Wirklichkeit und Eigenschaft der Hölle

Die Lehre von den letzten Dingen

§ 4. Die Hölle

1. Wirklichkeit der Hölle

Die Seelen derer, die im Zustand der persönlichen schweren Sünde sterben, gehen in die Hölle ein. De fide.

Die Hölle ist ein Ort und Zustand ewiger Unseligkeit, in dem sich die von Gott Verworfenen befinden.

Bestritten wurde die Wirklichkeit der Hölle von verschiedenen Sekten, die eine gänzliche Vernichtung der Gottlosen nach dem Tode oder nach dem Weltgericht annehmen, und von allen Leugnern der persönlichen Unsterblichkeit (Materialismus).
Das Symbolon Quicumque bekennt: „Die aber Böses getan haben, werden in das ewige Feuer eingehen.“ D 40. Benedikt XII. erklärt in der dogmatischen Konstitution „Benedictus Deus“: „Nach der allgemeinen Anordnung Gottes steigen die Seelen derer, die in in einer persönlichen schweren Sünde sterben, alsbald nach dem Tode in die Hölle hinab, wo sie mit den Höllenqualen gepeinigt werden.“ D 531. Vgl. D 429, 464, 693, 835, 840.

Das Alte Testament enthält erst in den jüngeren Büchern klare Aussagen über den Strafzustand der Gottlosen. Nach Dn 12, 2 werden sie auferstehen „zu Schmach und zu ewigem Abscheu“. Nach Jdt 16, 20f (G. 16, 17) wird der Herr, der Allmächtige, Rache nehmen an den Feinden Israels und sie heimsuchen am Tage des Gerichtes. „Er wird Feuer und Würmer in ihr Fleisch geben, daß sie brennen und es fühlen (G: daß sie weinen vor Schmerz) in Ewigkeit.“ Vgl. Is 66, 24. Nach Weish 4, 19 werden die Gottlosen „zum Gespött sein bei den Toten auf ewig.“; sie werden in Schmerz sein, und ihr Andenken wird untergehen.“ Vgl. 3, 10; 6, 5ff.

Jesus droht den Sündern die Höllenstrafe an. Er nennt sie Gehenna (Mt 5, 29f; 10, 28; 23, 15. 33; Mk 9, 43. 45. 47 (G); ursprünglich = Tal des Hinnom), Gehenna des Feuers (Mt 5, 22; 18, 9), Gehenna, wo der Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt (Mk 9, 46 f (G 47f), ewiges Feuer (Mt 25, 41), unauslöschliches Feuer (Mt 3, 12; Mk 9, 42 (G 43), Feuerofen (Mt 13, 42. 50), ewige Pein (Mt 25, 46). Es wird dort Finsternis sein (Mt 8, 12; 22, 13; 25, 30), Heulen und Zähneknirschen (Mt 13, 42. 50; 24, 51; Lk 13, 28). Paulus bezeugt: „Diese (die Gott nicht kennen und dem Evangelium nicht gehorchen) werden als Strafe erleiden ewiges Verderben, ferne von dem Angesicht des Herrn und von der Herrlichkeit seiner Majestät“ (Thess 1, 9). Vgl. Röm 2, 6-9; Hebr 10, 26-31. Nach Apk 21, 8 erhalten die Gottlosen „ihren Anteil im brennenden Feuer- und Schwefelpfuhl“; dort „werden sie gepeinigt werden Tag und Nacht in alle Ewigkeit“ (20, 10). Vgl. 2 Petr 2, 6; Jud 7.

Die Väter bezeugen die Wirklichkeit der Hölle einmütig. Nach Ignatius von Antiochien wird derjenige, der „den Gottesglauben, für den Jesus Christus gekreuzigt wurde, durch schlechte Lehre verdirbt, in das unauslöschliche Feuer eingehen; desgleichen auch derjenige, der auf ihn hört“ (Eph 16, 2). Justin begründet die Höllenstrafe aus der Idee der göttlichen Gerechtigkeit, die die Gesetzesübertreter nicht straflos ausgehen lassen darf (Apol. II 9). Vgl. Apol. I 8, 4; 21, 6; 28, 1. Martyrium Polycarpi 2, 3; 11, 2. Irenäus, Adv. Haer. IV 28, 2.

2. Wesen der Höllenstrafe

Die Scholastik unterscheidet in der Höllenstrafe ein doppeltes Moment: die poena damni (Strafe des Verlustes) und die poena sensus (Strafe der Sinne). Erstere entspricht der in der schweren Sünde liegenden Abkehr von Gott, letztere in Hinwendung zum Geschöpf.
Die poena damni, die das eigentliche Wesen der Höllenstrafe ausmacht, besteht in dem Ausschluss von der beseligenden Gottanschauung. Vgl. Mt 25, 41: „Weichet von mir, ihr Verfluchten!“ Mt 25, 12: „Ich kenne euch nicht.“ 1 Kor 6, 9: „Wißt ihr nicht, daß die Ungerechten das Reich Gottes nicht erben werden?“ Lk 13, 27; 14, 24; Apk 22, 15. Augustinus, Enchir. 112.

Die poena sensus besteht in Strafleiden, die durch ein sinnliches Mittel verursacht werden. Die Hl. Schrift spricht oft vom Höllenfeuer, dem die Verdammten übergeben werden; sie bezeichnet die Hölle als einen Ort, wo Heulen und Zähneknirschen sein wird – ein Bild des Schmerzes und der Verzweiflung.

