Das Bündnis von Judas Makkabäer mit den Römern – Sein Opfer und sein Heldentod
(1. Makk. 6, 17 bis 9, 22; 2. Makk. 11-15)
Auf des Alkimus Betreiben kam der Feldherr Nikanor mit großer Heeresmacht nach Jerusalem. Er lockte unter dem Vorgeben friedlicher Verabredung den Judas in einen Hinterhalt: Judas aber entfloh noch rechtzeitig. Nun betrat Nikanor frevelnd den Tempel und befahl den Priestern, Judas auszuliefern. Als sie aber eidlich versicherten, daß sie dessen Aufenthalt nicht kennten, streckte Nikanor in gotteslästerlicher Weise seine Hand gegen den Tempel aus und schwur: „Wenn ihr mir den Judas nicht gefesselt übergebt, so mache ich diesen Tempel dem Erdboden gleich, zerstöre den Altar und weihe diesen Ort dem Bacchus.“ (1) Entsetzt breiteten die Priester die Hände gen Himmel aus und flehten zum Herrn um Schutz für seinen Tempel. Durch großen Zuzug verstärkt, rüstete sich Nikanor voll Siegesgewissheit zur Schlacht. Da er an einem Sabbat angreifen wollte, baten ihn die Juden, die ihm gezwungen folgten: „Handle doch nicht so wild und grausam, sondern ehre den heiligen Tag und ehre den, der alles sieht.“ Der Unselige fragte: „Ist wohl im Himmel ein Mächtiger, der den Sabbat zu halten befohlen hat?“ Jene antworteten: „Es ist der lebendige Herr, selbst, der da Macht hat im Himmel, der den siebten Tag zu halten geboten hat.“ Nikanor aber sprach: „Und ich habe die Macht auf Erden und gebiete, die Waffen zu ergreifen und des Königs Dienst zu verrichten.“ Gleichwohl musste er von seinem Vorhaben abstehen und den Angriff verschieben.
Der Makkabäer aber vertraute stets mit aller Zuversicht, daß er Hilfe von Gott erhalten werde. Er ermutigte seine Schar, die nur 3000 Mann stark war, durch heilige Ermahnungen und durch ein Traumgesicht, das er in der Nacht zuvor gehabt hatte. „Der Hohepriester Onias“ (2), erzählte er, „breitete seine Hände aus und betete für das Volk der Juden. Hierauf erschien ein anderer Mann, von großer Herrlichkeit umstrahlt. Da sprach Onias: Das ist der Freund des Volkes Israel; der ist es, welcher so viel für das Volk und die ganze heilige Stadt betet, Jeremias, der Prophet Gottes (3). Hierauf streckte Jeremias die Hand aus und gab mir ein goldenes Schwert mit den Worten: Nimm das heilige Schwert als Geschenk von Gott; damit wirst du die Feinde Israels erlegen.“
Plötzlich rückte Nikanors Heer mit Trompetenschall und Kriegsgesang heran: Judas aber und die Seinigen beteten im Herzen und griffen voll Begeisterung zum Schwert. Nichts vermochte ihrem furchtbaren Ungestüm zu widerstehen: 35000 Feinde fielen, die übrigen flohen, wurden aber von den auf dem flachen Land wohnenden Juden angefallen und kamen so, von allen Seiten eingeschlossen, bis zum letzten Mann um. Nikanor selbst ward ins einer Rüstung tot auf dem Schlachtfeld gefunden. Auf Befehl des Judas ward ihm das Haupt abgehauen und an der Mauer der Sionsfeste aufgehängt, seine gottlose Zunge ausgeschnitten und stückweise den Vögeln vorgeworfen, seine Rechte aber, die er gotteslästerlich wider den Tempel des Herrn ausgestreckt, dem Tempel gegenüber aufgehängt. Zum Dank für die augenscheinliche göttliche Hilfe ward ein jährliches Erinnerungsfest eingesetzt am 13. des Monats Adar (Februar-März), dem Tag vor dem Mardochäustage. (4)
