Unterricht für den vierten Sonntag in der Fasten, „Laetare“ genannt.
Um uns zu beharrlichem Eifer in der Buße zu ermuntern, weist uns heute die Kirche auf Jesus, der, wie den Leib, so auch den Geist wunderbar erquickt und nährt, und fordert uns im Eingang der heiligen Messe zur Freude darüber auf. „Freue dich, Jerusalem, und alle, die ihr es liebet, kommet zusammen! Frohlocket mit großer Freude, die ihr traurig gewesen, und sättigt euch mit dem Überfluss seines Trostes.“ (Is. 66, 10) – „Ich habe mich erfreut, als man zu mir gesagt: Lasset uns gehen zum Hause des Herrn“ (Ps. 121, 1) – Ehre sei dem Vater etc.
Gebet der Kirche.
Wir bitten Dich, allmächtiger Gott! Gib, daß wir, die wir unter der Last unserer Sünden nach verdienst leiden, durch die Tröstungen deiner Gnade Erleichterung finden; durch unseren Herrn Jesum Christum. Amen.
Lesung aus dem Brief des hl. Apostels Paulus an die Galater. Kap. 4, Vers 22-31.
siehe: Gal. 4, 22-31
Erklärung.
Alles, was im alten Bund geschah, was von Gott gelehrt oder veranstaltet wurde, war zugleich Bild des Zukünftigen. So auch die Familiengeschichte Abrahams. Er hatte, wie dies aus Zulassung Gottes dazumal häufig stattfand, zwei Frauen. Sara und ihre Magd Agar. Von Agar erhielt er einen Sohn, mit Namen Ismael, ohne außerordentliche göttliche Dazwischenkunft; von der Sara ebenfalls einen, mit Namen Isaak, aber durch besondere göttlicheVerheißung. (1. Mos. 18, 10) – In der Geschichte dieser zwei Weiber und ihrer Söhne sind nun die beiden Testamente vorgebildet. In Agar und ihrem Sohn wird der alte Bund bezeichnet, der Bund, den Gott mit den Juden, welche vermöge der natürlichen Abstammung Kinder Abrahams waren, auf Sinai geschlossen hatte, und dem sie, wie Knechte, mehr aus Furcht vor Strafe und aus Hoffnung auf Belohnung, als aus Liebe sich unterwarfen. Sara und ihr Sohn hingegen bedeuten den neuen, durch Jesus Christus mit dem ganzen Menschengeschlecht geschlossenen Bund der Gnade, Liebe und wahren Freiheit, durch den wir Gottes Kinder und Erben werden.
Das irdische Jerusalem ist die Synagoge, das himmlische die Kirche, die Gottes Sohn, von oben kommend, auf Erden gegründet hat. – Dies neue Jerusalem oder die Kirche Jesu, welche die heiden- und Judenwelt in eins vereinigt, ward durch Jesus weit fruchtbarer, als die Synagoge je war. Sie zählt in ihrem Schoß viele hundert Millionen Menschen aus allen Teilen der Welt, während die sich dagegen empörenden Juden, wie Agar mit ihrem Sohn, verstoßen worden sind.
Übung.
Bedenke, o Christ! Welch ein Glück es ist, ein Kind dieser Freien zu sein, die dir Gottes Gnade vermittelt und in Gottes Reich dich einführt; freue dich darüber, liebe die Kirche, die einzig als Gottes sichtbare Anstalt zum heil der Menschen gegeben ist, wie auch nur ein Jerusalem und ein Tempel war; lebe ihr getreu und gehorsam, damit nicht auch du wegen deiner Untreue und fleischlichen Gesinnung verstoßen werdest, und bete:
O Jesus! Ich danke Dir für die Gnade, in deine heilige Kirche berufen zu sein; gib mir, ich bitte Dich, die fernere Gnade, daß ich mich durch Fasten, Beten und durch Geduld in Verfolgungen und Widerwärtigkeiten deines Leidens teilhaftig und Dir gleich mache, damit ich nicht dereinst als ein fleischlich gesinntes Kind von Dir verstoßen, sondern deiner göttlichen Verheißung und eines ewigen Trostes in dem himmlischen Jerusalem würdig werde. Amen.
Evangelium nach dem hl. Johannes. Kap. 6, Vers 1-15.
siehe: Joh. 6, 1-15
Warum fuhr Jesus über das galiläische Meer?
1) um der Verfolgung des Herodes zu entgehen; 2) um anzudeuten, daß derjenige, welcher des göttlichen Trostes teilhaftig werden will, vorher durch das Meer der Trübsale dieser Welt gehen müsse.
Warum hat sich Jesus an einen einsamen Ort begeben?
Um uns zu lehren, daß man sich oft zur inneren Sammlung und zum Gebet in die Einsamkeit begeben soll, z. B. in die geistlichen Übungen.
