Der Liberalismus ist Sünde
Das harte Urteilen über Irrlehrer
Auszug aus Teil 5: Liberalismus ist eine Sünde
Auszug eines trefflichen und entscheidenden Artikels der Civiltà Cattolica
Wir haben bisher gegen die Liberalen unsere Art, wider sie zu schreiben, verteidigt und gezeigt, daß sie durchaus nicht im Widerspruch mit jener Nächstenliebe steht, die sie uns beständig so warm anempfehlen. Und da wir bisher mit den Liberalen gesprochen haben, so wird sich Niemand über den etwas ironischen Ton wundern, den wir bisher angewendet; denn es scheint uns eben keine zu große Grausamkeit, den Aussprüchen und Handlungen des Lügen-Liberalismus eine kleine Verteidigung mit rhetorischen Figuren entgegen zu stellen. Aber da wir einmal diesen Gegenstand berührt haben, so wird es vielleicht nicht unnütze sein, wenn wir, wie billig, einen andern Ton anschlagen und, indem wir hier wiederholen, was wir anderswo bei ähnlichem Anlaß geschrieben haben, schließlich noch einige Worte in ernster und ehrerbietiger Weise an Jene richten, welche weit entfernt liberal zu sein, den Liberalismus vielmehr entschieden bekämpfen, dennoch vielleicht meinen könnten, daß man niemals, gegen wen immer man die Feder führe, jene Würde und Liebe außer Acht lassen dürfe, welcher, wie sie etwa glauben könnten, der von uns angewandte Stil zuweilen nicht entsprochen habe.
Die Verteidigung von P. Mamachi in eigener Sache
Auf diesen Tadel wollen wir etwelche Erwiderung geben, sei es aus schuldiger Achtung vor ihnen, sei es wegen einer bescheidenen Verteidigung unserer Sache. Wir glauben keine bessere geben zu können, als wenn wir diejenige des P. Mamachi aus dem Predigerorden kurz im Auszug wieder geben, die er zu seiner Verteidigung weitläufiger vorbrachte in der Einleitung zum dritten Buch seines sehr gelehrten Werkes: Das freie Recht der Kirche, zeitliches Gut zu erwerben und zu besitzen. – „Obschon manche“, sagt er, „bekennen, daß unsere Gründe sie befriedigten, so erklärten sie dessen ungeachtet in freundschaftlicher Weise, sie hätten in unsern Erwiderungen gegenüber unsern Gegnern mehr Mäßigung gewünscht. Wir haben nicht gekämpft für uns selber, sondern für die Sache des Herrn und der Kirche: und obwohl man unsern guten Namen, wie Jedermann weiß, mit offenbaren Lügen und abscheulichen Verleumdungen zerfetzt hat, so ist dennoch nicht einmal ein Wort der Verteidigung unserer Person über unsere Lippen gekommen. Wenn wir uns nicht desto weniger irgend welchen Ausdruckes bedienten, der Manchem hart und verletzend scheinen könnte, so wolle man uns nicht das Unrecht antun zu denken, daß dies von einem Groll oder von einem Unwillen gegen die Schriftsteller herrühre, die wir bekämpfen, da wir von ihnen nicht nur keine Beleidigung empfangen, sondern nicht einmal mit ihnen verkehrt oder sie gekannt haben. Der Eifer, den wir alle für das Haus Gottes haben müssen, hat uns bewogen zu rufen und die Stimme zu erheben gleich einer Posaune.
Aber der Charakter des Ehrenmannes? Die Gebote der Liebe? Aber die Lehren und Beispiele der Heiligen? Die Vorschriften der Apostel? Der Geist Jesu Christi?
Sachte, nur sachte! Es ist wahr, daß man die Verirrten und auf Abwege Geratenen mit Liebe behandeln müsse, aber es muss begründete Hoffnung vorhanden sein, sie mit diesem Mittel zur Wahrheit zu führen. Ist diese begründete Hoffnung nicht vorhanden, und ist vor allem noch durch die Erfahrung erwiesen, daß wenn wir ruhig zusehen und schweigen und nicht öffentlich aufdecken, wessen Geistes Kind derjenige sei, der die Irrtümer und Irrlehren aussät, dies den Völkern zum unberechenbaren Schaden gereiche, dann ist es Grausamkeit, nicht freimütig die Stimme gegen sie zu erheben, und ihnen jenen verdienten Tadel zu ersparen.