Trotz dieses großen Sieges sah Judas wohl ein, daß der König Demetrius nicht säumen werde, mit einem gewaltigen Heer seine Niederlage zu rächen, und daß das kleine Heer der Juden auf die Dauer einer solchen Übermacht nicht gewachsen sei, zumal, da im Judenland selbst eine mächtige heidnische Partei fortwährend mit den Feinden in Verbindung stand. Er sah sich deshalb nach mächtigen Bundesgenossen um und fand sie in den Römern. (5) Was er von ihrer Macht und ihren Staatseinrichtungen, ihren bürgerlichen Tugenden und besonders ihrer Gewohnheit, die unterjochten Völker in ihrer Religion wie in ihren heimatlichen Gebräuchen und Gesetzen unangetastet zu lassen, gehört hatte, ließ ihn hoffen, er werde an ihnen in seinem Kampf gegen die Unterdrückung durch fremde Tyrannen sehr schätzenswerte Bundesgenossen haben. (6) Er ordnete zu diesem Behuf eine Gesandtschaft nach Rom ab. Die Gesandten wurden daselbst sehr gut aufgenommen; die römische Ratsversammlung schloss mit den Juden ein Schutz- und Trutzbündnis und ließ es zur Besiegelung auf ehernen Tafel schreiben, welche von den Gesandten nach Jerusalem gebracht wurden. Zugleich meldeten sie dem Judas, sie hätten dem König Demetrius die Weisung zugehen lassen, die Juden nicht ferner zu beunruhigen. (7)
Aber noch ehe dies Schreiben an Demetrius gelangt war, hatte dieser bereits ein mächtiges Heer ausgerüstet, um seine Niederlage zu rächen, und sandte dasselbe unter seinem Feldherrn Bacchides gegen Judäa. Sie schlugen ihr Lager bei Jerusalem auf. Von da zogen sie nach Berea, 20000 Mann zu Fuß und 2000 Reiter. Judas aber hatte sein Lager zu Laisa (8), und es waren bei ihm 3000 auserlesene Männer. Aber selbst von diesen flohen aus Furcht vor der feindlichen Übermacht so viele, daß nur 800 bei ihm ausharrten. Diese rieten zu vorläufigem Rückzug, um neue Streitkräfte zu sammeln. Allein Judas entgegnete: „Ferne sei es, daß wir vor ihnen fliehen; ist unsere Zeit gekommen, so laßt uns männlich sterben für unsere Brüder!“ Trotz der ungeheuren Übermacht unterhielt Judas den Kampf vom Morgen bis zum Abend und schlug sogar den rechten feindlichen Flügel in die Flucht. Er ließ sich aber zu allzu weiter Verfolgung, das Gebirge hinab bis zum Berg von Azot, hinreißen. Dies benützten die übrigen Abteilungen der Feinde, um ihm in den Rücken zu fallen. Es ward mit großer Heftigkeit gekämpft, und es fielen auf beiden Seiten viele. Auch Judas fiel; da flohen die übrigen. Doch gelang es dem Jonathas und Simon, den Leichnam ihres Bruders Judas aus dem Kampf zu tragen, und sie begruben ihn mit Begräbnis seiner Väter zu Modin (160 v. Chr.). Ganz Israel beweinte ihn mit großer Klage und sprach: „Ach, der Held ist gefallen, der das Volk Israel errettet hat!“
Anmerkungen:
(1) der Götze der Schwelgerei
(2) Onias III., der von seinem Bruder Jason verdrängte und nachher auf Betreiben des Menelaus um 170 meuchlerisch ermordete Hohepriester, den Judas jedenfalls persönlich kannte.
(3) Obwohl noch nicht zu seligen Anschauung Gottes gelangt, konnte also Jeremias so wirksam für sein Volk beten; ein schlagendes Zeugnis für die Macht der Fürbitte der Heiligen für die streitende Kirche und deren einzelne Mitglieder.