Warum stellte Jesus den hl. Philippus auf die Probe?
1) Ums einen Glauben und sein Vertrauen zu Ihm zu prüfen;
2) damit das Wunder den Jüngern und dem Volk um so mehr auffiele, wenn sie vorher überzeugt wurden, daß für so viele hinreichenden Lebensmitteln gewesen;
3) um uns zwei sehr wichtige Lehren zu geben. Wir sollen nämlich zuerst die gewöhnlichen und natürlichen Mittel anwenden, ehe wir übernatürliche suchen; haben wir aber dies getan, so sollen wir mit unbedingtem Vertrauen uns Gott überlassen, der unser Helfer ist in aller Not. (Ps. 9, 10)
Unter welchen äußeren Zeichen hat Jesus das Wunder der Brotvermehrung gewirkt und warum?
Nach dem Bericht des hl. Matthäus (Matth. 14, 19) hat Er 1, gen Himmel gesehen und dadurch angedeutet, daß jede gute Gabe von oben kommt, und daß nur Gott es ist, der alles mit Segen erfüllt; 2) hat Er gedankt, um uns zu lehren, daß wir Gott für seine Gaben stets danken sollen. Der Tisch, sagt der heilige Chrysostomus, welcher mit Gott anfängt und mit Gebet geendigt wird, wird niemals Mangel haben; 3) hat Er das Brot gesegnet, damit wir lernen, daß der göttliche Segen es sei, der allem Gedeihen gebe.
Was für eine tiefere Bedeutung hat dieses Wunder?
Es bedeutet ganz besonders das heiligste Altarssakrament, das nicht nur fünftausend, sondern Millionen Menschen geistig nährt und doch nie aufgezehrt wird. Du magst noch folgende Punkte näher bedenken:
1) Das heutige Wunder weist hin auf die näheren Umstände bei der Einsetzung des heiligsten Altarssakraments; Jesus nahm die Brote, blickte gen Himmel, dankte, segnete, brach sie und gab sie seinen Jüngern, und diese reichten sie der Menge;
2) das heutige Wunder und das heiligste Altarssakrament sind einander ähnlich in Bezug auf die wunderbare Fülle der Speise;
3) in dem Wunder der Brotvermehrung weist Christus hin auf die heilige Kommunion unter einer Gestalt;
4) es macht uns aufmerksam auf die Vorbereitung, die der heiligen Kommunion voran gehen soll; Jesus heilte zuerst die Kranken (Sünder), Er stieg allein auf den Berg (Einsamkeit und Betrachtung);
5) es weist hin auf die Wirkung der heiligen Eucharistie. (Sie erkannten Ihn als Sohn Gottes und lobpreisen Gott.) Diese Wundertat Jesu wird an diesem Sonntag vorgelesen, weil das Osterfest nahe ist und wir uns auf den österlichen Empfang des heiligsten Altarssakramentes vorbereiten sollen.
Warum hat Christus befohlen, die übrig gebliebenen Stücklein zu sammeln?
1) Damit sie nicht zertreten würden und zu Grunde gingen;
2) damit durch die Menge der Überbleibsel die Größe des Wunders an den Tag käme;
3) um uns zu lehren, daß wir die Gaben Gottes, wie gering sie auch zu sein scheinen, in Ehren halten und für die Armen aufbewahren sollen.
Warum entfloh Jesus nach diesem Wunder?
Weil die Leute dieses Wunders wegen Ihn für den Messias hielten und deshalb öffentlich zum König ausrufen wollten; Er war aber nicht gekommen, ein irdisches, sondern ein geistiges Reich zu stiften. – Damit lehrt Er uns
1) bei unsern Handlungen nicht die Bewunderung und Achtung der Menschen, sondern einzig Gottes Ehre und der Menschen Wohl suchen; und
2) die Einsamkeit lieben, um, fern vom Geräusch der Welt, desto freier mit Gott umzugehen.
Übung.
Sorge stets dafür, daß weder von dir, noch von andern Gottes Gaben verunehrt werden und betet stets ohne scheu das Tischgebet.
Gebet.
Barmherziger Jesus! Der Du fünftausend Mann mit fünf Gerstenbroten und zwei Fischen so wunderbar gespeist hast, ernähre uns, deine Kinder, mit der nötigen Speise, auf daß wir nicht durch Hungersnot zu bösen Taten getrieben werden. Gib, daß wir deine Gaben dankbar genießen. Speise auch unsere Seelen mit deinem göttlichen Wort und den heiligen Sakramenten, damit wir, da durch gestärkt, durch alle Gefahren dieses Lebens sicher wandeln mögen bis zur Höhe deiner Glorie und Herrlichkeit. Amen. –
in: Leonhard Goffine, Ord. Praem.; Unterrichts- und Erbauungsbuch oder Katholische Handpostille, 1885, S. 192 – S. 196