Die Auferstehung Jesu ist historischer Fakt
Die Auferstehungsberichte
An dem Auferstehungs-Morgen sehen wir so viele und so verschieden artige Personen in Tätigkeit, die Ereignisse drängen sich derartig, und die Umstände sind so zahlreich und mannigfaltig, dass wir uns nicht wundern können, wenn vier Berichterstatter, von denen jeder nur einiges wenige hervorheben will, auf den ersten oberflächlichen Blick nicht überein zu stimmen scheinen. Wie im ganzen Evangelium, so insbesondere in der Auferstehungs-Geschichte, wo offenbar alle Evangelisten rasch zum Schluss eilen, will keiner eine vollständige zusammenhängende Erzählung aller Ereignisse geben, sondern jeder hebt gleichsam beispielsweise, kürzer oder ausführlicher, nur einiges hervor.
Die vier Evangelisten
Matthäus erwähnt nur zwei Erscheinungen des Auferstandenen, die vor den Frauen, die in aller Frühe zum Grabe kamen, und die durch diese Frauen den Jüngern angekündigte feierliche Erscheinung auf dem Berg in Galiläa, womit Matthäus in großartiger Weise sein Evangelium schließt.
Markus hat drei Erscheinungen, die vor Magdalena, die vor den zwei Jüngern in Emmaus, jede in einem Vers, und die letzte am Tag der Himmelfahrt, wobei offenbar auf jene in Galiläa Bezug genommen wird, und womit auch sein Evangelium einen herrlichen Abschluss findet.
Lukas erzählt zwei Erscheinungen am Auferstehungstag ganz ausführlich, die vor den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus und die vor den versammelten Jüngern am Abend, wobei auch einer dem Petrus gewordenen Erscheinung kurz gedacht wird, und knüpft daran unmittelbar die Ermahnungen Jesu an die Jünger vor seiner Himmelfahrt, die, wie wir aus seiner Apostelgeschichte (1) erfahren, erst vierzig Tage später stattfand. (Apg. 1,3ff)
Johannes endlich erzählt sehr ausführlich die Erscheinung vor Magdalena und die vor zehn Aposteln am Auferstehungstag, die vor elf Aposteln (mit Thomas) am folgenden Sonntag und die vor sieben Jüngern am See Genesareth, wobei der Herr dem hl. Petrus feierlich das Oberhirtenamt übertrug. Weil jeder der Evangelisten seine besonderen Zwecke verfolgte, so wählte jeder auch aus den zahlreichen Erscheinungen des Herrn während der vierzig Tage (2) nur einige wenige aus und hob an diesen nur das hervor, was und wie es zu seinem Zweck diente. Insofern sind ihre Berichte verschieden, ein Beweis, dass jeder selbständig schrieb; aber sie widersprechen sich nicht, vielmehr ergänzen sie einander, der offenbarste Beweis, dass sie wahr berichten.
(1) Nach seiner Darstellung im Evangelium könnte man, wenn seine Apostelgeschichte und die andern Evangelien uns nicht eines andern belehrten, fast meinen, die Himmelfahrt habe am Auferstehungstage selbst stattgefunden; so wenig kam es dem hl. Lukas, und ähnlich auch den andern Evangelisten, darauf an, alle Einzelheiten und insbesondere die Zeitfolge genau anzugeben.
(2) Der hl. Lukas sagt ausdrücklich, dass der Herr seinen Jüngern „nach seinem Leiden sich lebendig darstellte durch viele Beweise, indem er vierzig Tage hindurch ihnen erschien und vom Reich Gottes redete“ (Apg. 1,3).
Der hl. Paulus
Als fünfter, durchaus einwandfreier, klassischer Zeuge für die Auferstehung Jesu kommt der hl. Paulus in Betracht. Denn die Bekehrung dieses Mannes wird uns, (…), nur dann verständlich, wenn wir seiner Aussage Glauben schenken, , dass er den auferstandenen Heiland wahrhaft und wirklich geschaut hat. In seinem um das Jahr 57 geschriebenen ersten Korinther-Brief (15,3-8) sagt er:
„Ich habe euch vor allem überliefert, was ich auch empfangen habe, dass Christus für unsere Sünden gestorben ist der Schrift gemäß, dass er begraben worden und am dritten Tage wieder auferstanden ist der Schrift gemäß, und dass er dem Kephas (Petrus) erschienen ist und danach den Elfen (nach dem griech. Text: den Zwölfen = den Aposteln). Hierauf ist er mehr als 500 Brüdern zugleich erschienen, von denen viele jetzt noch am Leben einige aber entschlafen sind. Darauf ist er dem Jakobus erschienen, dann sämtlichen Aposteln, zuletzt aber unter allen ist er auch mir, gleichsam einer Fehlgeburt, erschienen.“
Es kommt hier dem Apostel nicht darauf an, die Zahl der Erscheinungen Jesu zu registrieren oder deren Reihenfolge genau zu bestimmen, sondern er hebt diese sechs Erscheinungen hervor, weil sie ihm wegen der Stellung und Autorität ihrer Empfänger oder wegen sonstiger Umstände die Auferstehung des Herrn unzweifelhaft sicher zu verbürgen scheinen. Dabei ist zu beachten, dass die Tatsachen, die das Zeugnis zum Ausdruck bringt, nicht erst im Jahr der Abfassung des Briefes dem Apostel bekannt geworden sind, sondern ohne Zweifel schon bald nach seiner Bekehrung, und dass das Zeugnis des hl. Paulus sich hier sofort zum Zeugnis aller übrigen Apostel und zum Zeugnis der ganzen christlichen Urkirche erweitert.
