Todesangst Jesu im Garten Gethsemani

Jesus kniet im Ölgarten, ein Engel reicht ihm den Kelch, im Vordergrund liegen die drei Jünger und schlafen

Die Todesangst Jesu im Garten Gethsemani

Der Garten Gethsemani in Jerusalem: ein eingezäunter Garten mit Blumenrabatten; dahinter weitere Gärten sowie im Hintergrund hügeliges Land

Nach dieser Rede (1) begab sich Jesus über den Bach Cedron (2) und ging seiner Gewohnheit nach an den Ölberg, und seine Jünger folgten ihm. Dort kam er zu einem Meierhof, der Gethsemani hieß, woselbst ein Garten war, in den er mit seinen Jüngern eintrat. Es wußte aber auch Judas, der ihn verriet, den Ort; denn Jesus war oft mit seinen Jüngern dahin gekommen. (3) Beim Eintritt in den Garten sprach Jesus zu seinen Jüngern: „Setzet euch nieder, während ich dorthin gehe und bete!“ Dann nahm er den Petrus, Jakobus und Johannes (4) mit sich und fing an, sich zu betrüben, zu ängstigen und zu entsetzen (5); und er sprach zu ihnen: „Meine Seele ist betrübt bis in den Tod. (6) Bleibet hier und wachet und betet mit mir.“ (7)
Dann ging er einen Steinwurf weit vorwärts, fiel zur Erde nieder auf sein Angesicht und betete: „Mein Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelche an mir vorüber! Abba, mein Vater! Alles ist dir möglich; nimm diesen Kelch von mir; doch nicht mein Wille geschehe, sondern der deine!“ (8) Dann ging er zu seinen Jüngern, und da er sie schlafend fand, sprach er zu Petrus (9): Simon, du schläfst? So konntet ihr nicht eine Stunde mit mir wachen? Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet! (10) Der Geist ist zwar willig, aber das Fleisch ist schwach.“ (11)
Und er ging zum zweiten Mal hin und betete: „Mein Vater, wenn dieser Kelch nicht an mir vorüber gehen kann, ohne daß ich ihn trinke, so geschehe dein Wille!“ Dann ging er wieder zu seinen Jüngern und fand sie schlafend; denn ihre Augen waren beschwert, und sie wußten nicht, was sie ihm antworten sollten.
Da verließ er sie, ging wieder hin und betete zum dritten Mal dasselbe Gebet. Da erschien ihm ein Engel vom Himmel und stärkte ihn (12), und da Todesangst (13) über ihn kam, betete er inständiger; und sein Schweiß ward wie Blutstropfen, die zur Erde nieder rannen (14). Als er sich vom Gebet erhob und zum dritten Mal zu seinen Jüngern kam, fand er sie schlafend vor Traurigkeit (15); und er sprach zu ihnen: „Schlafet nun und ruhet. – Es ist genug! Siehe, die Stunde ist gekommen, da der Menschensohn in die Hände der Sünder überliefert wird. Stehet auf, lasset uns gehen; siehe, mein Verräter naht!“

