Heiligenkalender
27. März
Heilige Augusta Märtyrerin
Augusta hatte einen deutschen, aber heidnischen Fürsten, mit Namen Matrucius, zum Vater. Dieser hatte Deutschland verlassen und unweit von Sarravalle in Venetien auf einem hohen Berg ein herrliches Schloß erbaut und verschiedene in der Gegend von Friaul gelegene Dörfer und Flecken mit Gewalt sich unterworfen. Er war einer der eifrigsten Götzendiener und ein geschworener Feind der Christen, die er mit dem größten Hasse verfolgte und mit allen erdenklichen Martern peinigte, wenn sie nicht seinen Götzen opferten. Augusta, die von Natur aus liebreich und mitleidig war, trug Abscheu vor der Grausamkeit ihres Vaters, bedauerte die Christen von Herzen und suchte ihnen zu helfen, so viel sie nur konnte. Durch Gottes Gnade, die alle retten will, entstand in Augusta das Verlangen, die Lehre der Christen kennen zu lernen. Nach einigen Unterredungen mit Christen erkannte sie durch die göttliche Gnade die Wahrheit der christlichen Religion und die Falschheit der heidnischen Götzen. Auf die Erkenntnis der Wahrheit folgte sogleich der Entschluss, sich taufen zu lassen. Gott schickte ihr einen Priester, der sie in allem vollständig unterrichtete und auf ihr inständiges Bitten taufte. Die durch die Taufe in dem Gemüt der Augusta entstandene Freude war unaussprechlich groß; doch musste sie selbe, sowie den neu angenommenen Glauben noch verbergen.
Die stille Zurückgezogenheit der Tochter, die keinem Schauspiel mehr beiwohnte und alle Lustbarkeiten mied, fiel dem Vater auf. Er beobachtete sie schärfer und gewahrte, daß sie bisweilen des Abends heimlich den Palast verließ. Da sandte er ihr einmal einen vertrauten Diener nach, und dieser brachte seinem Herrn die Nachricht, daß Augusta die Versammlungen der Christen besuche. Erzürnt ließ sie Matrucius kommen; Augusta gestand ihm offen, warum sie sich an jenen Ort begeben und was sie dort täte, und bekannte: „Ich bin eine Christin.“ Du eine Christin, sprach der vor Zorn wütende Vater, du eine Christin? Wie kannst du einem falschen Gott anhangen?
„Ich hange keinem falschen Gott an“, erwiderte Augusta, „sondern dem einzigen, wahren Gott. Jene Götter, welche ich bisher verehrte, sind falsche Götter. Wenn du, mein Vater, den Gott der Christen erkanntest, so würdest auch du ihn anbeten und ehren, wie ich.“ Der Vater wußte vor Zorn nicht mehr, was er tun sollte; dennoch tat er sich Gewalt an und Sprache mit gemäßigter Stimme: er sehe wohl, daß es nur bloße Kinderei, Einfalt und Unverstand sei, was sie getan; daher wolle er ihr noch Zeit geben, um die Sache besser zu überlegen. Würde sie aber in ihrem Sinne hartnäckig verharren, so sollte sie an ihm keinen Vater, sondern den ärgsten Tyrannen finden. Augusta beteuerte, nie würde sie von Christus lassen, sondern mit Freuden ihm zuliebe alles erdulden und sogar das Leben opfern. Der Vater befahl hierauf, sie einzusperren. Da warf sich Augusta in ihrem Kerker auf die Knie nieder, pries Gott für die Gnade des Leidens und bat ihn um seine Hilfe für die kommende Marter. Kaum war der Tag angebrochen, so wurde sie wieder vor ihren Vater gerufen und in Gegenwart einiger Verwandten gefragt, wozu sie sich entschlossen hätte.