Die hl. Väter in ihren Äußerungen gegenüber Irrlehrern
Die hl. Väter hatten eine vollkommene Kenntnis der Vorschriften der christlichen Nächstenliebe. Und doch nennt der Engel der Schule, der hl. Thomas, gleich im Anfang seiner berühmten Schrift „Gegen die Anfechter der Religion“ den Wilhelm von Saint-Amour und seine Anhänger, obschon sie noch nicht durch ein ausdrückliches Dekret von der Kirche verdammt worden, Feinde Gottes, Diener des Teufels, Glieder des Antichrist, Feinde des Heils des Menschengeschlechts, Verleumder, Ruchlose, die da Gotteslästerungen ausstreuen, Verkehrte, Verworfene, unwissende, Gesinnungsgenossen Pharaos schlimmer den Jovinian und Vigilantius.
Sind wir etwa soweit gegangen?
Der hl. Bonaventura, ein Zeitgenosse des hl. Thomas, hielt es für seine Pflicht, den Gerald hart anzufahren und schalt ihn einen Widerspenstigen, Lästerer, Unsinnigen, Gottlosen, der Torheiten häuft, Verleumder, Betrüger, Giftmischer fleischlicher Begierden, Unwissenden, Lügner, Übeltäter, Vermessenen, Tollen, Treulosen.
Haben wir vielleicht unsere Gegner so betitelt?
Wohl mit Recht wird der hl. Bernhard der honigfliessende genannt. Wir übergehen, was er in harter und empfindlicher Weise gegen Abelard geschrieben; wir beschränken uns auf das, was er gegen Arnold von Brescia schrieb, weil dieser, indem er die Fahne gegen die Geistlichkeit erhoben und getrachtet hatte, sie ihrer Einkünfte zu berauben, einer der Vorläufer unserer modernen politischen Kannegiesser war. Er behandelt ihn als einen Liederlichen, Zügellosen Landstreicher, Verführer, als ein Gefäß der Schmach, nennt ihn Skorpion, welchen Brescia ausgespien, Rom zum Entsetzen, Deutschland zum Abscheu, vertrieben vom Papst, mit dem Teufel hungernd, Ungerechtigkeit verübend, des Volkes Untergang, Sämann der Zwietracht, der das Maul voll Fluch und Verwünschungen hat, heißt ihn Anstifter von Kirchentrennungen, dessen Zähne Waffen, dessen Zunge ein Schwert, einen reissenden Wolf.
Als der hl. Gregor der Große dem Johannes, Bischof von Konstantinopel, einen derben Verweis gab, zieh er ihn einer verruchten, weltlichen Aufgeblasenheit, eines luziferianischen Stolzes, der Anmaßung törichter Wörter, der Eitelkeit, der Böswilligkeit.
Keiner andern Sprache bedienten sich die Heiligen Fulgentius, Propser, Hieronymus, Papst Siricius, Johannes Chrysostomus, Ambrosius, Gregor von Nazianz, Basilius, Hylarius, Athanasius, Alexander von Alexandrien, die hl. Märtyrer Cornelius und Cyprian, Justin der Märtyrer, Athenagoras, Irenäus, Polykarp, Ignatius der Märtyrer, Clemens, kurz sämtliche hl. Väter, welche in den glücklichsten Zeiten der Kirche sich durch die heroische christliche Nächstenliebe hervor taten.
Ich will die Beschreibung der kaustischen Mittel übergehen, welche dieselben gegenüber gewissen Sophisten ihrer Zeit in Anwendung brachten, die noch nicht so wahnsinnig waren, wie unsere neueren im Fach Theologie, und von weniger seltsamen und weniger heftigen politischen Unruhen angetrieben wurden.
Verirrte mit einer liebevollen Härte behandeln
Ich will bloß einige Stellen vom hl. Augustinus anführen, welcher bemerkt, daß die neuerungssüchtigen Irrlehrer ebenso unverschämt sind als sie keinen Tadel dulden können, und daß viele eine Zurechtweisung übel aufnehmen und diejenigen zank- und streitsüchtig heißen, von denen sie einen Verweis bekommen; und er fügt endlich hinzu, man müsse einige Verirrte mit einer gewissen liebevollen Härte behandeln. Nun lasset uns sehen, wie er diese seine Worte befolgt habe. Einige nennt er Verführer, Verbrecher, Blinde, Toren, aufgeblasen von gottlosem Hochmut, Verleumder; andere schilt er Lügner, deren Munde Ungeheuer von Lügen entströmen, Ungerechte, Niederträchtige, Lästerer, verrückte; wieder Andere heißt er höchst törichte Schwätzer, Wütende, Wahnwitzige, stockfinstere Geister, schamlose Stirnen, dreiste Zungen. Und Julian ruft er zu: Entweder verleumdest du mit Wissen, indem du solche Dinge aus der Luft greifest, oder du weißt nicht was du sagst, indem du Lügnern Glauben schenkst; und nennt ihn einen Verschmitzten, Lügner, der nicht richtig im Kopfe, Verleumder, Toren.