Das Höllenfeuer wurde von einzelnen Vätern, wie Origenes und Gregor von Nyssa, und von späteren Theologen, wie Ambrosius, Catharinus, J.A. Möhler und H. Klee, im übertragenen Sinn aufgefaßt, als Bild für rein geistige Schmerzen, besonders für die Qualen der Gewissensbisse. Von Seiten der kirchlichen Lehrautorität wurde diese Meinung nicht beanstandet. Die Mehrzahl Väter, Scholastiker und die meisten neueren Theologen nehmen ein physisches Feuer an, heben aber die Verschiedenheit desselben von gewöhnlichem Feuer hervor. Das Einwirken physischen Feuers auf rein geistiges Wesen erklärt Thomas nach dem Vorbild Augustins und Gregors d. Gr. Als Bindung der Geister an materielles Feuer, das ein Werkzeug der göttlichen Strafgerechtigkeit ist. Die Geister werden dadurch der Materie unterworfen und in ihrer freien Bewegung gehindert. Suppl. 70, 3. Zu einer Erklärung der Pönitentiarie vom 30.4.1890 in der Frage des Höllenfeuers (Cavallera 1466) vgl. H. Lange, Schol 6 (1931) 89 f.

3. Eigenschaften der Hölle

a) Ewigkeit

Die Höllenstrafe dauert in alle Ewigkeit. De fide.

Das Caput Firmiter des 4. Laterankonzils (1215) erklärt: „Jene (die Verworfenen) werden mit dem Teufel eine immerwährende Strafe empfangen.“ D 429. Vgl. D 40, 835, 840. Eine Synode zu Konstantinopel (543) verwarf die Apokatastasislehre des Origenes. D 211.
Während Origenes die Ewigkeit der Höllenstrafe überhaupt leugnete, schränkte sie H. Schell († 1906) auf diejenigen ein, die „mit erhobener Hand“, d. h. aus der Gesinnung des Gotteshasses heraus sündigen und im Jenseits an dieser Gesinnung festhalten.

Die Hl. Schrift hebt die ewige Dauer der Höllenstrafe oft hervor, indem sie von einem „ewigen Abscheu“ (Dn 12, 2; vgl. Weish 4, 19), einem „ewigen Feuer“ (Jdt 16, 21; Mt 18,8; 25, 41, Jud 7), einer „ewigen Pein“ (Mt 25,46), einem „ewigen Verderben“ ( 2 Thess 1, 9) spricht. Daß das Wort „ewig“ nicht im Sinne einer zwar langen, aber begrenzten Dauer zu verstehen ist, beweisen parallele Ausdrücke, wie „unauslöschliches Feuer“ (Mt 3, 12; Mk 9, 42 (G 43) oder „Gehenna, wo der Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt“ (Mk 9, 46f (G 47f), sowie die Gegenüberstellung „ewige Pein – ewiges Leben“ in Mt 25, 46. Nach Apk 14, 11 (19, 3) „steigt der Rauch ihrer (der Verdammten) Qual auf in alle Ewigkeit“, d. i. ohne Ende. Vgl. Apk 20, 10.

Die in Apg 3, 21 angekündigte „Wiederherstellung aller Dinge“ bezieht sich nicht auf das Los der Verdammten, sondern auf die bei der Wiederkunft Christi erfolgende Welterneuerung.

Die Väter vor Origenes bezeugen die ewige Dauer der Höllenstrafe einmütig. Vgl. Ignatius, Eph. 16, 2; Justin, Apol. I 28, 1; Martyrium Polycarpi 2, 3; 11, 2; Irenäus, Adv. Haer. IV 28, 2; Tertullian, De poenit. 12. Die Leugnung des Origenes ging von der platonischen Lehranschauung aus, daß der Zweck aller Strafe die Besserung des Fehlenden sei. Origenes folgten Gregor von Nyssa, Didymus von Alexandrien und Evagrius Ponticus. Augustinus verteidigte die endlose Dauer der Höllenstrafe gegen die Origenisten und gegen „Barmherzige“ (Ambrosius), die im Hinblick auf die göttliche Barmherzigkeit die Wiederherstellung der in der Todsünde verstorbenen Christen lehrten. Vgl. De civ. Dei XXI 23; Ad Orosium 6, 7; Echir. 112.

Auf Grund der Offenbarungslehre ist anzunehmen, daß der Wille der Verdammten unbeweglich im Bösen verhärtet und darum für eine wahre Reue unzugänglich ist. Der Grund der Verhärtung liegt darin, daß Gott dem Verdammten jede weitere Gnade versagt. Vgl. S. th. 1 II 85, 2 ad 3; Suppl. 98, 2. 5. 6.

b) Ungleichheit

Das Strafmaß der einzelnen Verdammten ist verschieden je nach dem Grad ihrer Schuld. Sent. communis.

Die Unionskonzilien von Lyon und von Florenz erklären, daß die Seelen der Verdammten mit ungleichen Strafen bestraft werden (poenis tamen disparibus puniendas). D 464, 693. Wahrscheinlich soll damit nicht bloß ein Artunterschied in der Strafe für die bloße Erbsünde (peona damni) und für die persönlichen Sünden (poena damni und poena sensus), sondern auch ein Gradunterschied in der Strafe für die persönlichen Sünden ausgesagt werden.
Jesus droht den Bewohnern von Korozain und Bethsaida wegen ihrer Unbußfertigkeit ein strengeres Gericht an als den Bewohnern von Tyrus und Sidon (Mt 11, 22). Über die Schriftgelehrten wird ein besonders strenges Gericht ergehen (Lk. 20, 47).

Augustin lehrt: „In der Unseligkeit wird es dem einen Verdammten erträglicher ergehen als dem anderen“ (Enchir. 111). – Es ist eine Forderung der Gerechtigkeit, daß die Größe der Strafe der Schwere der Schuld entspricht.-
aus: Ludwig Ott, Grundriss der Dogmatik, 1954, S. 549 – S. 552

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