Seliger Tutilo Mönch von St. Gallen

Christus sitzt in der Mitte, Löwe und Stier zu seinen Füßen

Heiligenkalender

27. April

Der selige Mönch Tutilo sitzt im Kloster auf einem Stuhl vor einem Bild und malt die Muttergottes Maria; er sieht auf eine heilige Frau; sein Pinsel ist gerichtet auf eine Frau mit einem Kind auf dem Arm

Der selige Tutilo Mönch von St. Gallen

Tutilo, aus einem fürstlichen Geschlecht Deutschlands um 840 entsprossen, war ein viel bewunderter Fürst in mancher Beziehung: er war ein Fürst an körperlicher Größe und Schönheit, ein Fürst an Reichtum des Geistes und Herzens, ein Fürst an Adel der Gesinnung und des Benehmens, ein Fürst in den Wissenschaften und Künsten, ein Fürst in der Demut und Frömmigkeit. Alle Genüsse und Ehren der großen Welt verschmähend trat er in das Kloster St. Gallen und machte dort sein Noviziat mit dem hl. Notker (siehe 8. April), mit dem ehrwürdigen Salomon, dem späteren Bischof von Konstanz und mehreren andern ausgezeichneten Dienern Gottes. Als Kaiser Karl der Dicke davon Kunde erhielt, soll er in seinem Ärger den Ratgeber verwünscht haben, welcher den Tutilo vermocht hatte, seine seltenen Talente und Eigenschaften, die ihn eines Königsthrones würdig gemacht hätten, unter einer Mönchskutte zu vergraben. Allein Tutilo freute sich in der süßen Einsamkeit, dem Kaiser zurück gelassen zu haben, was des Kaisers ist: die weltliche Ehre und Eitelkeit; und Gott gegeben zu haben, was Gottes ist: sein Herz. Im Kloster genoß er das Glück, dem hl. Marcellus, einen sehr gelehrten und sanftmütigen Ordensmann, in den philosophischen und theologischen Fächern zum Lehrer zu haben, welcher das kostbare Geschick besaß, seine Schüler nicht bloß in die Tiefen der aufblühenden Wissenschaft einzuführen, sondern auch zugleich die Flamme gottbegeisterter Frömmigkeit in ihnen anzuzünden und zu nähren. Unter der Leitung dieses heiligen machte Tutilo solche Fortschritte, daß er durch die Größe seines Wissens und durch die Reinheit seines Lebens unter den Studien genossen wie die Sonne unter den Sternen leuchtete.

Als er selbst auf den Lehrstuhl erhoben wurde, strömte der junge Adel aus Alemannien und Frankreich zu seinen Füßen und lauschte mit mit Bewunderung seinen beredten und geistreichen Vorträgen. Mit hoher Verehrung schaute die Welt auf diesen demütigen Benediktiner, der bei seiner großen Gelehrsamkeit auch ein tiefer Kenner der Musik, ein Meister im Gesang und in Handhabung der Blas- und Saiteninstrumente, ein geschätzter Baumeister, ein Künstler im Malen, Bildhauen und in halberhabenen Arbeiten war, die er in jedem Metall auszuführen verstand. Natur und Gnade hatten ihre schätze zusammen gelegt, ihn zu einer Zierde des Mönchtums zu machen. Fürsten zogen ihn zu Rate in den wichtigsten Angelegenheiten, und Personen der niederen Stände fanden ihn immer und gerne bereit, ihnen jeden Liebesdienst zu erweisen. Tutilo`s Ruhm als Gelehrter und Künstler ward noch übertroffen von der reinen Anspruchslosigkeit seiner Demut, von der tiefen Innigkeit seiner Andacht im Gebet und in der Betrachtung, in welcher er mit der Tränengabe begnadigt war, und von der zarten Kindlichkeit seiner Liebe zur jungfräulichen Gottesmutter Maria, durch deren Gunst und Fürbitte er so besondere Gnaden erhielt.

Die Überlieferung hat ein gar liebliches Beispiel aufbewahrt, wie huldvoll Maria gegen ihren treuen Verehrer war. Tutilo musste nachMetz, um dort eine Kirche auszumalen. In zutraulicher Innigkeit des Herzens bat er Maria, daß sie ihm doch helfe, diese Arbeit zur Ehre Gottes auszuführen. Eines Tages, als er damit beschäftigt war, das Bild der göttlichen Mutter mit dem Jesuskind auf dem Arm zu malen, kamen zwei Fremde in die Kirche, bewunderten die Schönheit der schon vollendeten Gemälde und sahen neben Tutilo eine überaus liebliche Jungfrau stehen, welche ihn in der Arbeit unterstützte. Neugierig fragten sie einen anwesenden Domherren, ob jene Jungfrau etwa die Schwester des Künstlers sei, dieser, der bislang Niemanden bemerkt hatte, schaute auf und sah zu seinem größten Erstaunen die allerseligste Jungfrau in himmlischer Schönheit, wie sie an der Seite des emsigen Mönches stehend, ihm je nach Bedürfnis die Farben darreichte und die Pinsel wechselte. „O dreimal glücklicher Tutilo“, rief er ihm zu, „der du eine so erhabene Gebieterin bei dir hast, um in der Arbeit dir behilflich zu sein.“ Der Diener Gottes stellte sich, als verstehe er den Sinn dieser Worte nicht, und tadelte, daß es nur Einbildung sei; allein der Domherr machte dieses Wunder in der Stadt bekannt.

Als Tutilo dies am Abend fuhr, verließ er, obwohl das Bild noch nicht vollendet war, in der Nacht noch die Stadt, um jedem Menschenlob auszuweichen. Am folgenden Morgen strömte das Volk zur Kirche, fand freilich den Künstler nicht mehr, sah aber ein neues Wunder; denn das Gemälde war vollkommen bis auf den letzten Pinselstrich fertig. Niemand wußte, wer dasselbe ganz vollendet habe; aber Alle waren geneigt zu glauben, daß Maria selbst das noch Mangelnde ausgeführt habe. Deshalb wurde diesem Gemälde die Inschrift gegeben: „Dieses Mutter-Gottes-Bild hat die gütige Jungfrau selbst gemalt.“ – Tutilo, ins Kloster St. Gallen zurück gekehrt, verschwieg den merkwürdigen Vorfall so vollständig, daß seine Mitbrüder keine Silbe davon vernahmen, bis der Bischof von Metz ihnen davon Anzeige machte.

Als er seine Kräfte im Dienst Gottes und der Mitmenschen aufgezehrt und viele Wunder an Kranken und Besessenen unter Anrufung des hl. Gallus gewirkt hatte, starb er, reich an Verdiensten, im Rufe der Heiligkeit am 27. April 909 oder 912, und wurde in der Kapelle der hl. Katharina beigesetzt.

An seinem verehrten Grabe geschahen viele wunderbare Gebetserhörungen.

Das Kloster St. Gallen besitzt heute noch von ihm einige Hymnen, ein geschnitztes Bild der Himmelfahrt Mariä, eine Statue des hl. Gallus und von seiner Goldschmiedearbeit einen Deckel zu einem Evangelienbuch. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 319 – S. 320

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