Über die unbegreifliche Kraft des Glaubens
Die heilige Augusta war nur kurze Zeit in den Lehren des Christentums unterrichtet worden und dennoch erlitt sie standhaft alle Martern und selbst den Tod für Jesus, von dem sie früher gar nichts gehört hatte. Wer hat wohl dieses schwache Mädchen so standhaft gemacht, wer hat sie dahin gebracht, ihr junges Leben, dem alle Freuden der Welt geboten wurden, für Jesus, den Gekreuzigten, hinzuopfern? Ich sage: der Glaube. Bei der heiligen Taufe wurde ihr die kostbare Gabe des Glaubens eingegossen, da senkte der Glaube seine Wurzeln tief in ihr Herz; im Licht dieses Glaubens erkannte sie hell und klar die Wahrheit, daß Jesus der wahre Sohn Gottes ist, daß in Jesus alle Schätze der Weisheit verborgen, alle Wonne und Freude zu finden sind, daß er Allen, die an ihn glauben und ihn lieben, eine unaussprechliche Seligkeit ohne Ende verheißen hat. Das erkannte sie, daß fühlte sie in ihrem Herzen und das verlieh ihr solche Kraft und solchen Mut, daß sie selbst aus der Hand ihres grausamen Vaters Marter und Tod hinnahm.
Welch unbegreifliche Kraft muss also der Glaube verleihen, der den Menschen, welcher davon erfüllt ist, lehrt und ermutigt, Alles, selbst das Leben hinzugeben, um eine Seligkeit zu gewinnen, die noch kein Auge gesehen, die nur bloß versprochen ist. Es muß hierin ein Geheimnis verborgen sein und so ist es auch. Der Glaube ist ein helles Licht, das von Gott selbst in den Sinn und Geist des Menschen, der ein aufrichtiges, gutes Herz hat, sich ergießt und ihm alle Lehren und Verheißungen Jesu so klar macht und ihn davon so fest überzeugt, daß er für ihre Wahrheit Alles hinopfert; und zugleich verleiht dem Menschen dieses Licht eine solche Kraft und Standhaftigkeit, daß ihn von der erkannten Wahrheit keine Gewalt, selbst der Tod nicht abbringt. Deshalb haben selbst Kinder und zarte Jungfrauen, die doch so furchtsam sind, in der Kraft dieses Glaubens-Lichtes freudig das Leben in gräßlichen Martern hingegeben!!
Frage dich nun, christliche Seele: habe ich auch einen solchen Glauben; fühle ich auch eine solche Kraft in mir; bin ich auch so fest von der Wahrheit meiner heiligen Religion überzeugt, daß ich dafür selbst sterben könnte? – Empfangen hast du dieses Glaubenslicht in der heiligen Taufe und bewahren musst du es durch ein frommes Leben, durch Gebet und öfteren Empfang der heiligen Sakramente. Durch ein leichtsinniges, Gott vergessenes, lasterhaftes Leben löscht dieses Licht aus uns wehe dir dann, wenn es erloschen ist. Du hast jenen Schild verloren, von dem der heilige Apostel sagt, daß man damit alle feurigen Pfeile des Bösewichts auslöschen kann. Ephes. 6, 16.
Bewahre also den heiligen Glauben; hast du das Licht des Glaubens verloren, dann mußt du wie ein Blinder in Nacht und Tod versinken! Bete daher öfters mit den Jüngern Jesu: „Herr, vermehre mir den Glauben!! –
aus: Georg Ott, Legende von den lieben Heiligen Gottes, Erster Teil, 1904, S. 476 – S. 477