Heldentaten des Judas unter Antiochus V. und Demetrius I.
(1. Makk. 6, 17 bis 9,22; 2. Makk. 11-15)
Dem Antiochus IV. folgte sein Sohn Antiochus V. oder Eupator, 163 bis 161 v. Chr. Da dieser noch unmündig war, führte sein Vormund Lysias die Zügel der Regierung. Erbittert über seine frühere Niederlage, rückte Lysias mit 80000 Mann zu Fuß und der ganzen Reiterei gegen Jerusalem heran, 164 v. Chr. (2. Makk. 11). Da bat der Makkabäer samt dem ganzen Volk den Herrn unter Tränen, er möge seinen guten Engel zur Rettung Israels senden. Ihre Bitte ward buchstäblich erhört. Denn vor dem Kampf erschien vor ihnen her ein Reiter in weißem Gewand, mit goldenen Waffen und geschwungener Lanze. Nun priesen alle den barmherzigen Gott und waren voll Mut, entschlossen, nicht nur feindliche Reihen, sondern selbst eiserne Mauern zu durchbrechen. Wie Löwen stürzten sie auf die Feinde, töteten 11000 Mann vom Fußvolk und 1600 Reiter und schlugen die übrigen mit Lysias in die Flucht, der darauf Frieden schloss und den Juden freie Übung ihrer Religion gewährte. (1)
Leider dauerte der Friede nicht lange, da die syrischen Statthalter in den angrenzenden Ländern den Hass gegen die Juden schürten. (2. Makk. 12) Bald kam es zu einem neuen Kampf gegen Timotheus, dessen 120000 Mann zu Fuß und 2500 Reitern Judas nur 6000 Streiter entgegen zu stellen hatte. Timotheus ward aufs Haupt geschlagen, verlor 30000 Mann und wurde selbst gefangen genommen.
Hierauf zog Judas gegen Gorgias, der Statthalter von Idumäa geworden war, und überwand ihn; mit genauer Not entging Gorgias selbst der Gefangenschaft. Als am andern Tag Judas mit den Seinigen die Leichname der gefallenen Juden beerdigen wollte, da fanden sich unter deren Oberkleidern Stücke von den Opfergeschenken der Götzen, welche zu nehmen durch das Gesetz verboten war. Jetzt ward es allen deutlich, warum jene gefallen waren. Sie priesen das gerechte Gericht des Herrn und beteten, daß er die begangene Sünde vergeben möchte.
„Judas aber veranstaltete eine Sammlung und sandte 12000 Drachmen Silbers (2) nach Jerusalem, damit dort ein Sühnopfer für die Verstorbenen dargebracht würde, indem er gut und fromm in Betreff der Auferstehung (3) gesinnt war. Denn wenn er nicht gehofft hätte, daß die Gefallenen auferstehen würden, so wäre es ihm ja überflüssig und eitel erschienen, für die Verstorbenen zu beten. Vielmehr dachte er, daß eine große Gnade (4) denen vorbehalten sei, die in Frömmigkeit entschlafen sind. Es ist also ein heiliger und heilsamer Gedanke, für die Verstorbenen zu beten, damit sie von ihren Sünden erlöst (5) werden.“ (6)
Trotz all dieser unerhörten Siege des Judas hielten sich die Syrer noch immer in ihrer fast uneinnehmbaren Feste auf dem Berg Sion und beunruhigten von hier aus die Einwohner von Jerusalem, namentlich auf ihrem Gang zu dem gerade gegenüber, aber etwas niedriger gelegenen Tempel. Da entschloss sich Judas zu einer förmlichen Belagerung der Feste. (1. Makk. 6, 18ff; vgl. 2. Makk. 13) Auf die Kunde hiervon kam der König selbst mir Lysias an der Spitze mit 100000 Mann zu Fuß, 20000 zu Pferd und 32 abgerichteten Elefanten, welche mit Streitern besetzte hölzerne Türme trugen. Judas überfiel des Nachts mit den tapfersten Jünglingen das feindliche Lager in der Nähe des königlichen Zeltes und tötete 4000 Mann. (7)
Sein Bruder Eleazar opferte sich heldenmütig auf, um sein Volk zu retten, brach sich kühn bis zum größten, herrlich gepanzerten Elefanten, der nach seiner Vermutung den König trug, mit dem Schwert Bahn, beugte sich schnell unter den Bauch des Tieres und durchbohrte es mit dem Schwert, ward aber durch den Fall desselben erdrückt (8) Aber die Übermacht war zu groß, Judas zog sich nach Jerusalem zurück, das nun die Syrer belagerten. Alles schien verloren. Da brach in Syrien eine Empörung aus (9); bestürzt bot der König den Juden Frieden an, ließ sogar im Tempel ein Opfer für sich darbringen und beschenkte den Tempel; darauf eilte er nach Syrien zurück.