Nun sollen unsere Ankläger sagen: Haben wir etwas mehr gesagt und nicht eher viel weniger? –
Dieser Auszug aber soll genügen. Wir haben uns dabei nicht unserer eigenen Worte bedient, wohl aber viele des P. Mamachi ausgelassen, unter andern die Anführung der Stellen aus den hl. Vätern, und zwar bloß der Kürze halber, die uns auch bewogen, jenen übrigens höchst gewichtigen Teil der Verteidigung nicht zu berühren, in welchem Mamachi ähnliche, dem Evangelium entnommene Beispiele einer liebevollen Härte anführt.
Aber schon aus den Beispielen, auf die wir uns berufen haben, können unsere mutmaßlichen geehrten und liebreichen Tadler füglich entnehmen, daß der Grund, auf den sich ihr vermeintlicher Tadel stützt, – welcher Art dieser Grund auch sei, möge er sich herleiten von einem Grundsatz der Sittenlehre, oder von einem gewissen Sinn für gesellschaftliche und literarische Schicklichkeit und für Anstand, – wenn nicht vollständig widerlegt durch das Beispiel vieler Heiligen, die zugleich ausgezeichnet gebildet und gelehrt waren, wenigstens von sehr zweifelhaftem Wert bleibt, und keineswegs als entscheidend und maßgebend vorgebracht werden kann.
Die erklärten Feinde Gottes in üblen Ruf bringen
Wünscht man das Ansehen der Beispiele gepaart zu sehen mit der Gründlichkeit der Beweise, so sind diese ebenso kurz als klar von Kardinal Sforza Pallavicini in seiner Geschichte des tridentinischen Konzils (Buch I., Cap. II) dargelegt worden. Ehe er den Beweis antritt, daß Sarpi ein Schurke von offenbarer Ruchlosigkeit, ein Treuloser, schuldig des abscheulichsten Hochverrates, ein Verächter jeglicher Religion, ein Gottloser und Apostat ist, sagt er dort unter anderm: Sowie es Nächstenliebe ist, das Leben eines Missetäters nicht zu verschonen zur Rettung und Sicherheit vieler Guten, so ist es auch Nächstenliebe, den Ruf eines Gottlosen nicht zu verschonen, um die Ehre vieler Gottesfürchtigen zu retten…
Jedes Gesetz verlangt, daß man um einen Schützling gegen einen falschen Zeugen zu verteidigen, vor Gericht dasjenige vorbringe und erhärte, was diesen entehrt; bei jeder andern Gelegenheit aber würde dieses als Ehrenkränkung gehörig bestraft werden. Wenn ich jedoch vor der Welt nicht etwa bloß einen einzelnen Klienten, sondern die ganze katholische Kirche verteidige, so wäre es eine entsetzliche Pflichtvergessenheit von mir, würde ich nicht dem falschen Zeugen jene ehrenrührigen Anschuldigungen entgegen stellen, welche seine Aussage entkräften und vernichten.
Wenn Jedermann in eigner Sprache sehr gut begreift, daß sein Anwalt pflichtvergessen wäre, der beweisen könnte, sein Ankläger sei ein Verleumder, und es dennoch nicht täte um der Nächstenliebe willen; warum wird es dann so schwierig sein einzusehen, daß man wenigstens nicht offenbare Verletzung der Nächstenliebe dem vorwerfen kann, der dasselbe von den Anklägern und Verfolgern jeglicher Unschuld beweist? Man müßte dann die Lehre des hl. Franz von Sales nicht kennen, die er in seiner Philothea am Schluß des 29. Kapitels des 3. Teiles in der folgenden schönen Stelle erteilt: Unter Allen nehme ich die erklärten Feinde Gottes und der Kirche aus, welche man, so viel man kann (wohl verstanden ohne zu lügen) in üblen Ruf bringen soll. Es ist ein Liebeswerk, Wolf! Wolf! zu rufen, wenn er sich unter den Schafen befindet, oder wo immer man ihn treffen mag.“ –
Soweit die Civiltà Cattolica (vol. I, ser. V, pag. 27), deren Artikel die Kraft des erhabenen und höchst angesehenen Ursprungs, die Kraft der angeführten unwiderlegbaren Gründe, endlich die Kraft der ausgewiesenen herrlichen Zeugnisse enthält. Uns will dünken, daß es nicht so viel bedurft hätte, um Jedermann zu überzeugen, sei er auch liberal, oder jämmerlich vom Liberalismus angehaucht. –
aus: Félix Sardá y Salvany, Der Liberalismus ist Sünde, Brennende Fragen, 1889, S. 85-90