Geißelung unseres Herrn Jesus Christus

Das Leben und Leiden und der Tod am Kreuz, das kostbarste Blut Jesu am Kreuz vergossen; Jesus hängt, halb nackt und mit einer Dornenkrone "geschmückt", mit ausgebreiteten Armen am Kreuz, geschunden durch die Marter der Geißelung und der Wunden, und verspottet

Das Leben und Leiden und der Tod Jesu

Die Geißelung unseres Herrn Jesus Christus

Joh. 19,1. Da ließ Pilatus Jesum nehmen und geißeln.

Mark. 15,15. Da nun Pilatus dem Volk willfahren wollte, gab er ihnen den Barrabas los, Jesum aber übergab er, nachdem er ihn hatte geißeln lassen, zur Kreuzigung.

Matth. 27,26. Alsdann gab Pilatus den Juden den Barrabas los: Jesum aber, nachdem er ihn hatte geißeln lassen, übergab er ihnen, auf daß er gekreuzigt würde.

So kam es denn zur Geißelung.

Die Strafe der Geißelung

Im allgemeinen ist die Strafe der Geißelung äußerst hart und schrecklich. Sie ist ein Hauptgeheimnis im Leiden Christi, und deshalb nennt sie auch gewöhnlich der Heiland bei der Vorhersagung seines Leidens (Matth. 20,19; Mark. 10,34; Luk. 18,33).

Hart und schrecklich war die Strafe erstens wegen der Entehrung und Schande. Ganz gemeine und schlechte Menschen, Sklaven, Raubmörder und Tiere werden gepeitscht. Bei diesen muss die Peitsche den Verstand, bei jenen das Gewissen ersetzen. Wen die Geißel einmal berührt hatte, der war für immer entehrt, zu Grunde gerichtet und gebrandmarkt. Deswegen ließ auch der hl. Paulus die Geißelung von Seiten der Römer sich nicht gefallen (Apg. 22,25). Entehrend war die Geißelung auch wegen der Entblößung, die aber gewöhnlich bloß bis auf die Hüfte ging. –

Zweitens war die Geißelung schrecklich wegen des Schmerzes und der Qual. Gegeißelt wurde entweder mit Ulmenstäben oder mit Ruten (Apg. 16,22; 2. Kor. 11,25) oder mit Geißeln, die aus Lederriemen geflochten, oft mit kleinen Haken, Klauen, Sternen, Knochen- und Holzstückchen besetzt waren. Letzteres war das Ärgste. Die Wirkungen dieser verschiedenen Geißelungs-Arten heißen in klassischen Ausdrücken: hauen, schneiden, zerfetzen, kneten, zermalmen. – Dem Zweck nach trat die Geißelung auf entweder als einfaches Zuchtmittel und eine selbständige Strafe (Luk. 23,16 u.22), oder als Zubehör der Kreuzigungsstrafe und war dann so gleichsam die Einleitung und furchtbare Vorrede zur Kreuzigung, oder endlich als Tortur zur Erzwingung eines Geständnisses. Die Geißelung des Heilandes kann im ersten oder zweiten Sinne genommen werden. Bei der Geißelung als Tortur war keine Dauer vorgeschrieben, die rohesten Mißhandlungen waren nicht ausgeschlossen, sie waren Mittel zum Zweck. Außer der Tortur durfte die Zahl der Schläge nicht vierzig übersteigen (Deut. 25,3). Bei den Römern waren sechsundsechzig gestattet. Schon an dieser geringen Zahl von Streichen starben manche oder blieben gebrochen für ihr Leben lang. Der Ort der Geißelung war entweder geheim oder öffentlich. Hier scheint sie auf dem Marktplatz vorgenommen worden zu sein (Matth. 27,27; Mark. 15,16). Die Geißelsäule war entweder von Halbmannshöhe, und der Schuldige musste über dieselbe gebeugt den Rücken den Streichen preisgeben (Deut. 25,2), oder sie war eine hohe Säule, an welcher der Sträfling an den Händen aufgezogen wurde, so daß nur die Fußspitzen den Boden berührten. Beim Heiland scheint es eine Säule letzterer Art gewesen zu sein, so daß er förmlich an derselben hing und an dieselbe gefesselt war. – Gewöhnlich vollzogen vier Soldaten die Geißelung. Aus all dem geht hervor, daß die Geißelstrafe eine höchst martervolle war.