Nicht lange hernach ward Antiochus V. von dem Sohn und darum rechtmäßigen Thronerben des Seleukus IV., namens Demetrius I. (161 bis 150 v. Chr.), vom Thron gestürzt und mit Lysias getötet. Dieser Thronwechsel brachte jedoch den Juden eine neue Heimsuchung. Der elende Menelaus, der die erkaufte hohepriesterliche Würde mit Mord und zahllosen Untaten geschändet und den syrischen Namen hauptsächlich verhasst gemacht hatte, war nämlich noch auf Befehl des vorigen Königs von einem Turm herab in glühende Asche (10) gestürzt, aber an seiner Statt nicht der allein berechtigte Sohn des edlen Onias III., sondern ein gottloser Mensch, namens Alkimus, zum Hohenpriester ernannt worden. Dieser wußte sich nun bei dem neuen König so einzuschmeicheln, daß derselbe ihn im Hohenpriesteramt bestätigte und seiner Verleumdung, Judas sei der Todfeind der syrischen Könige und ihrer Oberherrschaft, blind glaubte (1. Makk. 7; vgl. 2. Makk. 14 u. 15) und den Alkimus sogar mit einem unter der Anführung des Bacchides stehenden Heeres nach Judäa sandte. Hinterlistiges und grausames Morden begleitete bald seine Schritte. Da erhob sich Judas aufs neue mit siegreicher Hand.
Anmerkungen:
(1) Eine gerade damals in Syrien ankommende römische Gesandtschaft hatte das Friedenswerk begünstigt. (Vgl. 2. Makk. 11, 34ff) Die Römer übten nämlich seit ihrem Sieg über Antiochus den Großen bei Magnesia, 190 v. Chr., eine Oberherrschaft über Vorderasien wie über Ägypten aus und machten dieselbe bei jeder Gelegenheit geltend.
(2) Es sind wohl attische Drachmen gemeint (die alexandrinische Drachme soll doppelt so schwer gewesen sein); die Summe betrug demnach ein hebräisches Talent oder 3000 Sekel = 7500 Mark.
(3) Unsterblichkeit und Auferstehung des Leibes sind für den Menschen, der aus Leib und Seele besteht, zwei so zusammen gehörige Begriffe, daß auch die Heilige Schrift sie nicht trennt. Judas hoffte, daß die Gefallenen der Seele nach und später auch dem Leibe nach selig fortleben, und daß ihnen hierbei das Gebet ersprießlich sei. Vgl. Atzberger, Die christliche Eschatologie 100: „Das 12. und 15. Kapitel des zweiten Makkabäer-Buches haben für die katholische Dogmatik eine hohe Bedeutung, indem sie nicht bloß die Unsterblichkeit der Seele, die jenseitige Vergeltung und die Auferstehung des Fleisches lehren, sondern außerdem noch den jenseitigen Reinigungsort und die Möglichkeit von Fürbitten für die dort befindlichen Seelen, ferner die jenseitige Fürbitte der Heiligen für die Menschen auf Erden. Es werden darum diese beiden Kapitel auch in den katholischen Dogmatiken bei den entsprechenden Lehrpunkten vielfach eingehend behandelt. Vgl. z. B. Über 2. Makk. 12, 43-46; Corluy, Spicilegium dogm. Bibl. I 264 bis 269; Bellarmin, De purgatorio 1. 1, c. 3.“
(4) Selige Unsterblichkeit und dereinst die Anschauung Gottes. (Vgl. Ps. 15, 11; 16, 15; Ez. 37, 1ff; Dn. 12, 2 u. 3 u.13)
(5) D. i.: Damit die Sünden und Sündenstrafen, die ihrem Eingang zur seligen Unsterblichkeit noch im Wege stehen, getilgt werden.
