Der Liberalismus ist Sünde
Was für eine Sünde ist der Liberalismus?
von Félix Sardà y Salvany
Auszug aus Teil 1: Liberalismus ist eine Sünde
Der Liberalismus ist Sünde, man möge ihn betrachten in der Ordnung der Lehren oder der Handlungen. In der Ordnung der Lehren ist er schwere Sünde gegen den Glauben, weil seine Lehrsätze häretisch, wenn er auch vielleicht in der einen oder andern seiner Behauptungen und Verneinungen nicht Häresie ist. Minder Ordnung der Handlungen ist er Sünde gegen die verschiedenen Gebote Gottes und seiner Kirche, weil er offene Übertretung derselben ist. Noch deutlicher: In Beziehung der Lehren ist der Liberalismus eine allgemeine und radikale Irrlehre, weil er alle anderen in sich einschließt; in Beziehung der Handlungen ist er eine radikale und allgemeine Übertretung der Gebote, weil er zu allen Übertretungen derselben berechtigt und sie gutheißt.
In der Ordnung der Lehren ist der Liberalismus Häresie.
Häresie nennt man jede Lehre, welche ausdrücklich und hartnäckig einen christlichen Glaubenssatz leugnet. Der Liberalismus als Lehre leugnet aber erstens alle Glaubenssätze im allgemeinen und dann jeden einzelnen im besonderen.
Er leugnet die unbedingte Gerichtsbarkeit des göttlichen Heilandes über die Menschen und die Gesellschaften und mithin auch die übertragene Gerichtsbarkeit, welche das sichtbare Oberhaupt der Kirche von Gott empfing über alle und jeden einzelnen Gläubigen, welchen Standes und welcher Würde dieselben auch sein mögen. Er leugnet die Notwendigkeit der göttlichen Offenbarung und die Verpflichtung, die dem Menschen obliegt, selbe anzunehmen, so er sein Endziel erreichen will. Er leugnet das formale Glaubensmotiv, d. i. die Autorität des offenbarenden Gottes, indem er bloß jene Wahrheiten der geoffenbarten Lehre annimmt, welche sein kurzer Verstand erfasst.
Er leugnet das unfehlbare Lehramt der Kirche und des Papstes und folglich alle von demselben aufgestellten Lehrsätze. Nach dieser allgemeinen Leugnung in Bausch und Bogen leugnet er noch jedes einzelne Dogma im besonderen oder im Angewandt Konkreten, je nachdem er sie eben gemäß den Umständen im Widerspruch mit seinem rationalistischen Kriterium findet.
Auf diese Weise leugnet er den Taufschein, wenn er die Gleichheit aller Kulte behauptet oder voraussetzt; leugnet die Heiligkeit der Ehe, wenn er die Lehre von der sogenannten Zivilehe aufstellt; leugnet die Unfehlbarkeit des römischen Papstes, wenn er sich weigert, dessen authentische Befehle und Lehren als Gesetz anzunehmen, indem er selbe seinem eigenen Gutachten oder Genehmigungs-Dekret unterwirft, nicht etwa bloß um deren Echtheit zu erklären, wie dieses ursprünglich der Fall war, sondern um über den Inhalt derselben abzuurteilen.
In der Ordnung der Handlungen ist der Liberalismus radikale Immoralität.
Und zwar deswegen, weil er das Prinzip oder die Fundamentalregel jeder Sittlichkeit zerstört, nämlich die ewige Vernunft Gottes, welche in der menschlichen ihren Widerschein wirft und welcher die menschliche untertan sein muss; denn dem Liberalismus gilt jenes absurde Prinzip der unabhängigen Moral als heilig, welche im Grunde genommen die Sittenlehre ohne Gesetz ist, oder was dasselbe ist, die freie Moral, eine Moral, die keine Moral ist, da ja die Idee der Moral, abgesehen vom Begriff einer leitenden Richtschnur, überdies noch die Idee eine Zügelung oder Beschränkung in sich begreift.
Überdies ist der gesamte Liberalismus Unsittlichkeit, weil er in seinem geschichtlichen Entwicklungsgang die Übertretung aller Gebote als erlaubt aufgestellt und gut geheissen hat, angefangen von jenem ersten der zehn Gebote Gottes, das die Verehrung eines einzigen Gottes vorschreibt bis zu jenem, das die Leistung der zeitlichen Verpflichtungen gegenüber der Kirche auferlegt, welches das letzte der fünf Kirchengebote ist.
Daher ist die Behauptung richtig, dass der Liberalismus in der Ordnung der Ideen der absolute Irrtum und in der Ordnung der Handlungen die absolute Unordnung ist. In jeder der beiden Hinsichten ist er ex genere suo seiner Natur nach sehr schwere Sünde, ist er Todsünde.
Die häretischen Lehren und Werke machen die größten aller Sünden aus
Folglich machen die häretischen Lehren und häretischen Werke die größten aller Sünden aus, mit Ausnahme der oben angeführten Sünden, deren indes, wie wir bemerkt haben, gewöhnlich nur der böse Geist und die Verdammten fähig sind. Folglich ist der Liberalismus, welcher Häresie ist, und die liberalen Werke, welche häretische Werke sind, die größte Sünde, die man im Codex des christlichen Gesetzes kennt.
Ja, die Häresie und die häretischen Werke sind von allen die schwärzesten Sünden; und deshalb sind der Liberalismus und die liberalen Handlungen ex genere suo ihrer Natur nach jenes Übel, das jedes Übel übertrifft.
Das Lehramt der Kirche wollen sie nicht anerkennen als die einzig von Gott gesetzte Anstalt, den Gläubigen die geoffenbarte Lehre vorzustellen und ihren echten Sinn zu bestimmen, sondern sie werfen sich vielmehr zu Richtern über die Lehre der Kirche auf und nehmen von derselben nur Jesus an, was ihnen gut dünkt und behalten sich allemal das Recht vor, die gegenteilige Lehre zu glauben, so oft Scheingründe ihnen zu beweisen scheinen, es sei heute falsch, was sie gestern als wahr geglaubt haben.
Indes bildet der liberale Katholizismus oder besser gesagt der falsche Katholizismus einen großen Bestandteil des Katholizismus, den gewisse Leute heute bekennen. Es ist nicht Katholizismus, es ist bloßer Naturalismus, es ist purer Rationalismus; es ist Heidentum mit katholischer Sprache und katholischen Formen, wenn man uns diesen Ausdruck erlaubt. –
aus: Félix Sardá y Salvany, Der Liberalismus ist Sünde, Brennende Fragen (mit Approbation der hl. Indexkongregation), 1889, S. 9 – S. 12
siehe auch den Beitrag auf katholischglauben.online:
Bildquellen
- felix-sarda-y-salvany: wikimedia