Das Passahfest im Judentum

Das Passahfest im Judentum: Opferung des Lamms während der Plagen (1880), Pfarrkirche Andelsbuch (Vorarlberg)

Feste und Heilige Zeiten: Das Passahfest oder Osterfest im Judentum (Lv. 6, 16; 23; 25; vgl. Nm. 28f)

Alle Zeit gehört zwar dem Herrn und seinem Dienst, und dies war auch ausgedrückt im täglichen Rauchopfer (1) sowie in dem unblutigen Opfer des Hohenpriesters (2), das dieser täglich für sich und das ganze Volk morgens und abends darzubringen hatte, namentlich aber durch das „immerwährende Opfer“ (3), indem jeden Morgen und Abend ein einjähriges, fehlerloses Lamm mit dazugehörigem Speise- und Trankopfer im Namen des ganzen Volkes dem Herrn als Brandopfer (4) dargebracht wurde.

Aber Gott ordnete auch besondere heilige Zeiten und Feste (5) an.

Über allen stand der Sabbat (6), an welchem zu dem täglichen Opfer noch zwei einjährige Lämmer nebst Brot und Wein geopfert und neue Schaubrote aufgelegt wurden. (7)

Schofar oder Posaune für das Posaunenfest (Neujahrsfest)
Shofar שופר

Am Neumondstag wurde der Monat Gott geheiligt durch ein Brandopfer von zwei Rindern, einem Widder und sieben einjährigen Lämmern, und wurde ein Ziegenbock als Sühnopfer dargebracht für die im verflossenen Monat nicht gesühnten Sünden. (8) Dabei bliesen die Priester, wie an den übrigen Festen, die silbernen Trompeten (9), um Israel seinem Gott in gnädige Erinnerung zu bringen; der Tag gestaltete sich bald zu einem förmlichen Festtag. (10) Der Neumond des siebten Monats, auch Posaunenfest genannt, weil da mit Posaunenschall (11) das Volk dem Herrn in gnädige Erinnerung gebracht wurde, beging man besonders feierlich (12); später wurde es das Neujahrsfest des bürgerlichen Jahres.

Die drei Hauptfeste sollten Israel stets auf Neue an die wunderbaren Führungen und unschätzbaren Gnaden Gottes erinnern und zum innigsten Dank bewegen. Zu ihrer Feier mussten alle männlichen Israeliten in Palästina vor dem Angesicht des Herrn, d. i. bei seiner heiligen Wohnung erscheinen (13), was nicht wenig dazu beitrug, dass die Israeliten sich als ein einiges Volk Gottes und als Brüder fühlten und treu am Herrn festhielten.

Das Passah- oder Osterfest

Das Passah- oder Osterfest begann am Abend des 14. Nisan (14) und sollte durch das Essen des Passah-Lammes an die Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei und die Verschonung der israelitischen Erstgeburt erinnern. Wie damals in Ägypten, musste jeder Hausvater ein Lamm schlachten und nebst bitteren Kräutern in Gemeinschaft mit seinen Angehörigen verzehren. (15) Das Fest dauerte sieben Tage, doch nur der erste und der siebte, sowie der einfallende Sabbat, waren heilige Ruhetage.

Während der ganzen Festzeit durfte nur ungesäuertes Brot (16) gegessen und gesäuertes Brot gar nicht in den Häusern der Israeliten getroffen werden; daher wurde das Fest auch das Fest der ungesäuerten Brote genannt. Jeden Tag wurde im Heiligtum ein besonderes Festopfer dargebracht (das gleiche wie am Neumondsfest); am zweiten Tag aber außerdem die erste Gerstengarbe samt einem Lamm als Brandopfer. Hiermit wurde zugleich feierlich die Getreideernte eröffnet, und erst von da an durfte man von den Getreidefrüchten genießen, zur Erinnerung, dass aller Segen des Feldes ein Geschenk des Herrn sei.

Die spätere Osterfeier, wie sie ohne Zweifel auch zur Zeit Christi üblich war, fand in folgender Weise statt: Waren die Pilger in Jerusalem angekommen, so kauften sie Lämmer, die in Menge feil waren. Schon am 10. Nisan wurden dieselben ausgesucht und festlich geschmückt an den Ort gebracht, wo man sie bis zu ihrer Opferung bewahrte. Am 13. Nisan abends ward Wasser geschöpft zur Bereitung der ungesäuerten Brote; beim Anbruch der Nacht aber wurden die Häuser fleißig mit Lichtern durchsucht, um alles Gesäuerte zu entfernen. Am 14. Nisan buk jede Hausfrau ungesäuerte Brote, wovon man schon zum Mittagsmahl genoss, und verbrannte noch vor der Mittagsstunde das Gesäuerte, das man am vorigen Tag gesammelt, unter freiem Himmel.