Bei der Geißelung des Heilandes fanden sich über des noch Umstände, die sie noch qualvoller machten. Vor allem war es die schreiende Ungerechtigkeit, welche die Strafe verbitterte. – Dann war der Zweck des Pilatus, durch die Geißelung den Juden Mitleid einzuflößen mit dem Heiland; deshalb trennte er die Geißelung von der Kreuzigung und sie wahrscheinlich auf dem Marktplatz vor seinem Palast vornehmen. Vielleicht war diese Absicht des Pilatus auch ein Anlaß, die Geißelung mit erhöhter Schärfe und Grausamkeit einer Tortur annahm. – Endlich kam dazu die außerordentliche Zartheit und Feinheit der Leibesbeschaffenheit des Heilandes. Es ist ja bezüglich des Schmerzes sicher ein Unterschied, wie die Leibesbeschaffenheit ist und ob die Lebensgewohnheit und Beschäftigung den Leib durch große Abhärtung gegen die Empfindung des Schmerzes gestählt und abgehärtet, oder nicht.

Jesus halbnackt gefesselt an der Geißelsäule stehend, wird von drei seiner Peiniger gleichzeitig mit Geißeln geschlagen, während andere Peiniger sich erfrischen und ausruhen; sie werden dann ihre Kameraden ablösen , um den Heiland weiter zu geißeln

Die Ausführung der Geißelung

Man kann leicht denken, mit welchen Gefühlen des natürlichen Schauderns und Schreckens der arme Heiland an die fürchterliche Geißelsäule trat, und welche Pein für seine Schamhaftigkeit auch nur die bescheidene Entblößung war. Es wurden dann seine Handgelenke in Stricke gelegt, das Antlitz gegen die Säule gekehrt, der Leib aufgezogen und festgebunden. – Und nun fallen die Schläge der Ruten oder Geißeln wuchtig und zischend auf Rücken und Schulter. Das Fleisch flammt auf und schwillt; Striemen, rot und braun, laufen auf. Die Haut springt erst in zarten Rissen, dann öffnen sich ganze Furchen, immer tiefer und länger, das Fleisch löst sich und die Streiche treffen die Knochen und Gebeine. Das Blut dringt hervor, es rieselt bald in Bächlein und dringt weiter in Strömen, bis der ganze Leib darin gebadet ist, bis es im schmutzigen Platzraum umher spritzt und um die Säule Lachen bildet. Und der Schmerz! Erst breit und dumpf und zermalmend, dann spitz und durchbohrend dringt er wie Feuer und Salz ein, wütet in den Gliedern und bohrt stechend sich in die Seele ein und preßt Tränen aus dem Auge und leises Wimmern und Seufzer aus dem Munde. Ach, wie mag dieses Herz zum Himmel geschrien und dies Auge zum Vater im Himmel geblickt und gefleht haben! Aber es geht fort mit Schlägen, mit Wunden, Blut und brennendem Schmerz, bis das arme Opfer unter der Qual zu erliegen droht.
Man band den Heiland los und wahrscheinlich fiel er an der Geißelsäule zu Boden, und nun betrachte, wie er daliegt in seinem Blut, betäubt von Schmerzen, wie ein zertretener und zerriebener Wurm. Welch ein Zustand, gebettet auf hartem Boden, ohne Hilfe, Erleichterung und liebende Pflege! Mühsam muss er seine Gewandstücke zusammen raffen und sie umlegen auf die zerrissenen Schultern und Hüften. Keine Hand rührt sich. Wo, kann man fragen, wo waren sie denn alle, die ihn in besseren Tagen gesehen, geehrt und geliebt, die ihm gefolgt; alle, denen er Gesundheit, Trost und Leben gespendet? Wo ist Lazarus, Petrus, Magdalena, Johannes? Gibt es denn keinen Balsam, kein Öl und keine Leinwand für seine Wunden im Land, das von Öl und Balsam fließt? Keine Hand, die hilft, kein Auge, das Mitleid hat? Wie viele sahen ihn und kannten ihn wohl und schämten sich seiner, und wie manche höhnten ihn noch in seinem Schmerz! Armer Heiland, stirb! Was willst du noch? Du darfst dein Haupt nicht mehr erheben unter deinem Volk; du bist entehrt und zu Grunde gerichtet! Wie sind nun die Prophezeiungen erfüllt! Wirklich, „die Sünder haben auf meinem Rücken gearbeitet, und Furchen haben sie gezogen, lange und breite in meinem Fleisch“ (Ps. 128,3). „Er hat wirklich keine Gestalt und keine Schöne mehr…, verachtet ist er, der letzte der Männer, der Mann der Schmerzen, wie verhüllt ist sein Antlitz… Er hat unsere Krankheiten getragen und unsere Schmerzen gelitten; für einen Aussätzigen haben wir ihn gehalten, wie einen, den Gott geschlagen“ (Is. 53,1-4).