(1) Und nachdem Jesus mit seinen Jüngern den Hymnus, das Schlussgebet (vielleicht das große Hallel, d.i. Ps. 135 oder die Gruppe Ps. 119-135), gebetet hatte (Mk. 14,26). Es mochte gegen 10 Uhr nachts sein.
(2) Einst ging David, das Vorbild Christi, weinend barfuß über den Bach, den Ölberg hinan.
(3) Nämlich zum Gebet während der Nacht. Jesus unterließ dieses auch jetzt nicht und wich dem Verräter nicht aus; denn die vom Vater bestimmte Stunde des Leidens war gekommen, und der Heiland ging freiwillig dem Kampf entgegen.
(4) Die Zeugen seiner Verklärung sollten auch die nächsten Zeugen seiner tiefsten Erniedrigung und seines Kampfes sein.
(5) Da Jesus nicht nur wahrer Gott, sondern auch wahrer Mensch war, so konnte er auch den Empfindungen der Angst, Traurigkeit etc. zugänglich sein. Aber ob und wie weit dies wirklich geschehe, hing ganz von seinem Willen ab. „Er ward geopfert, weil er selbst wollte“ (Is. 53,7); er litt alles, was über ihn kam, nicht weil er musste, sondern weil er wollte; so diese Angst und Traurigkeit, die Todesangst, den blutigen Schweiß etc.; und gerade, um dies alles leiden zu können für unsere Erlösung, war er Mensch geworden. Darum liegt auch in der Todesangst Jesu durchaus keine feige Schwäche von seiner Seite, sondern eine erschütternde Wahrheit, die Wahrheit seiner menschlichen Natur, die Wahrheit seiner namenlosen Leiden zur Sühne für unsere Sünden. Insbesondere wollte Jesus hier am Ölberg das ganze Leiden, das nun von außen über ihn kommen sollte, innerlich durchkämpfen und nach seiner ganzen Bitterkeit auf einmal kosten, um uns zu zeigen, wie gern er es aus Liebe zu uns übernehme, und um uns zu belehren, wie wir dem Leiden und den Seelenkämpfen entgegen gehen und im Gebet die nötige Stärke suchen sollen. Hier überblickte er mit seiner göttlichen Allwissenheit sein ganzes Leiden in all seinen schrecklichen Einzelheiten und ließ es ungehindert auf seine Seele einwirken, so daß er es, ganz in einen Augenblick zusammen gedrängt, voraus litt. Hier lastete auf ihm das Bewusstsein der ganzen Sündenschuld der Menschheit, die nun seine eigene geworden war, von der ersten Sünde Adams bis zur letzten, die am Ende der Zeiten begangen werden wird. Hier ließ er es zu, daß auch der Versucher sich ihm wieder nahte, um ihm alles vorzustellen, was eine Seele erschrecken und entmutigen konnte. Denn im Ölgarten wollte Jesus im siegreichen Kampf denjenigen überwinden, der im Garten des Paradieses im Stammvater die ganze Menschheit überwunden und sich unterworfen hatte.
(6) D. i. meine Seele ist so von Traurigkeit erfüllt, wie sie einer empfindet, der mit dem Tode ringt.
(7) Der Herr der Welt sucht Hilfe und Trost bei seinen Geschöpfen, und es erfüllt sich das Wort Davids: „Der Schmach ist gewärtig mein Herz und des Elends; ich warte, ob einer traure mit mir, und es ist keiner; ob einer tröste, und ich finde niemand. (Ps. 68,21)
(8) Mit der vollkommensten Ergebung ist die schmerzliche Empfindung des Leidens und selbst die Bitte um Befreiung wohl vereinbar. Nicht Unempfindlichkeit, sondern Ergebung in den Willen Gottes macht das Wesen der Geduld aus; und gerade je tiefer man das Leiden empfindet, um so herrlicher kann in dieser Ergebung die Geduld erglänzen. Frömmeres und heiligeres Gebet als das: „Nicht mein Wille geschehe, sondern der deine“, kann man nicht beten.
(9) Er war das Haupt der übrigen und hatte noch besondere Versicherungen der Treue und Standhaftigkeit gegeben. – Jesus, der gute Hirt, sieht die Seinen in Gefahr; seine eigene Not hindert ihn nicht, liebevoll nach ihnen zu sehen und sie zu warnen und zu stärken.
(10) Eigentlich: „damit ihr nicht eingeht in die Versuchung“, derselben nicht unterliegt. Die tiefste Erniedrigung Jesu, seine Ohnmacht, all die Schmach und all das bittere Leiden war eine schwere Prüfung des Glaubens und der Standhaftigkeit der Jünger. Ganz ähnlich ist es mit der Kirche, der Braut Christi, in Zeiten der Verfolgung und Erniedrigung; darum gilt denn auch hier die Mahnung: „Wachet und betet!“ – Hätten die Apostel die Mahnung befolgt, so würden sie schwerlich sich alle noch in dieser Nacht an Jesus geärgert, und Petrus würde seinen Herrn und Meister nicht verleugnet haben. Noch 30 Jahre später schreibt der hl. Petrus in lebendiger und schmerzlicher Erinnerung den Christen: „Seid klug und wachsam im Gebet“; und „Seid nüchtern und wachet; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingen könne.“ (1. Petr. 4,7; 5,8)
