Sechstes Tagewerk Die Landtiere

Genesis Sechstes Tagewerk Die Landtiere

(Gen. 1, 24-25)

Sechstes Tagewerk. (V. 24-25) „Gott sprach: Die Erde bringe hervor (1) lebende Wesen (2) in ihren Arten, Vieh und kriechendes Getier und Tiere des Feldes nach ihren Arten. Und es geschah so. Und Gott machte die Tiere des Feldes (3) nach ihren Arten, das Vieh und alles kriechendes Getier der Erde nach seinen Arten. Und Gott sah, daß es gut war.“

Auch die letzte und höchste Stufe der vernunftlosen Wesen ist somit ein Werk der freien Allmacht und Weisheit Gottes. Und wie groß, wie reich, wie herrlich ist auch diese Schöpfung! Wie zahlreich sind die Klassen und Arten (4), wie mannigfaltig der Bau dieser Tiere, die alle in ihrer Art vollkommen sind und gleichwohl in wohl geordneter Reihenfolge eine immer höhere, vollkommenere Ausbildung des Körperbaues zeigen! Wie vielfältig sind die Zwecke, denen auch diese zahllosen Geschöpfe zu dienen haben; wie wunderbar sind ihre Sinne, Glieder und Triebe darauf eingerichtet, und wie noch viel wunderbarer muss es uns erscheinen, wenn wir sehen, daß in all dem derselbe einheitliche Plan wie bei der ganzen Schöpfung sich kund gibt, daß auch diese Wesen, vereint mit denen des fünften Tages und mit den Pflanzen auf ein einziges Ziel berechnet und eingerichtet, gegenseitig aufeinander angewiesen und in wundervoller Harmonie geordnet sind (5), damit die Erde ein für den Menschen passender und für die Entwicklung seiner mannigfachen körperlichen und geistigen Anlagen geeigneter Wohnplatz werde.

Wozu aber die wilden Tiere, wozu die giftigen Schlangen usw.? Alles hat seine Aufgabe im Haushalt der Natur und insofern auch immer seinen Nutzen für den Menschen. Überdies sollte aber der Mensch der Herr aller Tiere sein, und sie hätten ihm alle gehorcht, keines ihm geschadet, wenn er sich nicht gegen Gott empört hätte. Aber auch jetzt noch haben selbst diese Geschöpfe ihren großen und vielfachen Nutzen für den Menschen. (6) Ihre Zahl, Mannigfaltigkeit, Größe, Stärke, Geschicklichkeiten predigen ihm Gottes Größe und Macht. Vieles von ihren Körpern und Werken dient den Zwecken der Menschen, zur Kleidung, Arznei usw. An allen zeigt er, sei es durch Jagd oder durch Zähmung, die Überlegenheit seines Geistes. Fast alle auch erscheinen durch ihre so stark ausgeprägten Triebe als lebendige Bilder einzelner Leidenschaften oder Tugenden; so wird der Löwe auch in der Heiligen Schrift sehr oft als das Bild der Kraft und Majestät dargestellt; der Tiger aber, stark und und schnell, ist das Bild der Tücke und Grausamkeit; der Panther, schön gestaltet, herrlich gefleckt, stark, aber mutlos, ist ein Bild der Feigheit; der Fuchs ist ein Urbild der List und Verschlagenheit; der Wolf das Bild feiger Grausamkeit; der Hund, dieser unzertrennliche Gefährte des Menschen, das Bild der Treue usw. Endlich dienen allerdings auch manche seit dem Sündenfall zur Züchtigung und Heimsuchung des Menschen; aber auch so noch sollen sie ihm nützen, ihn zur Reue und Umkehr bestimmen und dadurch zum Heil seiner Seele beitragen.

Anmerkungen:

(1) Infolge dieses schöpferischen Willens Gottes, ohne den die Erde es nicht vermöchte, weshalb es auch sogleich weiter heißt: „Und Gott macht die Tiere usw.“, d. h. er erschuf sie, und zwar „aus dem Boden der Erde“. (Vgl. 2, 19). Ähnlich war es bei den Pflanzen und bei den Wassertieren und Vögeln. (V. 11 u. 20)
(2) Sie werden in drei Benennungen zusammen gefaßt: Vieh, d. i. die größeren, besonders die zahmen Tiere; kriechendes Getier, d. i. die Landreptilien, Gewürm und alle kleineren Landtiere, die ohne Füße oder fast unmerklichen Füßen sich bewegen; endlich Tiere des Feldes, d. h. Vorzugsweise die wilden Tiere, die frei in Wald und Feld umher streifen. Die Heilige Schrift will also auch hier keine „wissenschaftliche“ Einteilung der Landtiere geben, wie sie es auch bei den Pflanzen, Wassertieren und Vögeln nicht getan, sondern sie wählt drei Ausdrücke, unter die sich alle Tiere des Landes unterbringen lassen, um zu sagen, daß alle ohne Ausnahme Gott ihr Dasein verdanken.
(3) Hier folgend die drei Bezeichnungen in andrer Ordnung, woraus wir sehen, daß die Heilige Schrift auf die Reihenfolge weiter kein Gewicht legt.
(4) Man zählt jetzt etwa 2300 Arten von Säugetieren (* heute ca. 6400 Arten), wozu vielleicht an 1000 ausgestorbene Arten kommen. (** Stand: 1910)
(5) Die Segnung ist hier übergangen, weil sie nach der über die Wassertiere und Vögel ausgesprochenen selbstverständlich ist. Dagegen bei den Menschen heißt es wieder ausdrücklich: „Und Gott segnete sie und sprach: Wachset und mehret euch usw.“, weil eben der Mensch kein Tier, sondern ein ganz anderes Geschöpf ist, so daß man, obwohl er den Körper mit den Tieren gemein hat, doch nicht ohne weiteres auf ihn anwenden darf, was von den Tieren gesagt ist. Darum ist auch die Einsetzung der Ehe noch einmal ganz ausführlich erzählt. Vgl. 2, 18-24; S. Aug., De Gen. ad lit. 1. 3, c. 13.
(6) Vgl. S. Chrysost., In Gen. hom. 7, n. 5. –
aus: Schuster/Holzammer, Handbuch der Biblischen Geschichte, Bd. I, Altes Testament, 1910, S. 131 – S. 133

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