Die Absichten des Heilandes bei diesem gräßlichen Leiden

Dieses schreckliche Leiden litt der Heiland mit herrlichem innerem Geist. Er war von seinem äußeren Leiden nicht so hingenommen, daß er es nicht mit den erhabensten Tugendakten begleitete. Er litt vor allem die Geißelung mit himmlischer Geduld und mit stetem Aufblick und mit Erhebung seines Herzens zu Gott; er litt mit bewunderungswürdiger Liebe gegen alle, selbst gegen seine Peiniger Pilatus und die Juden.
Die Absichten des Heilandes bei diesem gräßlichen Leiden sind unschwer zu erkennen. Es ist die Geißelung vornehmlich ein körperliches, sinnliches Leiden, ein Leiden des Tastsinnes. Wer sieht nicht, daß er mit diesem Leiden vor allem Genugtuung leisten und die Strafen auf sich nehmen wollte für die Sünden des Fleisches? Waren es doch fleischliche Verirrungen, die nach dem Gesetz durch Peitschen bestraft wurden (Lev. 19,20). Wer dieser Sünde gefrönt hat, der spiegle sich am gegeißelten, zerfleischten Heiland und seinen blutenden Wunden und frage sich ernst, warum er diese unerträgliche Leibespein über sich hat ergehen lassen, und wie viele Schmerzen ihm die Geißeln angetan. Es darf aber niemand beim Anblick dieses schrecklichen Leidens verzweifelnd den Mut sinken lassen. Es ist da überfließende Genugtuung und Gnade zur Besserung, und die rührendste Liebe bietet sie uns dar.
Der Heiland wollte ferner in diesem Leiden uns ein Beispiel geben, wie wir unseren Leib behandeln und im Dienst Gottes gebrauchen müssen. Sollte es ihm im Dienst der höchsten Majestät auch seine Schönheit, sein Wohlsein und seine Kraft kosten, betrachten wir, wie der Heiland seinen Leib mit allen Gütern zum Opfer bringt. Welch rohen Kräften gibt er ihn hin! Welch schreckliche Werkzeuge zerarbeiten ihn! Und doch wie rein, wie edel, wie schön und hochgeboren und gnadenwirkend war er! Unser Leib hält in keinen dieser Beziehungen den Vergleich aus. Deshalb bringen wir ihn Gott zum wohlgefälligen und heiligen Opfer dar durch Arbeit, Mühe und Leiden bis zum Tode. –
aus: Moritz Meschler SJ, Das Leben unseres Herrn Jesu Christi des Sohnes Gottes in Betrachtungen Zweiter Band, 1912, S. 363 – S. 365

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