(11) Wer wie die Apostel und namentlich Petrus seiner Liebe zu Jesus sich bewußt und fest entschlossen ist, mutig zu kämpfen, läßt leicht unbeachtet einmal, daß vom guten Willen noch weit ist zum guten Werk, und daß mancher mutige Entschluss, außer dem Bereich des Feindes oder der Gefahr gefaßt, hinfällig wird, sobald diese da sind, – und das ist die Schwäche des Fleisches im Gegensatz zur Willigkeit des Geistes; sodann, daß „Gott es ist, der in uns sowohl das Wollen als das Vollbringen wirkt“ (Phil. 2,13), daß man also in keiner Weise auf seine eigenen guten Entschlüsse vertrauen dürfe, vielmehr in inständigem Gebet Gott anrufen müsse, er, der den guten Willen verliehen, möge auch die Gnade geben, ihn zu vollbringen.
(12) Lk. 22,43f. Er ermutigte ihn und richtete ihn auf durch den Hinweis auf den Ratschluss seines himmlischen Vaters und auf die herrlichen Früchte seines bitteren Leidens, nämlich die höchste Verherrlichung Gottes, die Erlösung der sündigen Menschheit, die Heiligung zahlloser Seelen, deren zarte und innige Liebe zu Gott und ihrem Erlöser und ewige Herrlichkeit im Himmel. Jesus wußte das alles auch ohne den Engel. Daß er aber durch diesen sich also stärken ließ, zeigt uns einerseits, wie sehr er im Leiden die Hilfe seiner Gottheit von seiner Menschheit zurück zog, und wie vollkommen er diese die ganze Fülle und Bitterkeit des Leidens empfinden ließ; andererseits wollte er uns belehren, wie auch wir kämpfen und ringen sollen, und welcher Hilfe wir uns versichert halten dürfen. Auch wollte er hier, wie einst nach der Versuchung in der Wüste, sich so weit verdemütigen, daß er die Hilfe seiner Geschöpfe annahm.
(13) Die jetzt unzweifelhafte und vollkommene Übernahme aller nun folgenden schrecklichen Leiden erfüllte seine heilige Menschheit mit namenloser Angst, so daß nicht bloß, wie dies sonst gewöhnlich geschieht, Angstschweiß den Körper bedeckte, sondern daß auch das Blut in heftiger Wallung die Blutgefäße durchbrach und durch die Schweißdrüsen gleichzeitig mit dem Schweiß auf die Haut hervortrat, und zwar so reichlich, daß es in dicken Tropfen auf die Erde nieder floß. Manche wollten hierin etwas ganz Außerordentliches und Wunderbares erblicken, und es ist dies insofern richtig, als das ganze Leiden und Sterben des Sohnes Gottesetwas ganz Außerordentliches und Wunderbares ist, somit auch diese Äußerung der inneren Empfindung dieses Leidens. Im übrigen bezeugen ältere und neuere Ärzte, daß solch blutiger Schweiß infolge höchster Erregung und Angst wirklich vorkomme. (Vgl. Langen, Die letzten Lebenstage Jesu, Freiburg 1864, 314) Wir ersehen daraus, wie unbeschreiblich tief und schmerzlich Jesus sein Leiden empfand, und wie furchtbar es gewesen sein muss, da die bloße Vorstellung desselben solche Wirkung übte. Er suchte Trost und Stärke im Gebet.
(14) Die Worte „da erschien ihm ein Engel… zur Erde nieder rannen“ (Lk. 22,43f) stehen in einer Anzahl (auch guter) Handschriften nicht, weshalb einige protestantische Textkritiker ihre Echtheit bezweifeln. Allein auf Grund der größeren Zahl der Handschriften, alter Übersetzungen, der Väterzeugnisse schon des 2. Jahrhunderts ist die Echtheit der Stelle festzuhalten. Eine spätere Einschiebung der Verse ist nicht wohl zu erklären; dagegen erklärt sich ihre Weglassung leicht aus der Besorgnis, es möchte ihr Inhalt von Irrlehrern, namentlich von den Arianern, zur Leugnung der göttlichen Natur Christi benutzt werden… Die kanonische Geltung der beiden Verse steht für den Katholiken durch die Entscheidung des Konzils von Trient fest.
(15) Große Traurigkeit und die daraus entstehende Aufregung des Gemütes hat eine Erschlaffung der Nerven zur Folge, die sich in Schläfrigkeit äußert. –
aus: Schuster/Holzammer, Handbuch der Biblischen Geschichte, Bd. II, Neues Testament, 1910, S. 479 – S. 483

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