Bald hörte man vom Tempel her starken Trompetenklang, Jetzt nahm jeder Familienvater sein Lamm und ging damit dem Tempel zu. Daselbst war umhalb 3 Uhr bereits das tägliche Abendopfer dargebracht; nun wurden nach und nach alle Israeliten in den Vorhof eingelassen; dort schlachteten sie selbst, oder Leviten für sie, ihre Lämmer; das Blut derselben wurde von den Priestern an den Altar gesprengt, die Fettteile auf dem Altar verbrannt. Jeder trug sofort sein Lamm nach Hause und traf die Anstalt zum Passahmahl.

Um das Lamm zu braten, spießte man es; gewöhnlich wurde über einen längeren Stab noch ein kürzerer in die Quere gespannt, so dass das Lamm förmlich an einem Kreuz befestigt war. Zugleich wurden bestimmte bittere Kräuter herbeigeschafft, nämlich Stängel von Meerrettich, Körbelkraut, Moos vom Dattelbaum und Endivie; zum Eintunken dieser Kräuter aber ward eine Schale mit Essig bereit gehalten. Auch trug man einen süßen Brei (17) auf, der aus Äpfeln, Feigen und Nüssen in Wein bestand und, um an die schweren Arbeiten in Ägypten zu erinnern, in Form eines Ziegelsteines bereitet war.

War es Zeit zum Essen, so versammelte sich die Tischgesellschaft, die nicht unter zehn Personen und nur aus gesetzlich Reinen bestehen durfte. Der Hausvater leitete das Mahl ein, indem er den sog. ersten Becher mit wein nahm und einen Segen sprach. In einem unmittelbar folgenden Gebet dankte Gott für die Verordnung dieses Mahles, trank und ließ den Becher herumgehen. Nach einer Handwaschung sprach der Hausvater wieder einen Segen, auf welchen Gebete folgten.

Jetzt trug man den Tisch herbei, der mit den bitteren Kräutern, den ungesäuerten Broten, der Essigschale, dem Charoseth und dem Lamm und anderen Speisen besetzt war. Der Hausvater aß von den Kräutern, nachdem er sie eingetunkt, und die übrigen folgten, worauf von einem Vorleser die Geschichte des Osterlammes gelesen wurde. (18)

Nun wurde der zweite Becher eingeschenkt. Währenddessen musste ein Sohn des Hauses oder sonst ein Jüngerer den Hausvater um den Sinn der Passah-Zeremonien fragen; dieser legte sie aus und sprach dann:

„Alleluja, lobet Gott, ihr Knechte des Herrn!“ und sang mit den Anwesenden den ersten Teil des Hallel (19), sprach den Segen über den Wein, trank und hieß auch die Anwesenden trinken. Nachdem er die Hände wieder gewaschen hatte, nahm er zwei ungesäuerte Brote, brach das eine in zwei Stücke und legte diese auf das ganze Brot. Nach einem Gebet nahm er ein Stück von dem gebrochenen Brot, wickelte bittere Kräuter darum, tunkte es in das Charoseth und aß es unter Gebet. Nun segnete er das Osterlamm und aß etwas davon, worauf die eigentliche Ostermahlzeit begann und alle von den ungesäuerten Broten, dem Charoseth und Lamm aßen.

Nach der Mahlzeit wurde er dritte Becher gemischt und über ihn der gewöhnliche Tischsegen gesprochen und dann der dritte Becher getrunken. Alsbald wurde der vierte Becher gemischt, darüber der zweite Teil des Hallel gebetet (20), und zwar zum Teil abwechselnd, insbesondere der Vers 27 des 117. Psalmes so, dass die Worte: „Gebenedeit sei, der da kommt“, von einem Knaben gesungen wurden, worauf die übrigen antworteten: „Im Namen des Herrn.“ Dann folgte ein Segen- und Lobgebet und das große Hallel (Ps. 135) nebst einem langen, hymnusartigen Dankgebet, worauf der Segen über den vierten Becher gesprochen und dieser getrunken wurde. Damit war die Passahmahlzeit zu Ende. (21)

Anmerkungen:

(1) Ex. 30, 7f; Lk. 1, 9.