Wohl mit Recht hat man in Kor. 15,3-5: „Ich habe euch überliefert … Elfen (Zwölfen)“ eine urchristliche Glaubensformel erblickt, und „Paulus kennt zwischen seiner an die Norm der Formel gebundenen Predigt und zwischen der Predigt der Urapostel gar keinen Unterschied.
Das Wunder der Auferstehung
Das eben genannte Zeugnis des hl. Paulus und die Berichte der Evangelisten stellen folgende Tatsachen unanfechtbar und unumstößlich fest: Nach der Kreuzigung des Herrn und selbst noch am Ostermorgen waren die Jünger in völliger Verzagtheit und Trostlosigkeit befangen, und ihre Messias-Hoffnungen waren erschüttert. Charakteristisch für ihre Stimmung ist das Wort der beiden Emmaus-Jünger: „Wir hofften, dass er es sei, der Israel erlösen werde.“ (Lk. 24,21)
Bald danach bekennen die Jünger, dass der gekreuzigte Heiland vom Tode auferstanden ist, weil sie fest davon überzeugt sind, den zu neuem, verklärtem Leben aus dem Grab Erstandenen schon am dritten Tage nach der Kreuzigung und während eines Zeitraumes von vierzig Tagen noch öfter in Jerusalem und anderwärts selbst wirklich und leibhaftig geschaut zu haben.
Die Auferstehung Jesu zu einem neuen, verklärten Leben auf Grund der Wahrnehmung des leeren Grabes und auf Grund einer Reihe von Erscheinungen vor den Seinen ist nicht eine vorübergehende Anschauung und Gemütsstimmung der Jünger, sondern die klare und felsenfeste Fundamental-Überzeugung, die sie vollkommen umwandelte, mit unerschütterlichem, opferfreudigstem Bekennermut erfüllte, zum Apostolat des Auferstandenen trieb, die erste christliche Gemeinde einigte, gewissermaßen das Christentum schuf und den Siegeslauf machte durch die Welt. Diese Überzeugung der Jünger und ihre Wirkungen sind historisch unleugbare und unanfechtbare Tatsachen; sie können nicht ohne hinreichende Ursache sein.
Die Kritik des Rationalismus
Während nun die Kirche in Übereinstimmung mit den heiligen Schriften des Neuen Testamentes wie im Einklang mit der vorurteilsfreien Vernunft von dieser so klaren und so wirkungsvollen Überzeugung der Jünger notwendig auf die wahre und wirkliche leibliche Auferstehung Jesu schließt und ein Wunder annimmt, das jeder natürlichen Erklärung spottet, sucht der Rationalismus, der unvernünftiger Weise von vornherein die Möglichkeit jedes Wunders leugnet, wieder und wieder nach einer Erklärung.
Von der Scheintod- und Betrugs-Hypothese können wir hier absehen, denn die Annahme, der Heiland sei nur scheintot gewesen oder die Apostel hätten die Welt absichtlich betrogen, sind heute wissenschaftlich vollständig und wohl für immer zurück gewiesen, wiewohl sie noch unzählige Male von Halbgebildeten im Namen der Wissenschaft einem größeren Publikum vorgetragen werden.
Neuerdings meint aber der Rationalismus, die Auferstehung des Herrn (die „Osterbotschaft“) leugnen und eine stichhaltige, rein natürliche Erklärung für den Auferstehungs-Glauben (den „Osterglauben“) der Jünger auf Grund der sogenannten Visions-Hypothese geben zu können. Danach sollen die Erscheinungen des Heilandes nur subjektive Visionen oder Halluzinationen (Sinnestäuschungen) der Jünger gewesen sein; die Jünger hätten sich nach der Kreuzigung stets und ständig in ihren Gedanken mit dem Heiland beschäftigt; infolge davon hätten sie ihn dann lediglich im Geiste, in einem durch ihre eigene Phantasie erzeugten Bild, geschaut, ohne dass ein wirklicher äußerer Vorgang diesem inneren Schauen zu Grunde gelegen hätte; also lediglich im Bewusstsein der Jünger habe sich ein Umschlag vollzogen.
