Rangstreit der Apostel und Fußwaschung Jesu

Die Fußwaschung

Der Rangstreit der Apostel und die Fußwaschung Jesu

Da entstand auch ein Wetteifer unter den Jüngern (1), wer unter ihnen wohl der Größere wäre. Jesus aber sprach zu ihnen: „Die Könige der Völker herrschen über sie, und ihre Machthaber werden Wohltäter (2) genannt. Ihr aber nicht also; sondern der Größere unter euch werde wie der Kleinere, und der Vorsteher wie der Diener (3). Denn wer ist größer, der zu Tische sitzt oder der bedient? Nicht der, welcher zu Tische sitzt? Ich aber bin in eurer Mitte wie einer, der dient. Ihr aber seid es, die ihr ausgeharrt habt mit mir in meinen Versuchungen; darum bereite ich euch, wie es mir der Vater bereitet hat, das Reich, daß ihr esset und trinket an meinem Tisch in meinem Reich und sitzt auf zwölf Thronen, zu richten die zwölf Stämme Israels.“ (4)

Nach gehaltenem Abendmahl (5), als schon der Teufel dem Judas Iskariot, Simons Sohn, ins Herz gegeben hatte, ihn zu verraten (6), und obwohl er wußte, daß der Vater ihm alles in die Hände gegeben, und daß er von Gott ausgegangen sei und zu Gott zurück kehre (7) stand er vom Mahle auf, legte seine Oberkleider ab, nahm ein linnenes Tuch und band es sich um. Dann goss er Wasser in ein Becken und fing an, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Tuch abzutrocknen, das er sich umgebunden hatte. Er kam also zu Simon Petrus (8). Petrus aber sprach zu ihm: „Herr, du willst mir die Füße waschen?“ (9) Jesus erwiderte ihm: Was ich tue, verstehst du jetzt noch nicht, wirst es aber nachher verstehen.“ (10) Petrus sprach zu ihm: „Du sollst mir die Füße nicht waschen in Ewigkeit!“ Jesus antwortete ihm: „Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Teil mit mir.“ (11) Da sagte Simon Petrus zu ihm: „Herr, nicht allein meine Füße, sondern auch die Hänge und das Haupt!“ Jesus sprach zu ihm: „Wer gewaschen ist, bedarf nicht mehr, als daß er die Füße wasche, so ist er ganz rein.“ (12) Auch ihr seid rein, aber nicht alle.“ Denn er wußte, wer ihn verraten würde, darum sagte er: „Ihr seid nicht alle rein.!“

Nachdem er nun ihre Füße gewaschen hatte, legte er seine Kleider wieder an, setzte sich wieder zu Tisch und sprach zu ihnen: „Wisset ihr, was ich euch getan habe?“ (13) Ihr nennt mich Meister und Herr, und das mit Recht; denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr einer dem anderen die Füße waschen (14); denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr einander tut, wie ich euch getan habe. Wahrlich, wahrlich, sage ich euch, der Knecht ist nicht größer als sein Herr, noch der Gesandte größer als der, der ihn gesandt hat. Wenn ihr dies wisset, selig seid ihr, wenn ihr danach tut. Ich rede nicht von euch allen (15); ich weiß, welche ich erwählt habe; aber die Schrift muß erfüllt werden: Der das Brot mit mir ißt, erhebt wider mich seine Ferse (16). Ich sage es euch schon jetzt, ehe es geschieht, damit ihr, wenn es geschehen ist, glaubt, daß ich es bin (17).