(4) D. h. vor dem Purimfest. Es wurde noch zur Zeit Christi und nachher begangen. Mit diesem Bericht schließt das zweite Makkabäer-Buch.
(5) Die Römer hatten ihre Macht bereits bis nach Kleinasien ausgedehnt, und auch das syrische und ägyptische Reich standen schon unter ihrem maßgebenden Einfluss. Ihre republikanische Verfassung aber erschien der jüdischen damaligen Zeit sehr ähnlich. (Vgl. 1. Makk. 8, 1-16) Man beachte, daß das günstige Urteil über die Römer sich auf das stützt, was Judas über dieselben gehört hatte. Wie weit das einzelne begründet (wahr) ist, ist eine andere Sache. „Während sich die römischen Kriegstaten in diesen Gerüchten im ganzen richtig widerspiegelten, wurden in denselben die Bundestreue, Neidlosigkeit und ähnliche vorgebliche römische Tugenden notorisch über Gebühr erhoben; vgl. Bender, Rom und römisches Leben im Altertum 496ff“. Weiß, Judas Makkabäus 112.
(6) Der Entschluss des Judas entsprang offenbar politischen Erwägungen, bedeutete aber im Grunde genommen eine Abirrung von der theokratischen Politik, welche das Gesetz vorschrieb und die Propheten stets eingeschärft hatten; vgl. Ex. 23, 32: du sollst kein Bündnis mit den Heiden schließen; Is. 30, 1-3 u.a. Ohne Zweifel glaubte Judas unter den gegebenen Umständen und unter Voraussetzung dessen, was er von den Römern Günstiges gehört hatte, so handeln zu dürfen; die erwarteten Vorteile blieben aber fast gänzlich aus, ja das Bündnis mit den Römern wurde für Judas selbst und für die ferneren Geschicke des Judenvolkes von geradezu tragischer Bedeutung. Vgl. Weiß a.a.O. 111ff.
(7) Man hat die Geschichtlichkeit dieser Erzählung bezweifelt, weil das Antwortschreiben der Römer unlateinische Form zeige und weil es nicht den Gepflogenheiten der Römer entsprochen habe, mit den Juden ein Bündnis gegen die Syrer zu schließen, die selbst Bundesgenossen der Römer und Oberherren des jüdischen Landes waren. Aber die „unlateinische Ausdrucksweise“ kann daraus erklärt werden, daß der Erzähler den Brief der Römer nicht dem Wortlaut, sondern nur der Hauptsache und dem Sinn nach wiedergibt. Von der Oberherrschaft der Syrer hatte aber eben Judas die Juden tatsächlich befreit, und es ist keineswegs unglaublich, nicht einmal unwahrscheinlich, daß die Römer, die ihren syrischen Bundesgenossen nicht immer sonderlich hold waren, diesen faktischen Zustand anerkannten, zumal da sie sich den Juden gegenüber nur verpflichteten, Hilfstruppen zu senden, „sofern es die Umstände gestatten“. Außerdem hat man bei Josephus (Jüd. Altertümer XIV 10 u. 15) eine Urkunde entdeckt, die als Geleitbrief des Konsuls Cajus Fannius für die jüdische Gesandtschaft vom Jahr 161 zu betrachten ist und nur infolge einer Namensverwechslung einer späteren Zeit zugeschrieben wurde.
(8) Beide Orte sind uns nicht näher bekannt, doch scheinen sie nicht sehr weit westlich oder südwestlich von Jerusalem gelegen zu haben, da Judas die Feinde bis an den Berg von Azot, vielleicht 25 km vom Schlachtfeld, verfolgte. –
aus: Schuster/Holzammer, Handbuch der Biblischen Geschichte, Bd. I, Altes Testament, 1910, S. 1044 – S. 1046