Der Gebrauch von Weihwasser als Sakramentalie
Der fromme Christ nimmt Weihwasser sowohl zu Hause als in der Kirche und bittet Gott dabei, durch das Blut Christi immer mehr gereinigt und in allen Gefahren beschützt zu werden.
Die fromme Sitte, sich des Weihwassers zu bedienen, reicht in das höchste christliche Altertum hinauf. Manche Schriftsteller glauben dieselbe auf die apostolische Zeiten zurückführen zu müssen. Gewiss bestand sie schon im vierten Jahrhundert allgemein sowohl in der morgen- als auch in der abendländischen Kirche.
Nach dem Bericht des Bischofs von Tyrus befand sich vor dem Eingang derselben (wie es bei den Kirchen der damaligen Zeit Regel war) ein Wasserbehälter, um vor dem Eintritt in die Kirche die Hände und das Angesicht zu waschen. Das Wasser dieses Behälters wurde an gewissen Tagen des Jahres, namentlich am Vorabend oder am Tage der Erscheinung des Herrn, vom Bischof gesegnet. Von diesem alten Gebrauch leiten die katholischen Altertumsforscher die heute noch die übliche Gewohnheit her, am Eingang der Kirchen Weihwasser-Behälter (Weihkessel, Weihsteine) aufzustellen.
Für die uralte Sitte der Gläubigen, gesegnetes Wasser mit nach Hause zu nehmen und es aufzubewahren, legt unter andern der heilige Chrysostomus Zeugnis ab, indem er spricht:
„Da am heutigen Tage das Wasser geweiht worden, so schöpfen alle aus dem geheiligten Quell, tragen das geschöpfte Weihwasser nach Hause und bewahren es das ganze Jahr hindurch auf. Dabei geschieht, was sehr auffallend ist, daß dieses Wasser auf die Dauer nicht in Fäulnis übergeht, sondern zwei, auch oft drei Jahre, so frisch und unverdorben bleibt, als wäre es erst heute geschöpft.“ (Rede über die Taufe Christi)
Auch Gregor, Bischof von Tours, der im sechsten Jahrhundert lebte, berichtet, dass zu seiner „das gesamte Volk, jeder nach seiner Andacht, aus dem Weihbrunnen schöpfte und ganze Gefäße voll heimtrug, um durch Besprengung mit dem geweihten Wasser ihre Äcker und Weinberge unter göttlichen Schutz zu stellen.“ (Vom Ruhm der Märtyrer, Buch 1) Dasselbe bezeugt Hinkmar, Bischof von Reims, im neunten Jahrhundert und fügt bei, dass die Gläubigen seiner Zeit „auch ihre Wohnungen, ihre Herden und deren Futter, sowie auch Speise und Trank mit Weihwasser besprengten“. – Da der Gebrauch des Weihwassers immer allgemeiner und beliebter wurde, befahl Leo IV., der um die Mitte des neunten Jahrhunderts den päpstlichen Stuhl innehatte, „dass jeden Sonntag vor der Messe Wasser geweiht werde“.
Es ist demnach ein altehrwürdiger und löblicher Gebrauch, sich beim Eintreten in die Kirche und beim Hinausgehen mit Weihwasser zu besprengen. Die Kirche selbst leitet uns dazu an, indem sie vor dem Gottesdienst das Volk mit Weihwasser besprengt, „damit wir rein und heilig vor Gottes Angesicht erscheinen und zu ihm beten mögen“. An manchen Orten wird das gläubige Volk auch nach dem Gottesdienst, bevor es die Kirche verlässt, durch Besprengung mit Weihwasser unter den besonderen Schutz des Allerhöchsten gestellt.
Nicht minder löblich ist es auch, Weihwasser mit nach Hause zu nehmen und des Morgens beim Aufstehen und des Abends beim Schlafengehen davon nach christlicher Sitte Gebrauch zu machen. Vom hl. Wolfgang, Bischof von Regensburg, wird in seiner Lebensbeschreibung ausdrücklich bemerkt, dass er ein Weihkesselchen an seinem Bett hängen hatte und sich jedes Mal, wenn er aufstand oder zur Ruhe ging, mit Weihwasser besprengte.
Empfehlenswert ist auch die Sitte frommer Christen, beim Ein- und Ausgehen Weihwasser zu nehmen, sowie bei heftigen Versuchungen (vorausgesetzt, dass man von niemand beobachtet wird), oder wenn z. B. bei einem schweren Ungewitter Gefahr droht. Die heil. Theresia bezeugt, das Weihwasser habe eine ganz wunderbare Kraft, die Nachstellungen des Satans zu vereiteln und die Gewalt seiner Anfechtungen zu brechen. An manchen Orten besteht auch der lobenswerte Gebrauch, bei den Leichen der Gläubigen einen Weihkessel aufzustellen und dieselben mit dem darin befindlichen Weihwasser zu besprengen, damit vermöge des Gebetes der Kirche die Seelen der Verstorbenen an den Ort der Ruhe und des Friedens gelangen mögen.
Damit uns aber das Weihwasser wahrhaft nützlich und heilsam sei, so sollen wir es nicht gedankenlos, sondern im Geist des Glaubens und mit zerknirschtem Herzen gebrauchen und dabei Gott bitten, er möge uns durch das Blut Christi mehr und mehr reinigen und in allen Gefahren des Leibes und der Seele beschützen. Reinigung der Seele durch das Blut des Heilandes und Schutz gegen alle Gefahren, besonders der Seele, sind die Hauptvorteile, die wir von dem andächtigen Gebrauch des Weihwassers zu erwarten haben.
An diese geheimnisvolle Reinigung erinnert uns das Wasser, dem es eigen ist, alles Verunreinigende, abzuwaschen; daran erinnert uns auch das Zeichen des hl. Kreuzes, welches wir beim Weihwasser nehmen zu machen pflegen. Am Kreuz war es ja, wo das Blut unseres Erlösers zur Abwaschung unserer Seelen geflossen ist. Himmlischer Schutz aber dürfen wir mit Zuversicht erwarten, weil das hl. Kreuz das Zeichen des Triumphes über Tod und Hölle ist, und besonders weil die Kirche bei Weihung des Salzes und Wassers, aus deren Vermengung das Weihwasser entsteht, mit so großer Inbrunst darum bittet.
Bei der Salzweihe fleht der Priester zu Gott: „Würdige dich zu weihen und zu heiligen dieses Geschöpf des Salzes, damit es allen, die es nehmen zur Gesundheit Leibes und der Seele diene, und alles, was damit berührt worden, frei werde von aller Unlauterkeit und aller Anfeindung satanischer Bosheit.“
Ähnlich lautet das Gebet bei der Weihung des Wassers:
„Gieß ein diesem Element die Kraft deines Segens, damit dieses Geschöpf, dem Dienst deiner Geheimnisse geweiht, zur Verbannung der bösen Geister und zur Vertreibung von Krankheiten die Wirksamkeit göttlicher Gnade empfange.“ Nachdem dann das Salz mit dem Wasser vermischt worden, bittet die Kirche, Gott möge diese Mischung heiligen, „auf dass, wo immer das geweihte Wasser hingesprengt werde, durch die Anrufung seines hl. Namens jede Anfeindung des unreinen Geistes weiche und der Hl. Geist auf unsere Bitten überall zugegen sei.“ –
aus: P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, 3. Band, 1912, S. 389 – S. 391
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