(1) So erzählt Lukas 22, 24-30 diesen Vorgang erst im Anschluß an die Ankündigung des Verrates des Judas. Wir rücken ihn schon an diese Stelle. Denn Lukas macht keine bestimmte Zeitangabe. Er bespricht zunächst die alttestamentliche vorbildliche Passah-Feier, läßt darauf die neutestamentliche Erfüllung folgen, und holt nun, wie es scheint, noch nachträglich diesen Vorgang nach, durch dessen Erzählung er die eben erwähnten beiden Hauptmomente seiner Darstellung nicht auseinander reißen wollte. Ging der Rangstreit der Fußwaschung voran, so erscheint diese selbst als eine ergreifende Predigt Jesu gegen den Ehrgeiz seiner Jünger. Nach der Fußwaschung aber, diesem wunderbaren Beispiel der Demut Jesu, und nach dem Genuss der heiligen Eucharistie dürften sich doch die Jünger schwerlich zu solchen ehrgeizigen Auseinandersetzungen haben hinreißen lassen. Daß sie es hier, an der von uns angenommenen Stelle taten, war veranlaßt durch die Worte des Herrn über das Reich Gottes. (Belser, Geschichte des Leidens… des Herrn 156f)
(2) Väter des Vaterlandes, Gnädige und dergleichen, meistens nur aus leerer Schmeichelei, um deren Eitelkeit zu befriedigen. – Die Sitte, Fürsten und andere hervorragende Männer mit dem Titel „Euergetes“ (Wohltäter) zu schmücken, war, wie wir aus Inschriften und Münzen erkennen, damals sehr verreitet. Vgl. Deißmann, Licht vom Osten, 178f.
(3) Wer im Reiche Christi ein Amt hat, soll sich als Diener seiner Untergebenen ansehen, darf es nur haben und verwalten, um ihnen zu nützen. In diesem Sinn sagt der hl. Paulus, er „habe sich zum Knecht aller gemacht“, und nennt „das bischöfliche Amt ein gutes Werk“. (1. Kor. 9,19; 1. Tim. 3,1)
(4) Trotz dieser eben erhaltenen Mahnung brauchen übrigens die Apostel nicht besorgt zu sein. Sie haben nicht nötig, um den Rang untereinander zu streiten. Für die um Jesu willen übernommenen Mühen und erduldeten Widerwärtigkeiten werden sie alle überreich belohnt werden, wie es ihnen schon früher verheißen worden war.
(5) Gemeint ist das Essen des Osterlammes und die Ostermahlzeit. Manche wollen darunter die Einsetzung des heiligsten Sakramentes verstehen, so daß die Fußwaschung erst nach dieser stattgefunden hätte, womit deren bildliche Beziehung auf die zum Empfang des Sakramentes nötige Reinheit wegfiele. Allein dies ist wenig wahrscheinlich; denn das heilige Sakrament ist vom hl. Johannes schwerlich mit dem Ausdruck „Mahl“, „Abendmahl“ bezeichnet; zudem sagt er ausdrücklich,, daß Jesus nach der Fußwaschung sich wieder zu Tische gesetzt habe. Wozu aber? Dies ersehen wir aus Lk. 22,20 und 1. Kor. 11,25, wonach die Einsetzung des allerheiligsten Sakramentes erst nach dem Abendmahl stattfand.
(6) Er kannte den Verräter und wußte, wie weit derselbe bereits gekommen war; dennoch wollte er auch ihn lieben – „bis ans Ende“, und alle Beweise seiner Liebe an ihm erschöpfen, bis der Unglückliche sich dem Satan ganz hingab. (siehe: Es war aber Satan in Judas gefahren)
(7) Im klaren Bewusstsein seiner unendlichen göttlichen Größe und Majestät verrichtet er diesen niedrigsten Knechtsdienst. (Vgl. Phil. 2,5ff)
(8) Ob er bei Petrus den Anfang machte, ist nicht gesagt, höchstens angedeutet. Manche nehmen es an, weil sicher jeder andere Apostel sich ebenfalls gesträubt und Jesus ihn dann zurechtgewiesen hätte, worauf dann Petrus schwerlich sich noch geweigert haben dürfte.
(9) Du, der Sohn des lebendigen Gottes, willst mir, deinem Geschöpf, dem armen Fischer, die Füße waschen, diesen so überaus niedrigen Dienst erweisen! Er weiß noch nicht, daß dies nur die Einleitung zu noch größeren, noch viel unbegreiflicheren Erweisen der Liebe Jesu zu den Menschen ist, daß er sogar im Begriff steht, sich bis in die arme Brotsgestalt zu erniedrigen, sich ihnen zur Speise zu geben und sein Leben unter den größten Beschimpfungen und Schmerzen für sie zu opfern. Daher zuerst die milde Mahnung, nachher die ernste Zurechtweisung von Seiten des Herrn.
