Bedeutung der makkabäischen Erhebung

Die große Bedeutung der makkabäischen Erhebung für die Geschichte des Judentums

Trotz des politischen Misserfolges und trotz vielfacher unerfreulicher Begleiterscheinungen hat die makkabäische Erhebung für die Geschichte des auserwählten Volkes große Bedeutung erlangt. Wie sie selbst ihrem innersten Kern nach eine Reaktion des gesetzestreuen Judentums gegen den eindringenden Weltgeist (Hellenismus) war, so hat sie zu einer religiösen Bewegung Anstoß gegeben, die geradezu die Erhaltung der jüdischen Religion bezweckte und der Vorbereitung auf die Erlösung unmittelbar diente. Die Gemeinde der Frommen, die in den Kämpfen der Makkabäer als Chasidim (Assidäer 1. Makk. 2, 42; 7, 13; 2. Makk. 14, 6) in die Erscheinung getreten war und die Feuerprobe bestanden hatte, starb nicht mehr aus; der Geist, den Mathathias und Judas ihrer Umgebung eingeflößt hatten, blieb gerade in den edelsten Elementen der jüdischen Nation bis in die Zeit Christi lebendig. Leben und Sterben dieser Frommen bewegte sich um die Erfüllung des Gesetzes und um die Erwartung der Zukunft, welche die Erfüllung der Verheißungen bringen sollte.

Niemals war Israel mehr als in diesem letzten Abschnitt seiner Geschichte ein „Volk der Zukunft“. Je ungünstiger sich die äußeren Verhältnisse gestalteten (namentlich seitdem durch die Römer der letzte Rest nationaler Selbständigkeit vernichtet war), mit desto größerer Zähigkeit klammerte sich die Gemeinde der Frommen an das (immer mehr zum „Zaun gegen die Völker“ ausgebildete) Gesetz und an die Verheißung. Daraus erklärt sich die Art und die Spannung der messianischen Erwartung, die für die letzte Zeit des vorchristlichen Judentums charakteristisch ist. Sie gründete sich vor allem auf die Weissagungen der Propheten, deren Einzelzüge freilich noch nicht zu einem Gesamtbild zusammen gefaßt waren und darum nicht so vollständig gewürdigt werden konnten, wie es jetzt nach der Erfüllung möglich ist. Aber die Hauptzüge standen in mehr oder minder deutlichen Umrissen fest.

Verheißen war der Erlöser als Same des Weibes und Überwinder der (höllischen) Schlange, als Spross der Patriarchen Abraham, Isaak, Jakob und Juda, als Friedensfürst, als Stern aus Jakob und Zepter über alle Völker, als der große Prophet, als göttlicher Weltherrscher und Richter, als Sohn Davids, der neue und ewig herrschende Spross aus der Wurzel Jesse und dem gefallenen und erniedrigten Haus Davids, der alle Israeliten und alle Völker der Erde zum Neuen und ewigen Bund vereinigen werde. Verkündet war von den Propheten seine ewige Gottheit, seine wunderbare Menschwerdung und Geburt aus der Jungfrau, sein Geburtsort Bethlehem, sein Vorläufer, die Zeit und der Schauplatz seines öffentlichen Auftretend, das Ruhen des Heiligen Geistes auf ihm in ganzer Fülle. Sie hatten seinen stellvertretenden Gehorsam, seine Armut, Sanftmut, Geduld und Demut, sein Erbarmen gezeichnet, ihn als den wahren und guten Hirten geschildert, als den großen und vollkommenen Lehrer der Wahrheit und Gerechtigkeit, sein stellvertretendes Leiden verkündet, aber auch seine Verherrlichung, die glorreichen Früchte seines Leidens, die Erlösung der Welt, die Sendung des Heiligen Geistes und Stiftung seines Welt umfassenden, ewigen Reiches, seiner Kirche mit all ihren Schätzen der Wahrheit und Gnade zum Heil und zur Beseligung aller Völker, insbesondere sein reines Opfer, das vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang unter allen Völkern dargebracht werde nach Abschaffung des Alten im Neuen und ewigen Bund, seine ewige Herrlichkeit und Herrschaft im Himmel. (1)

Die Makkabäerbücher

Am deutlichsten treten unter allen diesen Zügen die Wiederaufrichtung des davidischen Königtums durch den Spross Davids (den neuen David) und Sohn Gottes (auch „Diener Gottes“, durch dessen Hand der Ratschluss Gottes gelingt), sowie die Ankunft des idealen Reiches Gottes und die Überwindung aller Gegensätze desselben (Sünde, Götzendienst, Weltreiche) hervor. Am stärksten scheint der Eindruck der Weissagungen Daniels und der Psalmen gewesen zu sein. Das läßt sich aus den Makkabäerbüchern erkennen, wo auf diese beiden Trostbücher wiederholt Bezug genommen ist, und ergibt sich aus dem Umstand, daß namentlich bei Daniel der Sieg des Reiches Gottes über die Weltreiche in bildlich-anschaulicher Weise geschildert ist.

