Die sieben Worte Jesu Christi am Kreuz – Heute wirst du mit mir im Paradiese sein
Erklärung des zweiten Wortes: „Wahrlich sage ich dir, heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“
VII. Hauptstück – Dritte Lehre aus dem zweiten Wort – Niemand kann dem Kreuz entfliehen
Die dritte Nutzanwendung aus diesem Wort des Herrn kann man ziehen, wenn man beachtet, dass an demselben Ort und zu derselben Stunde drei gekreuzigt wurden; der eine war unschuldig, nämlich Christus; der andere reuig, der gebesserte Missetäter; der dritte in der Sünde verhärtet, der ungebesserte Missetäter. Oder wenn man lieber will, dass drei zu gleicher Zeit am Kreuz hingen; Christus, von jeher und in ausgezeichnetem Grad heilig; der eine Missetäter, der immer und in ausgezeichnetem Grad ruchlos war; der andere, welcher bald lasterhaft, bald gut war.
Daraus können wir abnehmen, dass in diesem Leben niemand ohne Kreuz leben könne, und dass sich jene umsonst bestreben, welche dem Kreuz ganz entfliehen zu können glauben, dass jene hingegen weise seien, die aus der Hand des Herrn ihr Kreuz annehmen und es bis zum Tode nicht nur mit Geduld, sondern auch gerne tragen. Dass alle Guten ihr Kreuz haben, kann man aus den Worten des Herrn abnehmen (Matth. 16, 24):
Wer mir nachfolgen will, spricht er, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach; und an einer anderen Stelle (Luk. 14, 27): Wer sein Kreuz nicht trägt und mir nicht nachfolgt, kann mein Jünger nicht sein. Dasselbe lehrt der Apostel deutlich, wenn er spricht (2. Tim. 3, 12): Alle, die in Christo Jesu gottselig leben wollen, werden Verfolgung leiden, womit auch die heiligen Väter sowohl der lateinischen als griechischen Kirche übereinstimmen, aus denen wir der Kürze wegen nur zwei anführen wollen.
Die Plage
Der heilige Augustin sagt in seiner Auslegung der Psalmen (ad Ps. 137) Jenes kurze Leben ist eine Plage; wenn es keine Plage ist, so ist es keine Pilgerschaft; wenn es aber eine ist, so liebst du entweder dein Vaterland nicht gar sehr, oder du hast ohne Zweifel eine Plage; und an einer anderen Stelle (ad Ps. 11): Wenn du noch keine Plage zu haben glaubst, so hast du noch nicht angefangen, ein Christ zu sein.
Der heil. Johannes Chrysostomus spricht in einer Homilie an das Volk zu Antiochia folgendermaßen (Hom. 97): Die Plage ist ein von dem Leben eines Christen untrennbares Band. Derselbe Kirchenlehrer sagt (Hom. 29. über den Brief an die Hebräer): Man kann nicht sagen, dass jemand gerecht seid, der ohne Plage ist. Dasselbe können nämlich nicht nebeneinander ohne gegenseitigen Widerstreit sein.
So lange Feuer und Wasser voneinander entfernt sind, verhalten sie sich ganz ruhig, wenn sie aber an einer Stelle zusammenkommen, so fängt das Wasser sogleich zu dämpfen, zu sprudeln und zu wallen an, bis entweder das Wasser aufgezehrt, oder das Feuer ausgelöscht ist (Eccles. 33, 15) Dem Bösen ist das Gute entgegengesetzt, sagt der Ecclesiastikus, und dem Tode das Leben; und ebenso dem Gerechten der Sünder. Die Gerechten gleichen dem Feuer, sie leuchten, brennen, steigen in die Höhe, sind immer tätig und tun alles, was sie nur immer unternehmen, mit Erfolg. Die Sünder hingegen gleichen dem Wasser, sie sind kalt, schleichen auf der Erde hin und lassen überall Kot zurück.
Wie darf man sich also wundern, wenn alle Guten von den Bösen Verfolgung zu leiden haben? Weil aber bis ans Ende der Welt Weizen und Unkraut auf demselben Acker, Spreu und Getreide auf derselben Tenne, gute und schlechte Fische in demselben Netz, das ist, gute und schlechte Menschen nicht nur auf derselben Welt, sondern sogar in derselben Kirche vermischt sein werden, so müssen notwendig die guten und heiligen Männer von den Gottlosen und Lasterhaften Verfolgung erleiden.