(10) Ich werde es dir sogleich erklären; vgl. Joh. 13,12: „Wisset ihr“ etc. Noch mehr sollte Petrus es verstehen, wenn ihm der sinnbildliche Zusammenhang mit der alsbald folgenden Einsetzung des heiligsten Sakramentes klar würde, wonach die Fußwaschung einerseits diese äußerste Verdemütigung Jesu einleitete, andererseits den Jüngern darstellen sollte, mit welch vollkommener Reinheit der Seele sie diese himmlische Speise empfangen müßten.
(11) Wenn du dieses Sinnbild der Reinheit verschmähst, werde ich dich nicht zulassen zum Genuss meines Fleisches und Blutes; und wenn du deine eigenen menschlichen Anschauungen und dein eigenes Urteil zur Richtschnur deines Handelns machen willst, so entsagst du der Gemeinschaft mit mir. – Eine ganz ähnliche ernste Zurechtweisung erhielt Petrus, als er bei der ersten Ankündigung des Leidens Jesu dieses dem Herrn ausreden wollte. Gottes Wege sind nun einmal nicht unsere Wege und seine Gedanken nicht unsere Gedanken (Is. 55, 8 u. 9), und wenn der Mensch sie nach seinem eigenen engen Herzen und seinem beschränkten Verstand beurteilen will, so wird er sie nicht begreifen und sich der Gefahr aussetzen, den Glauben in diese göttlichen Geheimnisse und die Gemeinschaft mit Gott zu verlieren. (vgl. Sprüche 25, 27) Gott verlangt demütigen Glauben an sein Wort und kindliche Unterwerfung unter seinen Willen, und es mißfällt ihm jede Hartnäckigkeit im eigenen Urteil und jeder Ungehorsam, wenn dieselben auch aus noch so edlen Beweggründen hervorzugehen scheinen.
(12) Nach den heiligen Vätern deutet damit der Heiland an, mit welcher Reinheit man seinem heiligen Sakrament nahen soll. Wie nämlich die Füße immer staubig und schmutzig werden, namentlich wenn sie nur mit leichten Sandalen bekleidet sind, so halten sich auch die Gerechtesten im Umgang mit der Welt nicht immer ganz frei von leichten Fehlern und Unvollkommenheiten; aber auch von diesen sollen sie sich vor der heiligen Kommunion zu reinigen trachten, um mit ganz reinem Herzen Jesus zu empfangen. (Vgl. Nach Christi, 4. Buch, 11. Kap.; Nr. 6; 12. Kap., Nr. 1)
(13) Der Mahnung zur Reinheit fügt Jesus die zur Demut bei. Diese Tugend ist den Vorstehern seiner Kirche um so notwendiger, je höher ihre Würde und je größer ihre Gewalt ist. Sie ist nötig, um die Gnade Gottes sowie den Gehorsam gegen die Vorgesetzten und die Einigkeit und Liebe aller untereinander zu ermöglichen, zu bewahren und zu heiligen. – Zur Erinnerung an diese Verdemütigung des Heilandes und die Mahnung, die er daran knüpfte, hat die Kirche die Zeremonie der Fußwaschung am Gründonnerstag. Der Papst, Äbte und und andere geistliche Vorgesetzte vollziehen sie an zwölf Geistlichen oder armen alten Männern. Auch manche katholische Fürsten (München, Wien, Madrid) üben diese fromme Sitte. Manchmal ist sie auch durch andere Verrichtungen der Demut und Liebe ersetzt.
(14) d. h. selbstverleugnende Nächstenliebe üben.
(15) Den Judas schließt Jesus von der Seligkeit aus, die er seinen treuen Aposteln verheißt; ja er erklärt bald nachher, daß es dem Unseligen besser wäre, gar nicht geboren zu sein. (Mt. 26,24)
(16) Vgl. Psalm 40,10. David spricht hier von einem Menschen, der ihm die größten Wohltaten mit dem schändlichsten Verrat vergolten, vielleicht von Achitophel; aber er ist in seinen Lebensschicksalen und besonders in seinen Leiden ein von Gott bestimmtes Vorbild des Messias.
(17) Daß ich das bin, was ich euch so oft gesagt habe, nämlich der wahre Sohn Gottes, der allwissende Gott selbst, daß ich sonach freiwillig all diese Erniedrigungen und Leiden auf mich genommen habe. –
aus: Schuster/Holzammer, Handbuch der Biblischen Geschichte, Bd. II, Neues Testament, 1910, S. 441 – S. 444

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