Der Verrat Jesu durch Judas Iskariot
Der Weggang des Verräters Judas Iskariot
Jesus ward im Geist betrübt und bezeugte und sprach: „Wahrlich, wahrlich, sage ich euch, einer von euch wird mich verraten!“ Da wurden die Jünger sehr traurig, sahen einander an und waren ungewiß, von wem er redete; und einer um den anderen fragt: „Bin ich es Herr?“ Er aber sprach: „Einer von den Zwölfen, der die Hand mit mir in die Schüssel tunkt (2), wird mich verraten. Der Menschensohn geht zwar hin, wie von ihm geschrieben steht (3); wehe aber jenem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird; es wäre ihm besser, wenn er nicht geboren wäre!“ (4) Einer der Jünger, den Jesus lieb hatte, (5), lag zu Tisch im Schoß Jesu (6). Diesem nun winkte Simon Petrus (7) zu und sprach zu ihm: „Wer ist`s, von dem er redet?“ Jener lehnte sich an die Brust Jesu und fragte: „Herr, wer ist`s?“ Jesus antwortete: „Der ist es, dem ich das Brot, das ich eintunke (8), reichen werde.“ Und er tunkte das Brot ein und gab es dem Judas Iskariot, Simons Sohn. Nach dem Bissen fuhr der Satan in ihn (9). Er fragte noch: „Bin ich es, Meister?“ Jesus erwiderte ihm: „Du hast es gesagt! Was du tun willst, tue bald!“ (10) Keiner der Anwesenden verstand, warum er ihm dies sagte (11) Einige meinten, weil Judas den Geldbeutel hatte, habe Jesus ihm aufgetragen, das für das Fest Nötige zu kaufen oder den Armen etwas zu gebe (12).Da nun Judas den Bissen genommen, ging er sogleich hinaus; es war aber Nacht.
Nachdem er weggegangen war, sprach Jesus: „Nun ist der Menschensohn verherrlicht, und Gott ist in ihm verherrlicht! (13) Wenn Gott in ihm verherrlicht worden ist, so wird Gott ihn auch in sich selbst (14) verherrlichen, und er wird ihn alsbald verherrlichen!“
(1) Ob der Weggang des Verräters vor oder nach dem eucharistischen Mahl erfolgte, ob also Judas das heiligste Sakrament noch empfangen hat, ist eine alte Streitfrage. Viele Väter und Exegeten nehmen an, daß Judas das heiligste Sakrament noch mit empfangen, dadurch seine Verstockung besiegelt habe und zur abschreckenden Warnung vor dem unwürdigen Empfang des allerheiligsten Sakramentes geworden sei. Andere – so die Apostolischen Konstitutionen 5, 14 und der älteste syrische Kirchenvater Aphrates um 340 n. Chr. In der 12. Homilie (deutsch v. G. Bert (TU III), Leipzig 1888) – verneinen dies. Letzteres dürfte das Richtige sein. Matthäus und Markus nämlich setzen die Ankündigung des Verrates vor die Einsetzung des heiligen Abendmahles; Lukas aber hält gerade an dieser Stelle die Zeitfolge nicht ein. (siehe Rangstreit der Apostel Anmerkung 1) Auch Johannes reiht gleich an die Szene der Fußwaschung die Ankündigung des Verrates, die Frage des Petrus über den Verräter, dann dessen Weggang.
(2) Einer meiner Tischgenossen, einer meiner nächsten Vertrauten. (Ps. 40,10)
(3) Für den Menschensohn wird dieser Verrat nur die Erfüllung einer der Weissagungen sein, die sich auf die Umstände seines Leidens und Todes beziehen (vgl. Ps. 21; Is. 53; Zach. 11,12ff etc.); das ändert aber nichts daran, daß der Verrat selbst das Werk einer freiwilligen, schändlichen und darum furchtbaren Strafe würdigen Bosheit ist. Selbst diese schreckliche Drohung prallte an dem steinharten Herzen des Verstockten ab! (siehe: Es war aber Satan in Judas gefahren)
(4) Für ihn, den unglückseligen Verräter, wäre die Vernichtung ein geringeres Übel als die ewige Verdammnis. (Vgl. den verzweifelten Ruf der Verdammten: „Ihr Berge, fallet über uns etc.“ Offb. 6,16; vgl. 9,6) Ebenso ist aber auch die Erlösung ein größeres Gut für uns Menschen als die Erschaffung.