Die Gottlosen leben auch nicht ohne Kreuz
Allein auch die Gottlosen leben in dieser Welt nicht ohne Kreuz. Denn obgleich die Bösen von den Guten keine Verfolgung erdulden, so erdulden sie dieselbe doch durch andere Böse, durch ihre eigenen Fehler, durch ihr böses Gewissen. Selbst der ungemein weise Salomon, der, wenn je einer, für den glücklichsten gelten durfte, konnte nicht in Abrede stellen, dass er ein Kreuz trage, indem er spricht (Eccles. 2, 11): Ich habe in allem Eitelkeit und Geistesplage erkannt; und ferner: Und ich wurde meines Lebens überdrüssig, weil ich sah, dass alles Übel unter der Sonne und alles nur Eitelkeit und Geistesplage ist.
Auch der Ecclesiastikus, ebenfalls ein sehr weiser Mann, tat den allgemeinen Ausspruch in folgenden Worten (Eccles. 40, 1): Große Mühseligkeiten sind allen Menschen angeschaffen und ein schweres Joch liegt auf den Adamskindern. Der heil. Augustin sagt in seiner Abhandlung über die Psalmen (Aug. in Ps. 43): Unter allen Plagen ist keine größer als das Bewusstsein von Vergehungen.
Der heilige Johannes Chrysostomus zeigt in der Homilie über die Geschichte des Lazarus weitläufig, dass die Gottlosen nicht ohne Kreuz sein können; denn sind sie arm, so leiden sie an der Habgierde, die noch mehr plagt; liegen sie an einer Krankheit darnieder, so hängen sie am Kreuz; sind sie von Krankheit frei, so entbrennen sie von Zorn, der eben auch ein Kreuz ist.
Mit der Geburt beginnt die Plage und das Kreuz
Der heil. Cyprian liefert schon aus der Geburt den Beweis, dass jeder Mensch zum Kreuz und zur Plage geboren werde, und dass er diese durch sein Weinen naturgemäß vorherverkünde. (Cyprians Rede über die Geduld) Jeder von uns, sagt er, macht, wenn er geboren und in diese Welt gastlich aufgenommen wird, mit Weinen den Anfang. Und obgleich er noch mit allem unbekannt ist und von allem nichts weiß, so kann er doch bei der Geburt selbst nur Weinen; aus angeborener Voraussicht klagt er über die Beängstigungen und Mühen dieses irdischen Lebens; und gegen die Stürme der Welt, die er betritt, erklärt sich sogleich im Anfang die unerfahrene Seele durch ihr Wehklagen und Winseln.
Das Kreuz der Frommen ist kurz und fruchtbringend
Bei diesen Verhältnissen kann es niemand in Zweifel ziehen, dass den Guten wie den Bösen das Kreuz gemein sei. Nur haben wir noch zu zeigen, dass das Kreuz der Frommen kurz, leicht und fruchtbringend, das der Gottlosen dagegen ewig, schwer und unfruchtbar sei. Dass nun das Kreuz der Frommen kurz sei, lässt sich nicht bezweifeln, da es sich über diese Lebenszeit nicht hinaus erstrecken kann. (Apok. 14)
Denn, wenn die Gerechten sterben, so sagt schon der Geist, dass sie von ihren Anstrengungen ausruhen, und dass Gott jede Träne von ihren Augen trocknen werde. Dass aber das gegenwärtige Leben sehr kurz sei, obgleich es während seiner Dauer lang erscheint, gibt die heil. Schrift nicht undeutlich zu erkennen, da sie sagt (Job. 14, 1 u. 5): Kurz sind die Tage des Menschen, der aus dem Weibe geborene Mensch lebt nur kurze Zeit etc. (Jak. 4, 15)
Was ist euer Leben? Ein Rauch, der sich eine Zeitlang zeigt und dann ganz verschwindet.
Die Plagen des heiligen Apostels Paulus
Der Apostel aber, welcher ein sehr schweres Kreuz getragen zu haben scheint, und lange genug, nämlich von seiner Jugend bis in sein Greisenalter, spricht doch so in seinem Brief an die Korinther (2. Kor. 4, 17): Unser jetziges augenblickliches und geringes Leiden verschafft uns dort in der Höhe ein ewige, übergroße Herrlichkeit, ohne alles Maß. Daselbst vergleicht er auch mit einem unzerteilbaren Augenblick mehr als dreißig Jahre der Plage, und nennt es eine leichte Plage, Hunger und Durst zu leiden, unbekleidet zu sein, Backenstreiche zu erhalten, unaufhörlich Verfolgung zu leiden; er sei dreimal von den Römern mit Ruten gepeitscht, fünfmal von den Juden gegeißelt, einmal gesteinigt worden und habe dreimal Schiffbruch gelitten.