An die Form und den Inhalt des Buches Daniel knüpft auch am meisten die sog. jüdische Apokryphen-Literatur an (2), die in den letzten 150 Jahren v. Chr. und bis in die christliche Zeit hinein üppig wucherte und lehrreiche Aufschlüsse über die volkstümlichen religiösen Ideen und Erwartungen gibt. Zwei Dinge sind – von der meist visionären (apokalyptischen) Einkleidung abgesehen – für diese Literatur besonders bezeichnend: die Erinnerungen an die Vergangenheit des jüdischen Volkes, die in eigentümlicher Weise legendenhaft phantastisch ausgeschmückt wurden, und die messianischen Hoffnungen, die an die biblischen Weissagungen anknüpfen, aber ein eigentümliches Gepräge erhalten. Diese Hoffnungen treten am stärksten und ausgeprägtesten in den (jüdischen) sibyllinischen Büchern und in den um die Mitte des letzten Jahrhunderts entstandenen sog. Psalmen Salomons hervor.

Jüdische Sibylle

Nach der um 140 v. Chr. entstandenen jüdischen Sibylle wird Gott vom Aufgang her einen König senden, der allem Krieg auf Erden ein Ende machen wird, die einen tötend, den andern die gegebenen Verheißungen erfüllend. Und er wird dies nicht nach eigenem Rat tun, sondern den Befehlen Gottes gehorchend. Bei seinem Auftreten sammeln sich die Könige der Heiden noch einmal zu einem Angriff gegen den Tempel Gottes und das Heilige Land. Rings um Jerusalem bringen sie ihre Götzenopfer dar. Aber mit gewaltiger Stimme wird Gott zu ihnen reden, und alle kommen um durch die Hand des Unsterblichen. Die Erde wird erbeben, und die Berge und Hügel werden einstürzen, und der Erebus (3) wird erscheinen. Und die Heidenvölker werden umkommen durch Krieg, Schwert und Feuer, weil sie gegen den Tempel ihre Speere geschwungen haben. Dann werden die Kinder Gottes in Ruhe und Frieden leben, da die Hand des Heiligen sie beschützt. Und die Heidenvölker, die dies sehen, werden sich gegenseitig selbst ermuntern, Gott zu loben und zu preisen und seinem Tempel Gaben zu senden und sein Gesetz anzunehmen, da es das gerechteste ist auf der ganzen Erde. Unter allen Königen der Erde wird dann Friede herrschen. Und Gott wird ein ewiges Reich aufrichten über alle Menschen. Von der ganzen Erde wird man Geschenke zum Tempel Gottes bringen. Und die Propheten Gottes werden das Schwert nieder legen; den sie sind Richter der Menschen und gerechte Könige. Und Gott wird wohnen auf Sion, und allgemeiner Friede wird herrschen auf Erden. –

Apokryphe Psalmen Salomons

Nach den Psalmen Salomons ist der Messias Davids Sohn und König von Israel; er hat die Aufgabe, Jerusalem von den Heiden zu reinigen und alle Gottlosen nieder zu schlagen; dann wird er in Jerusalem ein Reich von Gerechten und Heiligen gründen; Fremde sind nicht zugelassen, vielmehr sollen nur heilige und gesetzestreue Juden in Jerusalem wohnen. Darauf unterwirft er alle Heiden seinem Zepter, daß sie freiwillig kommen, seine Herrlichkeit zu sehen, und die zerstreuten Glieder des Gottesvolkes von allen Enden herbei bringen. Das alles vollbringt er in der Hilfe des Herrn, nicht in irdischer Kraft, und weil er rein von Sünde ist und voll heiligen Geistes, so daß sein Wort gleich Engelsworten gilt; es sind selige Tage.