(5) Joh. 13,21ff. Johannes, den Jesus wegen seiner vorzüglichen jungfräulichen Reinheit besonders liebte; der ihm auch bis unter das Kreuz folgte, dem er sterbend seine jungfräuliche Mutter empfahl. (Vgl. Joh. 19,26; 20,2; 21, 7 u. 20) Wie schon gleich anfangs bei der Berufung, so will Johannes noch weniger hier bei diesen Bevorzugungen seinen Namen nennen.
(6) Er lag vor Jesus, mit dem Oberkörper seiner Brust zugekehrt. (*)
(7) Der auf der anderen Seite Jesu, also hinter ihm, zu Tisch lag. Offenbar getraute er sich nicht, selbst den Herrn zu fragen, der sich in diesem Fall nach ihm hätte umwenden müssen.
(8) Es war Sitte, daß der Hausvater am Schluß der Mahlzeit noch einen Bissen reichte; durch dessen Eintauchung und Überreichung bedeutete der Vorsitzende des Passah-Mahles den Teilnehmern oder einem derselben, daß für sie (bzw. ihn) das Passah-Mahl vorschriftsmäßig geschlossen und das Aufstehen und Weggehen gestattet sei.
(9) Schon vorher hatte ihm der Satan das schwarze Vorhaben eingegeben (siehe „Es war aber Satan…), jetzt aber, nachdem der Unglückliche noch die höchsten Erweise der Liebe Jesu mißbraucht und gegen die eindringlichen Mahnungen sich verstockt hatte, nahm ihn der Satan völlig in Besitz. Durch seine heuchlerische Frage sucht er sich noch einen Augenblick gegen den erwachenden Argwohn der anderen Jünger zu schützen, und dann eilt er sogleich, ehe diese, namentlich Johannes und Petrus, sich besinnen und einen Entschluß fassen konnten, hinaus in die finstere Nacht, dieses Abbild seiner von der Gnade Gottes verlassenen, vom Fürsten der Finsternis in Besitz genommenen Seele. (Vgl. Röm. 13,12; 1. Thess. 5, 5 u. 7)
(10) Kein Befehl an Judas, sondern der Ausdruck der göttlichen Zulassung sowie der Bereitwilligkeit Jesu, sein Leiden zu beginnen.
(11) Wie es bei größeren Tischgesellschaften zu geschehen pflegt, verstanden nicht alle alles, was gesprochen wurde; über dies hatte der Heiland das, was sich auf den Verräter bezog, sowohl zu diesem als zu Johannes absichtlich so leide gesprochen, daß es von den anderen nicht verstanden wurde.
(12) Selbst Johannes mochte das im Augenblick noch so nehmen und den Verrat, wenn auch nach dem Ausspruch Jesu für sicher, doch nicht für so unmittelbar bevorstehend halten.
(13) Der Weggang des Judas bildet die Einleitung des ganzen bitteren Leidens, durch das Gott auf das höchste verherrlicht wurde, und dieses Leiden sollte der heiligen Menschheit Jesu die Herrlichkeit verdienen, die er seiner Gottheit nach von Ewigkeit her beim Vater hatte, und die auch seiner heiligen Menschheit schon infolge der Vereinigung mit der Gottheit gebührte.
(14) In seiner Gottheit, auf göttliche Weise eben durch die Mitteilung dieser Herrlichkeit in der Auferstehung, Himmelfahrt etc. –
aus: Schuster/Holzammer, Handbuch der Biblischen Geschichte, Bd. II, Neues Testament, 1910, S. 456 – S. 458
Bei feierlichen Gastmählern lag man zu Tisch auf Polstern, derart, daß das Haupt dem Tisch zugewendet, die Füße nach auswärts oder rückwärts gekehrt waren (siehe Bilder). Die Füße waren bloß, da man die Sandalen oder Schuhe vor dem Eintritt in das Zimmer ablegte.