Erstes Tagewerk Das Licht
(Gen. 1, 3-5)
Erstes Tagewerk. (V. 3- 5) „Gott sprach: Es werde Licht, und es ward Licht. Und Gott sah, daß das Licht gut war, und er schied das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Und es ward Abend und Morgen – ein Tag.“
Das Sprechen Gottes bezeichnet sein Wollen. Daher heißt es: „Du, o Herr, hast alle Dinge geschaffen, und durch deinen Willen wurden sie und sind es geschaffen.“ (1) Wir sind nämlich gewohnt, durch entsprechende Worte oder Befehle unsern Willen kund zu geben, wenn wir ihn ins Werk setzen wollen. Gott bedarf dazu des Sprechens nicht. Weil aber die Heilige Schrift für Menschen geschrieben ist, so wendet sie, um besser verstanden zu werden, diese Ausdrucksweise auch auf Gott an und bezeichnet durch die Worte „Gott sprach“ seinen wirksamen allmächtigen Willen, durch welchen er das vollbringt, was seinen göttlichen Gedanken entspricht.
Wie wenig bei den Schöpfungswerken an irgend eine Mühe und Arbeit von Seiten Gottes gedacht werden darf, das spricht die Heilige Schrift gar schön aus in den Worten des Psalmisten: „Er sprach, und es geschah; er gebot, und es wurde geschaffen“ (2); und noch erhabener in den Worten des hl. Paulus: „Er ruft das, was nicht ist, wie das, was ist.“ (3) Wo möglich noch einfacher und ergreifender aber tritt diese unbegrenzte Allmacht des göttlichen Willens hier im Schöpfungswort selbst hervor.
Die majestätische Einfachheit des Befehls: Es werde Licht! Und die entsprechende knappe Fassung der Erfüllung: es ward Licht, sind wahrhaft Gottes würdig und veranschaulichen seine Allmacht. Unter diesem „Licht“ kann nichts anderes verstanden werden als das, was wir gewöhnlich das „Licht“ nennen, nämlich das Tageslicht. (4) Dies ergibt sich aus dem Beisatz: „Und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht.“ Es wird bestätigt durch die Angaben in V. 14ff., wo den Lichtkörpern die Aufgabe zugeschrieben wird, zwischen Licht und Finsternis zu scheiden und Tag und Nacht zu erhellen. Darum ist die Scheidung von Licht und Finsternis auf ihre letzte Ursache, auf Gott zurück geführt; hier wird angegeben, an welche Geschöpfe er diese Unterscheidung für die Erde geknüpft hat. Der Zeit nach mag beides zusammen fallen, und dennoch handelt es sich im letzten Grunde um zwei verschiedene Dinge, um zwei Prinzipien (Licht und Lichtkörper), die von der neueren Wissenschaft ebenso auseinander gehalten werden, wie dies die populäre Anschauungsweise in alter und neuer Zeit tut. Warum die Erschaffung des Lichtes zuerst erklärt wird, ist klar: Licht ist die Bedingung alles Lebens und aller Ordnung; auch soll ja ein Werk von tagen erzählt werden, also muss zuerst die Ordnung von Tag und Nacht begründet werden. Dies die Bedeutung des ersten Werkes und der später wieder kehrenden Formel: „es ward Abend und Morgen“; sie grenzt ein Tagewerk vom andern ab (5) und beweist, daß die Werke Gottes auf natürliche Tage bezogen werden.
Der hl. Chrysostomus hebt hier hervor, welch großer Unterschied zwischen den Offenbarungen des Alten und denen des Neuen Bundes sei. Dort „läßt sich Gott zur Beschränktheit unseres Geistes herab und unterrichtet das ganze Menschengeschlecht, damit es wisse, welches die Reihenfolge der geschaffenen Dinge, wer der Schöpfer des Weltalls, und wie jedes einzelne erschaffen sei… Aber in der Fülle der Zeit gibt er uns eine viel erhabenere Unterweisung durch den Sohn des Donners (Johannes), der sein Evangelium beginnt: ‚Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort‘; und alsbald fortfährt: ‚Er war das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt.‘ Denn wie hier dieses körperliche, durch den Befehl Gottes erschaffene Licht diese sichtbare Finsternis vertreibt, so hat dieses geistige Licht die Finsternis der Irrtümer verscheucht und die Irrenden zur Wahrheit geführt“. Die erste Mahnung, die sich daraus für uns ergibt, ist, „diese Unterweisungen dankbar aufzunehmen, damit wir nicht der Wahrheit widerstreben und in der Finsternis bleiben, sondern zum Lichte eilen und des Lichtes und Tages würdige Werke vollbringen, nicht Werke der Finsternis“. (6)
Der Ausdruck „Gott sah (7), daß das Licht gut war“, kommt in ähnlicher Weise auch bei den folgenden Schöpfungen (8) vor und bedeutet jedesmal die ausdrückliche Anerkennung des betreffenden Werkes als eines in sich guten, dem Willen und den Absichten des Schöpfers entsprechenden. Es wird damit jedesmal feierlich der Irrtum zurück gewiesen (9), als gebe es Wesen, die nicht von dem einen wahren Gott, sondern gar von einem ewig bösen Wesen oder von bösen Geistern hervor gerufen worden und in sich böse seien.
„Und er schied das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht“; d. h. dadurch, daß er diese Scheidung festsetzte und einen geordneten Wechsel bewirkte, gab er auch Grund und Veranlassung zu den zwei Namen (10) und drückte so gleichsam das Siegel seiner göttlichen Bestätigung diesem und ähnlich den folgenden Werken auf.