Die feierlichen Lobpreisungen im jüdischen Morgengebet

Einen ergreifenden Ausdruck fand die Erwartung und das glühende Verlangen des jüdischen Volkes in den achtzehn feierlichen Lobpreisungen Gottes im jüdischen Morgengebet, in denen Israel, wahrscheinlich seit den tagen des Esdras, seine wichtigsten Anliegen Gott vorträgt. Da heißt es u.a.:
Gepriesen seist du, Ewiger, unser Gott und Gott unserer Väter, der du an die Gnaden der Väter denkst und ihren Kindeskindern den Erlöser bringst“; und weiterhin: „Den Sprössling Davids, deines Knechtes, laß bald aufsprossen, und sein Horn sei hoch durch deine Erlösung; denn auf deine Erlösung hofften wir immerdar.“

in der Osterfeier

In der Osterfeier knüpfte man an die Erinnerung der Erlösung aus Ägypten die Bitte um die endliche vollkommene Errettung und Erlösung durch den Messias: „Erbaue die heilige Stadt Jerusalem; der Allerbarmer möge eingedenk sein der Tage des Messias und des Lebens der kommende Welt“ (des messianischen Reiches). Das „Hosanna“ im letzten Psalm des Hellel (Ps. 112 bis 117), das an hohen Festen, am feierlichsten am Oster- und Laubhüttenfest, gesungen wurde, gab dieser Sehnsucht nach dem Messias den begeistertsten Ausdruck: „Hosanna“, d. i. erlöse doch! „Der Stein, den die Bauleute verworfen, der ist zum Eckstein geworden. Vom Herrn ist dies geschehen, und es ist wunderbar in unseren Augen. Das ist der Tag, den der Herr gemacht; laßt uns frohlocken und uns freuen an ihm“ O Ewiger, erlöse doch, o Ewiger, erlöse doch! O Ewiger, beglücke, o Ewiger, beglücke! Gebenedeit sei, der da kommt im Namen des Herrn!“

am Laubhüttenfest

Noch viel feierlicher und begeisternder, weil der Mittelpunkt der höchsten Festfreude, war am Laubhüttenfest die Hinweisung auf den Messias, wenn beim Hosanna-Ruf die ganze Gemeinde ihre Palmzweige schüttelte, so daß ein feierliches Rauschen durch den Tempel zog, und wenn beim Wasserschöpfen aus der Quelle Siloe die Worte des Propheten gesungen wurden: „Ihr werdet Wasser schöpfen mit Freuden aus den Quellen des Heilandes“ (Is. 12, 3)

Anmerkungen:

(1) Den Nachweis der bezüglichen messianischen Stellen siehe im alphabetischen Personen- und Sachregister unter Jesus Christus, Weissagungen. Eine bündige Zusammenfassung und apologetische Wertung siehe in der Schrift: Die messianischen Weissagungen, ein Beweis Gottes von A. de Broglie in der Sammlung „Wissenschaft und Religion“, Straßburg 1906.
(2) Unter Apokryphen versteht der katholische Sprachgebrauch Schriften, welche in Nachahmung der heiligen Bücher (Alter und Neuer Bund) unter dem Namen eines in der heiligen Geschichte berühmten Mannes abgefaßt, auch wohl zeitweilig für heilige Bücher gehalten wurden, aber niemals als solche von der Kirche anerkannt worden sind. Vgl. KL I 1036ff; ebd. 1048ff. auch die gesamte „Apokryphen-Literatur“. – Die Protestanten bezeichnen (mit Unrecht) die sog. deutero-kanonischen Bücher als Apokryphen, die wirklich apokryphen Bücher aber als „Pseudo-Epigraphen“ (Bücher, die einen erdichteten Titel tragen). Vgl. die Sammlung und Übersetzung der „Apokryphen und Pseudo-Epigraphen des AT“ in Verbindung mit vielen Gelehrten herausgegeben von Kautzsch (Tübingen-Freiburg 1900) II. Die bekanntesten der hierher gehörigen Schriften knüpfen sich an die Namen von Adam, Henoch, die zwölf Patriarchen Moses, Isaias u. a. m. Einige (wie das Gebet des Manasses, das dritte und vierte Buch Esdras) finden sich als Anhang zu den Ausgaben der Vulgata, „damit sie nicht verloren gehen, weil sie von manchen Vätern zitiert werden und in alten Bibelausgaben enthalten sind“. KHL I 274.
(3) Im griech. Mythus das Dunkel der Unterwelt, auch personifiziert als Sohn des Chaos. –
aus: Schuster/Holzammer, Handbuch der Biblischen Geschichte, Bd. I, Altes Testament, 1910, S. 1054 – S. 1057

Tags: Judentum

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