Heiligenkalender
13. Februar
Seliger Jordan General des Dominikanerordens
(Weisheit der Rede)
Der heilige Dominikus hat vor 600 Jahren den Predigerorden gestiftet, dessen hauptsächliche Bestimmung war, das Wort Gottes dem Volk zu verkünden. Nach dem Tod des hl. Dominikus wurde Jordan, ein Deutscher aus Westphalen, zum General oder oberster Vorstand des Ordens gewählt. Er schien der würdigste, weil er in jeder Hinsicht ein sehr heiliges Leben führte, so daß sogar Wunder auf sein Gebet geschahen; dann aber auch, weil er eine außerordentliche Gabe hatte, teils vor dem versammelten Volk, teils jedem Einzelnen die eindringlichsten Reden zu halten. Er starb in einer Weise, welche man für einen Weltmenschen als ein großes Unglück ansehen müsste, hingegen für einen Heiligen, dessen ganzes Leben eine Vorbereitung zum Tode war, ein leichter Übergang zur andern Welt ist. Jordan machte nämlich eine Wallfahrt in das gelobte Land, um die Orte zu besuchen, wo der Heiland gelebt und gelitten hat. Während er sich auf dem Wasser befand, kam ein heftiger Sturm, so daß das Schiff unterging, und der selige Jordan mit 29 andern Menschen um das Leben kam. Gott zeigte durch verschiedene Zeichen an, wie wohlgefällig ihm die Seele des Jordan war, und daß sie in die Gesellschaft der Seligen alsbald nach dem Tode aufgenommen worden war. Der Apostel Paulus schreibt im Brief an die Kolosser 4, 6: „Eure Rede sei stets anmutig mit Salz gewürzt, um zu wissen, wie ihr einem Jeden antworten müsst.“ Die Gabe, Jedem gut und treffen zu antworten, hatte ganz besonders der selige Jordan. Ich will mehrere seiner Antworten nun anführen; der Leser kann daran lernen, wie der Christ nicht bloß eifrig sein soll für das Gute (denn blinder Eifer richtet oft nur Unheil an), sondern wie er auch Verstand und Geist anwenden soll, um im rechten Augenblick durch das rechte Wort Andere für das Christentum zu gewinnen.
Einmal war ein Mönch aus dem Predigerorden nach Bononia gesandt um daselbst zu predigen. Derselbe machte durch seine Predigten außerordentlichen Eindruck, so daß die Stadt und die Umgegend deshalb eine feierliche Gesandtschaft an den Ordensgeneral Jordan schickte mit der Bitte, ihnen doch diesen Prediger immer zu lassen. Sie führten besonders als Grund für ihre Bitte an, daß er nun das Wort Gottes bei ihnen gesät habe, daß aber gerade die Frucht, welche man zu hoffen habe, wieder ganz zu Grunde gehen könne, wenn er nicht mehr da wäre. Jordan lobte ihre gute Gesinnung, hielt es aber für nützlicher, einen so vorzüglichenPrediger auch an andern Orten zu verwenden, und gab daher zur Antwort: „Es ist nicht gebräuchlich, daß der Sämann, wenn er ein Feld eingesät hat, sein Bett dahin trage und sich hinlege um abzuwarten, bis der Same Frucht bringt. Vielmehr empfiehlt er Gott den Samen und das Feld, und geht fort um ein anderes Feld auch anzusäen. Auch der Heiland hat gesprochen: „Ich muss auch andern Städten das Reich Gottes verkünden.“
Ein liederlicher Mensch begehrte an der Straße von Jordan ein Almosen, indem er sich arm und krank stellte. Jordan, der kein Geld hatte, schenkte ihm eines seiner Kleidungsstücke. Dieser ging und trug es alsbald in das Wirtshaus, um das Geschenk zu vertrinken. Ein Mönchsbruder bemerkte dieses und warf seinem Vorstand vor, wie schlecht er seine Guttat hier angewendet habe. Der selige Jordan gab zur Antwort: „Die Gutherzigkeit fordert einem Menschen zu geben, den man für arm und krank hält. Und auch jetzt noch will ich lieber das Kleid verloren haben, als die Gutherzigkeit.“
In einer Predigt, welche Jordan über das Verharren in der Sünde hielt, sprach er: „Wenn du einen jungen Menschen unter dem Tor des Klosters sitzen sähest, desgleichen morgen wieder und viele Tage nacheinander, so würdest du denken: dieser Mensch läßt sich gewiß in den Klosterorden aufnehmen. Nun aber wird die Sünde in der heiligen Schrift das Tor der Hölle genannt. Wer demnach Tage und Jahre lang in der Sünde verbleibt, der sitzt Tage und Jahre lang unter dem Tor der Hölle; wohin wird er zuletzt kommen?“
Ein Mann, welcher vom Glauben abgefallen war, bekehrte sich wieder und wollte nun recht ernstlich Gott dienen und deshalb in den Predigerorden eintreten. Der selige Jordan wollte ihn aufnehmen, wenn die übrigen Mönche damit einverstanden wären. Es war aber nur ein einziger dagegen. Jordan sagte: „Jener Mann hat zwar viele Sünden getan, vielleicht tut er aber noch viel mehr, wenn wir ihn nicht der Welt entreißen und aufnehmen.“ Der Mönch antwortete, das kümmere ihn nicht. Darauf sprach Jordan das schöne Wort: „Gewiß, Bruder, wenn du für jenen Sünder auch nur einen einzigen Tropfen Blut vergossen hättest, wie Christus für ihn all` sein Blut gegeben hat, dann würdest du dich anders um ihn kümmern.“ Jener Mönch ward von dieser Antwort so beschämt und ergriffen, daß er reumütig sich nieder warf, und gern einwilligte.