„Ich habe mich entschlossen“, rief sie mit lauter Stimme, „meinem Jesus getreu zu bleiben, und mich weder durch Peinen, noch durch den Tod selbst von ihm trennen zu lassen.“
Diese unerwartete Antwort brachte Matrucius in Wut; er befahl, seiner boshaften Tochter – so hieß er sie – die Zähne auszubrechen, damit sie lerne, ihrem Vater demütiger zu antworten. Einer seiner Diener riß darauf der heiligen Augusta einen Zahn mit solcher Rohheit und Gewalt aus, daß alle Anwesenden sich darüber entsetzten und den Vater um Schonung für die Tochter anflehten. „Nein!“ sagte er, „fahrt fort, so lange noch ein Zahn im Munde ist.“ Das ausbrechen des zweiten Zahnes bereitete Augusta noch größere Schmerzen; viel Blut floß häufig aus dem Munde, und die Tränen strömten aus den Augen. Die anwesenden konnten nicht mehr zusehen, fielen dem wilden Tyrannen zu Füßen und hörten nicht auf zu bitten, bis er mit dem Peinigen auszusetzen befahl. Aber er sprach: „Willst du noch nicht von deinem Unsinn abstehen und in dich gehen?“ „Von meinem Gott weiche ich nicht“, antwortete sie, „solltest du mir auch alle Zähne mit gleicher Grausamkeit ausbrechen lassen.“ Es fehlte wenig, daß der Vater nicht selbst Hand anlegte, um seine Tochter auf der Stelle zu martern; doch entließ er dieselbe auf Anraten seiner Freunde von sich mit dem Bedeuten, er gebe ihr noch einmal Bedenkzeit; alsdann aber werde er ohne Barmherzigkeit mit ihr verfahren. Zugleich gebot er, sie in einem tiefen Kerker zu werfen und ihr nichts, als ein wenig Brot und Wasser zu reichen. Augusta brachte diese Nacht ebenso zu wie die vorige, opferte sich gänzlich Gott dem Herrn auf, bereit zu allen Martern; nur um Gnade und Beistand flehte sie zu ihm auf das innigste. Gott erfüllte sie mit solchem Trost, daß sie mit Sehnsucht den Tag erwartete, um ihm zuliebe zu leiden.
Als sie am folgenden Tage zum Vater geführt wurde und Christus noch mutvoller und freudiger bekannte, als am vorher gehenden, ließ er sie zwischen zwei Bäumen ausspannen und ein großes Feuer unter ihr anzünden. Auf diese Weise, meinte er, würde sie bald vom Rauch erstickt, oder vom Feuer verbrannt werden. Gott der Herr schickte aber einen heftigen Wind, der die Flammen samt dem Rauch von ihr hinweg wehte und auf die Umstehenden trieb. Augusta blieb unverletzt und lobte Gott. Matrucius befahl, sie von den Bäumen loszumachen, ihr alle Kleider vom Leibe zu reißen, Hände und Füße zu binden, dann auf den Boden unter ein Rad zu legen, welches mit spitzigen Eisen ringsherum besteckt war. Dieses Rad sollte umgedreht, und so die christliche Heldin in kleine Stücke zerschnitten werden. Augusta zeigte anfangs einigen Schrecken beim Anblick eines so entsetzlichen Marterwerkzeuges, faßte sich aber bald wieder, sah mit weinenden Augen zum Himmel hinauf und rief um Hilfe. In einem Augenblick kam ein Engel vom Himmel, der Augusta von ihren Banden befreite und mit ihren Kleidern bedeckte und das Rad in Stücke zerschlug. Augusta allein sah den Engel; die anderen sahen nur, was vorging, mit Erstaunen an und waren ganz verblüfft. Endlich sprach sie zu ihrem Vater und zu allen Anwesenden: „Seht ihr denn noch nicht die Kraft meines Gottes, der seinen Engel geschickt und mich von der Grausamkeit, die ihr an mir habt ausüben wollen, errettet hat? Erkennt doch endlich die Falschheit eurer Götter und die Wahrheit meines Gottes, der euch sonst in die ewige Pein verstoßen wird.“ Matrucius, ganz verstockt, wollte nicht die Schande haben, überwunden zu sein, und ließ die Heldin enthaupten den 27. März um das Jahr 100. Ihr Leichnam wurde von ihrem Vater lange verborgen gehalten, dann aber entdeckt, von den Christen ehrenvoll begraben, und später eine Kirche zu ihrer Ehre erbaut. –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 232 – S. 234