Er habe endlich sehr viel gearbeitet, sei häufig in Gefängnissen, über die Maßen in Qualen und häufig in Todes gewesen.
Wenn nun diese wahrhaft leichte Qualen genannt werden und sind, welche wird man schwere nennen können?
Welche sind die schweren Plagen?
Ja, wenn nun überdies das Kreuz der Gerechten nicht nur leicht, sondern wegen des überreichlichen Trostes des göttlichen Geistes sogar angenehm und süß sein soll? Christus selbst sagt von seinem Joch, das auch sein Kreuz heißen kann, folgendes (Matth. 11, 30): Mein Joch ist sanft und meine Bürde ist leicht; und an einer andern Stelle (Joh. 16, 20 u. 22): Ihr werdet wehklagen und weinen, die Welt aber wird sich freuen; ihr aber werdet traurig sein, eure Traurigkeit wird aber in Freude verwandelt werden; und eure Freude wird euch niemand nehmen; und der Apostel sagt (2. Kor. 7, 4): Ich bin gesättigt mit Trost und überfließe mitten in unserem Leiden vor Fülle der Freude.
Endlich kann nicht geleugnet werden, dass das Kreuz der Gerechten nicht nur kurz und leicht, sondern auch fruchtbringend, ungemein nützlich und reich an den besten Früchten sei, da unser Herr ganz deutlich beim heil. Matthäus spricht (Matth. 5, 10):
Selig sind, welche um der Gerechtigkeit willen Verfolgung leiden, denn ihrer ist das Himmelreich, und da auch der Apostel in seinem Brief an die Römer ausruft (Röm. 8, 18): Die Leiden dieser Zeit dürfen in gar keinen Vergleich kommen mit der zukünftigen Herrlichkeit, die sich an uns offenbaren wird; damit stimmt auch sein Mitapostel Petrus überein (1. Petr. 4, 13): Freut euch darüber, wenn ihr der Leiden Christi mit teilhaftig werdet, damit ihr bei der Offenbarung seiner Verherrlichung auch in Freude mit frohlocken könnt.
Das Kreuz der Gottlosen ist ewig
Dass aber das Kreuz der Gottlosen sehr lange dauern, schwer und ohne allen Lohn oder Nutzen sein werde, lässt sich ganz leicht erweisen. Gewiss nahm das Kreuz des unverbesserlichen Missetäters nicht mit dem zeitlichen Leben ein Ende, wie jenes des Bekehrten, sondern es dauert bis auf diesen Tag in der Hölle fort und wird in alle Ewigkeit fortdauern. (Is. 66, 24)
Denn der Wurm der Gottlosen wird in der Hölle nicht ersterben und ihr Feuer nicht erlöschen. Auch das Kreuz des reichen Prassers, d. i. das brünstige Verlangen nach Anhäufung von Schätzen, welche der Herr ganz der Wahrheit gemäß mit Dornen verglich, mit denen man ohne Beschwerde nicht umgehen und sie aufbewahren kann, nahm mit dem Tod kein Ende, wie das des armen Lazarus, sondern geleitete ihn in die Hölle und brennt und quält ihn beständig und presst ihm die Worte aus: Möchte doch nur ein Tropfen Wasser meine Zunge erfrischen, da ich in dieser Flamme gepeinigt bin.
Die beschwerlichen Wege der Gottlosen
Es wird also das Kreuz der Gottlosen nie ein Ende nehmen. Und wie schwer und drückend es in diesem Leben sei, beweisen die Worte jener, deren Klagen das Buch der Weisheit anführt (Weish. 5, 7): Wir sind auf dem Wege der Ungerechtigkeit und des Verderbens müde geworden und auf harten Wegen gewandelt. Sind etwa Ehrgeiz, Habsucht, Schwelgerei keine beschwerlichen Wege? Sind die Fehler, welche diese im Gefolge haben, als Zorn, Streitigkeiten und Neid nicht beschwerliche Wege? Sind die Werke, welche aus diesen Fehlern entspringen, als Verräterei, Beschimpfungen, Ehrenkränkungen, Verwundungen und Totschläge nicht beschwerliche Wege?
Sie sind wenigstens von der Art, dass sie die Menschen nicht selten zur Verzweiflung und zum Selbstmord bringen; dass sie dem einen Kreuz entrinnen und sich selbst noch ein größeres aufladen.
Welchen Nutzen bringt das Kreuz für die Gottlosen?