Allein dieser Erklärungsversuch ist durchaus unzulänglich. Denn vor allem haben Halluzinationen (Sinnestäuschungen), wie sie hier angenommen werden, eine überreizte Phantasie und ein krankes Gemüts- und Nervenleben zur Voraussetzung. Nach allem aber, was wir von den Aposteln wissen, ist niemand berechtigt, eine Empfänglichkeit derselben für krankhafte visionäre Zustände zu behaupten. Gewiss haben sich die Apostel nach der Kreuzigung in ihren Gedanken intensiv mit dem Heiland beschäftigt; aber sie dachten so wenig an eine Auferstehung des Herrn, dass es ihnen Mühe machte, ihre Zweifel an der Wirklichkeit der Erscheinungen zu überwinden. Sie waren sowenig geneigt, an die Auferstehung zu glauben, dass sie wie Thomas diesem Glauben den stärksten Widerstand entgegen setzten.
Die Visionshypothese
Wären ferner die Erscheinungen des Herrn nur Visionen, nur inneres Schauen ohne äußere Realität gewesen, so hätten sich die Apostel nach Aufhören des visionären Zustandes bewusst werden müssen, nur eine Vision, ein inneres Erlebnis gehabt zu haben. So wurde sich Petrus seiner Verzückung bewusst, in der er das Tuch mit den unreinen Tieren sah. (Apg. 10,10-19 u. 28). Ebenso wurde sich Paulus bewusst, den Mazedonier, der ihn bat, nach Mazedonien zu kommen, in einem Traumgesicht geschaut zu haben (Apg. 16,9). Auch unterscheidet Paulus genau die Christus-Erscheinung, die ihm auf dem Weg nach Damaskus geworden ist, von den ihm später gewordenen Visionen.
Dass aber die Apostel überhaupt über die Dinge reflektieren und klar zu unterscheiden wussten zwischen einer bloßen Vision und einem realen, äußeren Vorgang, geht evident aus der Bemerkung hervor: Petrus „wusste nicht, dass es Wirklichkeit war, was durch den Engel geschah, sondern er glaubte ein Gesicht zu sehen“; dann aber, nachdem er sich aus dem Kerker und Banden befreit auf der Straße fand, „kam Petrus zu sich und sprach: „Jetzt weiß ich wahrhaft, dass der Herr seinen Engel gesandt hat.“ (Apg. 12, 9 u. 11) Nun zweifelten aber die Apostel, wie sich aus den Evangelien und dem oben erwähnten Zeugnis des hl. Paulus ergibt, nicht im mindesten, dass die Erscheinungen Christi reale, äußere Vorgänge waren.
Es ist weiter zu beachten, dass eine natürliche Vision niemals den Glauben erzeugen kann, sondern dass sie den Glauben voraussetzt. Die Vision ist nicht Vater, sondern Kind des Glaubens. Wären die Erscheinungen Christi Visionen gewesen, so hätten die Apostel schon zuvor von der Auferstehung Jesu überzeugt sein müssen und mit ganzer Seele an den schon Auferstandenen denken müssen.
Man sage nicht: die Typen und Weissagungen des Alten Testamentes und die Worte Jesu hatten die Apostel auf den Gedanken gebracht: der Herr müsse leben und könne nicht mehr im Grabe sein. Denn sie konnten, ehe sie das Faktum selbst erlebt hatten, weder die Weissagungen des Alten Testamentes noch die Weissagungen Jesu von seiner leiblichen Auferstehung hinlänglich verstehen; wenigstens werden wir durch ihr Benehmen belehrt, dass sie dieselben tatsächlich nicht in diesem Sinne verstanden. Wären die Apostel durch Betrachtung der Weissagungen und Typen zum Auferstehungs-Glauben gekommen, so hätte es auch näher gelegen, die Rückkehr Jesu zu einem irdischen, als zu einem verklärten Leib anzunehmen.
Auch das können wir noch hervorheben, dass visionäre Bewegungen in der Regel nicht nach einer kurzen Zeitdauer bei allen davon Betroffenen mit einem Male plötzlich wieder verschwinden, wie dies bei den Erscheinungen Christi der Fall gewesen ist. Auch das leere Grab bedarf doch einer Erklärung; auf Grund der Visions-Hypothese kann eine befriedigende Erklärung aber nicht gegeben werden.
Dies sind einige Gründe, welche die völlige Unzulänglichkeit der Annahme dartun, die Erscheinungen Christi seien nur Halluzinationen oder Visionen der Jünger gewesen. Man kann bei ruhiger und klarer Prüfung der Zeugen und Zeugnisse für die Auferstehung Jesu nur zu jenem Resultat kommen: das leere Grab und die Erscheinungen Christi bekunden mit Evidenz seine leibliche Auferstehung. –
aus: Schuster/Holzammer, Handbuch der Biblischen Geschichte, Bd. II, Neues Testament, 1910, S. 590 – S. 594