Ein Mönch wurde in der Versammlung beschuldigt, er habe die Hand einer Frau in die seinige genommen. Der Mönch verteidigte sich damit, daß er sagte, es sei eine rechtschaffene Frau gewesen. Darauf gab der selige Jordan als Vorstand zur Antwort: „Der Regen ist etwas Gutes und die Erde ist etwas Gutes, und doch entsteht Kot aus der Vermischung des Regens und der Erde. So kann auch die Hand des Mannes gut sein, wie die des Weibes, dennoch entsteht zuweilen durch das wechselseitige Handgeben ein böser Gedanke oder böse Anwandlung.“
Ein Mönch fragte den seligen Jordan, was nützlicher sei, fortwährend zu beten, oder die Religions-Schriften zu studieren. Darauf gab dieser zur Antwort: „Was ist besser, immer trinken oder immer essen? Sowie man damit abwechseln muss, so auch mit jenem.“
Selbst dem scheinbaren Übel wußte Jordan eine gute Seite abzugewinnen. Er wurde einmal durch eine schwere Krankheit an einem seiner Augen blind. In Betrachtung, wie vielfältig der Mensch durch den Sinn des Gesichtes in Versuchung gebracht werde, und wie dennoch das Augenlicht ein großes Gut sei, ließ er die Mönche zusammen kommen und sprach: „Brüder, sagt Gott Dank mit mir, daß ich einen Feind verloren habe; aber bittet auch den Herrn, daß er mir das andere Auge, wenn es ihm gefällt und mir frommt, erhalten möge.“
Es sagte Jemand zu dem heiligen Mann: „Wie kommt es, daß, seit euer Predigerorden aufgekommen ist, keine so gute fruchtbare Jahre mehr kommen, als vorher?“ – Jordan sagte: „Ich könnte zwar dieses in Abrede stellen und das Gegenteil beweisen; doch wenn es auch so wäre, so geschähe der Welt kein Unrecht. Denn seit wir den Leuten predigen, bringen wir sie zur Erkenntnis von Sünden, die sie vorher nicht für Sünden hielten; und dennoch bessern sie sich nicht. Das Evangelium sagt aber: der Knecht, welcher den Willen seines Herrn weiß, und ihn nicht tut, bekommt mehr Schläge, als der, welcher ihn nicht weiß und auch nicht tut. Wenn ihr euch daher nicht bessert, da ihr nun durch unsere Predigten wisset, was Gott von euch will: so verdient ihr mehr Strafe und schlimmere Zeiten als früher.“
In seinem liebevollen Geist wußte er das, was zum Ärgernis gereichen konnte, zur Erbauung zu wenden. Er hatte einmal auf der Reise viele Novizen gewonnen, d. h. solche junge Leute, die sich entschlossen in den Mönchsorden einzutreten. Da sie nun in einem Absteigquartier die gemeinschaftliche Abendandacht hielten, fing einer der Novizen an zu lachen. Ein Mönch winkte ihnen still zu sein, worauf das Gelächter noch größer wurde. Da sprach der ehrwürdige Jordan zu den Jünglingen: „Liebste, lacht herzhaft, ich gebe Erlaubnis dazu. Denn ihr dürft euch mit Recht freuen und lachen, daß ihr die Bande der Welt und des Satans zerrissen habt, worin ihr Jahre lang gebunden wart, und nun zur Freiheit des gottseligen Lebens gelangt seid. Lacht darum nur.“ Durch diese Worte wurden die Jünglinge sehr erbaut, und alles lachen war ihnen nachher vergangen.
Ein Klosterbruder, welcher die Schaffnerei, d. h. die zeitlichen Geschäfte des Klosters besorgen musste, bat inständig sie ihm abzunehmen. Der selige Jordan sagte: „Es können vier Dinge mit einem solchen Amt verknüpft sein, nämlich Nachlässigkeit, Ungeduld, Mühe und Verdienst. Von den zwei ersten entbinde ich dich, die zwei andern aber lege ich dir auf zur Vergebung der Sünden.“
Manchmal brachte er in seinen Predigten die nämliche Belehrung und Mahnung vor, die er sonst schon gebracht hatte. Da ihm dieses vorgehalten wurde, sagte er: „Wenn man einige gute Kräuter gefunden, und sie sorgfältig zu einer speise zubereitet hat: so ist es nicht angemessen, sie alsbald wieder hinweg zu werfen und mühsam andere zu suchen.
Die Geistesgaben sind zwar von Natur verschieden, der Eine hat mehr, der andere weniger Verstand; auch kommt es darauf an, ob man größeren oder geringeren Unterricht bekommen hat, und es läßt sich nicht vorschreiben, schnell und sicher immer die beste Antwort zugeben. Aber es gibt ein mittel, wahre Weisheit zu gewinnen und zuweilen viel bessere und gründlichere Antwort zu geben, als weltkluge und hochgelehrte Männer zu geben wissen; dieses Mittel ist ein wahrhaft frommes christliches Leben. Auch hier zeigt sich die tiefe Wahrheit des Ausspruches, den der Apostel Paulus tut 1. Tim. 4, 8: „Die Gottseligkeit ist zu allem nütze.“ Sie ist stärker als Natur und Unterricht, sie gibt selbst dem Einfältigen oft Einsicht und das Gold der ewigen Weisheit, wie sie mit aller menschlichen Wissenschaft nicht gefunden wird.-
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 1 Januar bis März, 1872, S. 230 – S. 234