Allein welchen Gewinn, welchen Nutzen bringt endlich das Kreuz der Gottlosen? Etwas Gutes kann es sicher nicht bringen, da die Dornen keine Trauben und die Disteln keine Feigen tragen. Das Joch des Herrn gewährt Ruhe, da der Herr selbst sagt: Nehm mein Joch auf euch, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen. Was kann aber das Joch des Teufels, das dem Joch Christi entgegengesetzt ist, anderes bringen als Kümmernis und Angst? Und das allerwichtigste ist endlich, dass das Kreuz Christi die Stufe zur ewigen Seligkeit ist (Luk. 24, 26): denn Christus musste leiden und so in seine Herrlichkeit eingehen.
Das Kreuz des Teufels ist die Stufe zur ewigen Strafe; denn beim Gericht wird der Herr also sprechen (Matth. 25, 41): Gehet hin in das ewige Feuer, welches dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist. Wer also klug ist, suche nicht, wann er mit Christus gekreuzigt ist, von seinem Kreuz herabzusteigen, wie es törichterweise der ungebesserte Missetäter verlangte; sondern er hänge vielmehr gerne zur Seite Christi, und bitte Gott nur um Geduld, keineswegs um das Herabsteigen vom Kreuz.
Das Kreuz des Teufels mit dem Joch Christi vertauschen
Denn so werden die, welche mit Christus leiden, auch mit Christus herrschen, denn der Apostel sagt (Röm. 8, 17): Wenn wir mitleiden, werden wir auch mit verherrlicht werden. Auf wem aber das Kreuz des Teufels lastet, der suche es, wenn er klug ist, sobald als möglich auszutauschen; er vertausche, wenn er nur etwas erleuchtet ist, fünf Joche Ochsen mit dem einem Joch Christi; die fünf Joche Ochsen scheinen aber nichts anderes zu bedeuten, als Anstrengung und Schmerz, welche die Gottlosen ertragen, um ihren fünf fleischlichen Sinnen zu dienen.
Dann aber vertauscht man mit dem einzigen angenehmen und leichten Joch Christi die fünf Joche Ochsen, wenn der Mensch die Mühen, die er der Sünde wegen auf sich nahm, mit der Hilfe Gottes auf die zu wirkende Buße verwendet. Glückliche Seele, welche ihr Fleisch mit seinen Fehlern und Begierden zu kreuzigen weiß, und das Geld, welches sie auf Befriedigung ihrer Begierden verwendete, auf Almosen zu verwenden sich gewöhnt; und die Stunden, welche sie von dem heftigsten Ehrgeiz gedrängt in der Begleitung oder den Besuchen großer Männer verschleuderte, mit Gebet oder dem Lesen frommer Schriften zubringt, um die Gnade Gottes und der Fürsten des Himmels sich zu erwerben.
Denn auf diese Weise vertauscht man das Kreuz des ungebesserten Missetäters mit dem Kreuz Christi, oder das schwere und unfruchtbare mit dem leichten und fruchtbringende Kreuz.
Allerdings klug besprach sich beim heiligen Augustin der ausgezeichnete Krieger mit seinem Kameraden über die Vertauschung des Kreuzes, Sage mir also, wohin trachten wir durch alle diese unsere Anstrengungen zu gelangen? Was suchen wir? Warum tun wir Kriegsdienste? Kann wohl unsere Hoffnung auf die Regierung größer sein, als dass wir Freunde des Kaisers seien? Und was ist es daselbst nicht Wandelbares und Gefahrvolles? Und durch wie viele Gefahren gelangt man zu noch größerer Gefahr? Und wie lange wird dies dauern? Wenn ich aber der Freund Gottes sein will, so bin ich es auf der Stelle.
Dies sind die Worte jenes, der ganz klug dafür hielt, dass man die höchst beschwerlichen, langwierigen und oft unfruchtbaren Anstrengungen zu Erlangung der kaiserlichen Gunst weit nützlicher mit der angenehmeren, kürzeren und ohne Zweifel erfolgreicheren Anstrengung zu Erlangung der Freundschaft Gottes vertauschen solle. Dies taten auch auf der Stelle jene glücklichen Krieger, denn beide verließen den irdischen Kriegsdienst und fingen Gott allein zu dienen an. Und was ihre Freude noch verdoppelte, war dieses, dass ein jeder eine Braut hatte, welche auch, sobald sie dieses vernahmen, voll Freude Gott ihre Jungfrauschaft gelobten. –
aus: Robert Bellarmin SJ, Die Sieben Worte Jesu Christi am Kreuz, 1838, S. 36 – S. 44
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