäche überlassen, nun alle Besinnung und allen Halt verliert und durch Flüche und Verwünschungen seine Leugnung glaubhaft zu machen sucht.
(9) Die Mundart der Galiläer unterschied sich von der jüdischen hauptsächlich durch die rauhe Aussprache mancher Selbst- und Mitlaute. (Vgl. Fürst, Chaldäische Grammatik 15)
(10) Aus dem offenen Sitzungsaal, oder es geschah, als Jesus aus dem Saal heraus und über den Hof in den Kerker geführt wurde, wo er bis zum Anbruch des Morgens in Gewahrsam gehalten werden sollte. – aus: Schuster/Holzammer, Handbuch der Biblischen Geschichte, Bd. II, Neues Testament, 1910, S. 494-496

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