(2) Lv. 6, 14.

(3) Ex. 29, 38ff; Nm. 28, 3ff.

(4) Das Abendopfer wurde „zwischen den beiden Abenden“ geschlachtet und brannte die ganze Nacht bis zum Morgen. Das Morgenopfer ward unmittelbar nach Sonnenaufgang geschlachtet und dargebracht und brannte den ganzen Tag hindurch bis zum Abend; – ein sprechendes Vorbild des unbefleckten Lammes, das als Abendopfer am Kreuz geopfert wurde, als Morgenopfer auf dem Altar dargebracht wird und im Tabernakel als immerwährendes Opfer Tag und Nacht sich in Liebe zu uns verzehrt.

(5) Den Festkalender siehe: Der israelitische Festkalender. Über die Feste und heiligen Zeiten s. Scholz, Die heiligen Altertümer II 5ff; Kath. Seelsorger 1899: Der mos. Festzyklus.

(6) Lv. 23, 3; vgl. Ex. 16, 22ff; 20, 8ff; 31, 13ff; 35, 2f; Nm. 15, 32ff; Dt. 5, 12ff.

(7) Nm. 28, 9; vgl. 2. Chr. 31, 3; Neh. 10, 33.

(8) Nm. 28, 11ff.

(9) Nm. 10, 10.

(10) vgl. Amos 8, 5; Is. 1, 13.

(11) Die Posaune war, verschieden von den Trompeten, aus einem großen Tierhorn gefertigt und gab einen dumpfen, weithin schallenden Ton.

(12) Lv. 23, 23ff; vgl. Nm. 29, 1ff.

(13) Gott hatte ihnen (Ex. 34, 24) während der drei Festzeiten Sicherheit vor feindlichen Angriffen verheißen, und wirklich trug sich der erste bekannte Fall, wo die Teilnahme an solcher Festfeier Schaden brachte, erst vor der letzten Zerstörung Jerusalems zu, also zu einer Zeit, da die Juden bereits ihren Heiland verworfen und damit aufgehört hatten, sein Volk zu sein. (Dn. 9, 26) Beim Beginn des jüdischen Krieges nämlich eroberte und verbrannte im Jahr 66 n. Chr. der römische Statthalter Cestius die Stadt Lydda, deren männliche Bevölkerung sich auf dem Laubhüttenfest in Jerusalem befand. (Josephus, Jüd. Krieg 2, 19, 1; 4, 5, 3)

(14) Lv. 23, 5; vgl. Ex. 12, 13ff; 13, 3ff; 23, 15; 34, 18 u. 25; Nm. 9, 2ff; 28, 16ff; Dt. 16, 1ff.

(15) Das Schlachten geschah später im Vorhof des Tempels; das Essen geschah zu Hause, aber in Jerusalem. Das Bestreichen der Türpfosten mit dem Blut sowie der reisefertige Zustand fielen weg. Schon nach dem ersten Hauptfesttag durften die fremden Pilger wieder heimkehren.

(16) Zur Erinnerung an die Eile des Auszugs sowie zur Mahnung an erneute Reinigung und Heiligung des Herzens.

(17) Hebräisch charóseth, etwa soviel als Ziegelerde, genannt.

(18) Nach Ex. 12, 26f; 13, 8.

(19) D. h. die mit Alleluja beginnenden Psalmen 112 und 113, 1-8.

(20) Ps. 113, 9 bis Ps. 117.

(21) Vgl. Allioli, Bibl. Altertümer I 200; Scholz, die heiligen Altertümer II 55ff; Haneberg, Altertümer der Bibel 621ff. Über die hohe Bedeutung dieser Feier für die Einsetzung des allerheiligsten Sakraments und die Feier der heiligen Messe: Bickell, Messe und Pascha, Mainz 1872; Kath 1871, II 120ff. –
aus: Schuster und Holzammer, Handbuch der Biblischen Geschichte,Erster Band, Das Alte Testament, 1910, S. 500 – S. 503

Siehe den Beitrag bei Wikipedia: Stichwort Pessach

Siehe auch die Beiträge:

Durchführung des Ostermahls im Abendmahlssaal (Schuster und Holzammer)

Die Zeremonien des gesetzlichen Ostermahles (Moritz Meschler SJ)

Bildquellen

Tags: Judentum

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