(6) 2. Makk. 12, 43-46. Die ganze Stelle ist das deutlichste Zeugnis für das Dasein eines Reinigungsortes für die in Gottes Gnade abgeschiedenen, aber noch nicht ganz reinen Seelen und für die Heilsamkeit des Opfers und des Gebetes zu ihrer Erlösung.
(7) Der Kampf fand statt bei Bethzachara, gegen 18 km südlich von Jerusalem, westlich vom Weg nach Hebron. Da Judas sich hier vor der Übermacht zurück zog, musste sich die 13 km weiter südlich gelegene starke Festung Bethsura an die Syrer ergeben.
(8) Ein anderer Fall wird 2. Makk. 14, 37ff. Erzählt, wo ein Jude namens Razia, der Leib und Leben mit aller Beharrlichkeit für seinen Glauben eingesetzt hatte, sich selbst den Tod gibt, weil er „Lieber sterben, als den Verruchten (Nikanor) in die Hände zu fallen und eine seines Seelenadels unwürdige Misshandlung erfahren“ wollte. Hier wird vom Verfasser des zweiten Makkabäer-Buches die heroische Selbstaufopferung zugleich als eine patriotische Tat um ihrer Motive willen gefeiert, ohne daß über die Erlaubtheit der Handlung an sich ein Urteil gefällt wäre. Razias hat offenbar im guten Glauben gehandelt und unter den obwaltenden Umständen ein heroisches Beispiel gegeben, das sich von der Handlungsweise Simsons und Eleazars nicht wesentlich unterscheidet.
Zöckler spricht in seiner Erklärung der Apokryphen S. 136 von „selbstmörderischer Hyperaskese“, für die in katholischen Kreisen vielfach die Tat des Razias vorbildliche Geltung erlangt habe. Aber die Parallelen aus der christlichen Legende (die Tat der hl. Apollonia und anderer heiligen Jungfrauen (*), die lieber ins Feuer und Wasser springen, als Schändung erdulden wollten; Joh. von Ephesus erzählt ein Beispiel von 2000 syrischen Jungfrauen, die lieber ins Wasser gingen, als daß sie den Persern in die Gefangenschaft folgten) haben mit selbstmörderischer Hyperaskese nichts zu tun. Warnungen und Einschränkungen gegenüber einer solchen macht der hl Augustinus De civ. Dei 1, 26f; Ep. 61, c. Gand. 2, 20 (gegen die Circumcelliones). Ob und in welchem Sinn sich „lobrednerische Verherrlichungen von Akten fanatischer Selbsttötung“ bei Hieronymus, Ambrosius, Nilus, Gregor von Nazianz u.a. finden, bedürfte noch genauerer Untersuchung.
(9) Der Feldherr Philippus, den der sterbende Antiochus Epiphanes statt des Lysias zum Reichsverweser und Vormund seines noch zu jungen Sohnes bestellt hatte, setzte sich in den Besitz der Regenschaft und trachtete, die Krone selbst an sich zu reißen.
(10) „Eine gerechte Strafe für die Frevel, die er so oft am Brandopfer-Altar begangen.“ (Vgl. 2. Makk. 13, 8) –
aus: Schuster/Holzammer, Handbuch der Biblischen Geschichte, Bd. I, Altes Testament, 1910, S. 1041- S. 1043
(*) siehe den Bericht über die heilige Jungfrau Pelagia