Der Tag ist nicht vom Abend zu Abend, sondern vom Morgen bis zum folgenden Morgen (11) gerechnet, mithin der sog. Natürliche Tag, unterschieden von dem Arbeitstage, der vom Morgen bis Abend, und dem astronomischen Tage, der von Mitternacht bis Mitternacht gerechnet wird. Der Tag vollendet sich durch den Verlauf der ihm folgenden Nacht; mit dem neu anbrechenden Morgen beginnt das folgende Tagewerk.
Ganz entsprechend dem Arbeitstag Gottes wird auch der menschliche Arbeitstag, der sog. bürgerliche Tag, vom Morgen an gerechnet. Ebenso entsprechend aber beginnen die heiligen Tage, Sabbate und Feste, mit dem Abend, zur Erinnerung daran, daß, wie in der materiellen Welt dem Lichte die Finsternis vorher ging und ohne Gottes Schöpferwort geblieben wäre, so auch im geistigen Leben alles von der Gnade Gottes abhängt. Darauf deutet der hl. Paulus mit den Worten: „Gott, welcher befahl, daß aus Finsternis Licht leuchtete, derselbe hat unsere Herzen erleuchtet, das Licht der Erkenntnis Gottes strahlen zu lassen im Antlitz Christi Jesu“ (d. h. In der Verkündigung seines Evangeliums). (12)
Seitdem Gott, bemerkt der hl. Chrysostomus, Tag und Nacht geschieden, „haben Licht und Finsternis ihre Ordnung bewahrt ohne jede Verwirrung. Das allein müsste jenen Undankbaren genügen, um an den Schöpfer zu glauben und wenigstens die Elemente im Gehorsam nachzuahmen, die so genau die ihnen vorgeschriebene Ordnung einhalten“. (13)
(1) Offb. , 11; vgl. Ps. 134, 6.
(2) Ps. 32, 9.
(3) Röm. 4, 17.
(4) Schon den heiligen Vätern und den ältesten Auslegern fiel es auf, daß das Licht hier als selbständige Schöpfung erscheint, da doch Moses so gut wie wie wir wußte und es auch beim vierten Tage ausdrücklich sagt, daß die Sonne die Urheberin des Tageslichtes auf der Erde ist. Früher hat die Aufklärung viel darüber gespottet. Jetzt weiß die Wissenschaft sehr wohl, daß wirklich das Licht und die Lichtkörper verschiedene Schöpfungen sind, und daß das Licht früher da war als die einzelnen Lichtkörper. Darauf nimmt aber die Heilige Schrift keinen Bezug, sondern sie hat eine gewisse systematische Einteilung des Schöpfungswerkes im Auge, wonach am ersten Tage das Licht, am vierten die Lichtkörper, am zweiten Tage Wasser und Luft, am fünften deren Bewohner, die Fische und Vögel, am dritten das Land, am sechsten die Landtiere und zuletzt der Mensch erschaffen wurden. So der hl. Thomas und der hl. Augustin.
(5) S. Aug., De Gen. ad lit. Imperf. 1, 17; C. Manich. 1, 14.
(6) In Gen. Hom. 3, n. 2 3.
(7) Dies ist menschlich gesprochen, da Gott keine leiblichen Augen hat. Aber sofern Gott der Schöpfer der Augen und ihrer Sehkraft ist usw., so kann man alle derartigen Tätigkeiten in voller, ja höchster Wahrheit von ihm aussagen. Darum heißt es (Ps. 93, 9): „Der das Ohr gepflanzt, sollte er nicht hören? Oder der das Auge gebildet, solle er nicht sehen?“ – Und (Sir. 23, 28): „Die Augen Gottes sind viel heller als die Sonne.“
(8) Die scheinbare Ausnahme beim Firmament und beim Menschen erklärt sich daraus, daß das Werk des zweiten Tages erst in dem des dritten seine Vollendung fand, die Erschaffung des Menschen aber der ganzen Natur das Siegel der Vollendung aufdrückte, was dort auch nachdrücklich hervor gehoben wird.
(9) Im Morgenlande war vielfach die Ansicht verbreitet, es gebe zwei ewige Wesen, ein gutes und ein böses (die Perser nannten sie Ormuzd und Ahriman), und danach sei die Geisterwelt in zwei große Heerlager geteilt; die sichtbare Welt sei zum Teil eine Schöpfung des bösen Geistes, der durch die von ihm erschaffenen Wesen die Menschen verführe. Gegen solche verführerische und verderbliche Anschauungen hebt die Heilige Schrift hier nachdrücklich hervor, daß alle Wesen ohne Ausnahme Geschöpfe des einen, guten Gottes, darum in ihren Wesen gut, ja sehr gut sind. (Vgl. V. 31; auch 1. Tim. 4, 4; S. Aug., Conf. 13, 28ff.)
(10) „Er nannte“ hat demnach auch den Sinn: „er machte, daß genannt wurde“. Gott gab der betreffenden Schöpfung ihr Dasein, ihre Wesenheit, ihre Eigentümlichkeiten und veranlaßte durch die Einrichtung dieser Abwechslung die entsprechendenNamen. Die Benennung kann auch als Ausdruck des Hoheits- und Eigentumsrechtes betrachtet werden: Eltern geben den Kindern Namen, Könige änderten im Altertum die Namen unterworfener Fürsten, Gott ändert die Namen solcher Personen, die er zu seinem besondern Dienst beruft. So der hl. Chrysostomus.)
(11) Das hebt ausdrücklich der hl. Augustin hervor (C. Manich. 1, 10) u. a.
(12) 2.Kor. 4, 6; vgl. Joh. 15, 4.
(13) In Gen. hom. 3, n. 3. –
aus: Schuster/Holzammer, Handbuch der Biblischen Geschichte, Bd. I, Altes Testament, 1910, S. 118 – S. 121