Heiligenkalender
11. Mai
Der heilige Majolus Abt von Cluny
(Wunder des Priestertums)
Wenn du den Anfang dieser Legende aufschlägst, so findest du den hl. Odilo am 1. Jenner Dieser große Heilige hat selbst das Leben des hl. Majolus, dessen Tag man heute feiert, geschrieben und hinterlassen; Odilo war nämlich Abt in dem vor Alters her berühmten Kloster Cluny in Aquitanien, und der hl. Majolus war sein Vorgänger. Aber auch noch andere Männer, welche zur Zeit des hl. Majolus lebten, haben dessen Leben beschrieben, weil dasselbe durch Heiligkeit und Wunder so merkwürdig ist.
Er war aus einer reichen Familie, und hatte schon in jungen Jahren sich durch Wissenschaft und frommen Wandel ein solches Ansehen erworben, daß er zum Erzbischof von Besançon erwählt wurde. Allein Majolus weigerte sich durchaus diese Würde anzunehmen, sondern zog sich in das Kloster Cluny zurück und wurde ein einfacher Mönch. Aber das Licht läßt sich nicht verbergen – auch hier erkannte man bald, was das Kloster für einen kostbarenGewinn an diesem Mann gemacht habe und er wurde zum Abt des Klosters gewählt. Ja, später sollte Majolus sogar Papst werden, wogegen er sich jedoch eben so standhaft sträubte, wie früher gegen die Bischofswahl, indem er nach seiner Demut behauptete, daß er nicht die nötigen Eigenschaften dazu besitze. Drei Jahre vor seinem Tod, der auf den heutigen Tag im Jahre 994 fiel, machte er den hl. Odilo zum Beistand in seinem Vorsteheramt.
Von diesem hl. Abt sind nun viele Wunder aufgeschrieben, deren ein Anzahl hier erzählt werden soll. Einmal bettelte ihn eine Menge Armer an; unter diesen war aber auch ein Blinder, welcher nicht ein Almosen begehrte, sondern das Augenlicht. Er sagte nämlich, es sei ihm geoffenbart worden durch den Apostel Petrus, er könne durch das Wasser, womit Majolus seine Hände wasche, das Augenlicht wieder bekommen. Ungeachtet seines barmherzigen Gemütes weigerte sich Majolus dennoch dem Blinden solches Waschwasser zu geben; die Demut ließ ihm solches nicht zu. Er ging fort, während der Blinde mit Bitten und Flehen nachrief; dieser aber erfuhr von andern Leuten, welchen Weg der hl. Abt vorbei kommen müsse. Dort stellte sich der Blinde hin und als er hörte, daß Majolus auf der Straße daher reite, faßte er die Zügel des Pferdes, kniete nieder und flehte den hl. Abt auf`s Inständigste an ihm zu helfen. Besiegt durch die Bitte und die Not des Blinden stieg Majolus vom Pferd, segnete das Wasser, welches der Blinde in einem Gefäß mitgebracht hatte, wusch ihm die Augen damit und sprach: „Der selige Apostel Petrus bete für dich im Namen des Herrn Jesu Christi.“ Auf diese Worte bekam der Blinde wieder das Augenlicht. Majolus forderte ihn und die Umstehenden auf, sie sollten das Wunder nicht weiter erzählen, sondern nur in der Stille Gott dafür danken. – In gleicher Weise bekam auch ein blinder Knabe das Gesicht wieder, als sein Vater sich von dem Waschwasser des hl. Majolus verschafft und vollVertrauen die Augen seines Kindes damit gewaschen hatte.
Zur damaligen Zeit gab es eine schreckliche Krankheit, welche man das heilige Feuer hieß, und furchtbare Schmerzen und den Tod brachte. Die Kranken von dieser Art rissen sich vor Qual oft die Haare aus, und konnten nicht essen und nicht schlafen. Von dieser höllischen Plage, wogegen es keine Mittel sonst gab, wurden mehrere Personen durch die Fürbitte des hl. Majolus geheilt.
Einst machte Majolus eine Wallfahrtsreise nach Rom und kehrte bei einem Bischof ein. Dieser war gerade sehr schwer krank; Majolus ermahnte ihn die Heimsuchung Gottes christlich zu ertragen und seine Schmerzen als ein Fegefeuer anzunehmen. Da gerade die Karwoche einfiel, wo das hl. Öl geweiht wird und solches nur durch einen Bischof geschehen kann, so bat der Bischof seinen frommen gast, daß dieser ihm die Gnade, aufstehen und das hl. Öl weihen zu können, von Gott erbitten möge; Majolus willigte ein und sein Gebet war so wirksam, daß alsbald die Gesundheit des Bischofs wieder hergestellt war und derselbe die bischöflichen Verrichtungen wieder selbst besorgen konnte. Desgleichen wurden noch manche andere Kranke durch das Gebet des hl. Majolus geheilt. Einmal wurde ein Nachen, der voll Menschen auf der Rhone untersank, durch das Gebet und Kreuzzeichen des hl. Majolus wunderbar den Fluten entrissen und alle Menschen gerettet.
Majolus war in ähnlicher Weise wie sein Nachfolger, der hl. Odilo, außerordentlich wohltätig gegen die Armen. Da nun einmal die Feldfrüchte in der Gegend von Cluny missraten waren, so teilte Majolus die Lebensmittel des Klosters an die herbei strömenden Armen aus, so daß beinahe nichts mehr übrig war. Der Verwalter klagte voll Angst, daß Vorrat kaum mehr für die Angehörigen des Klosters zureichen. Majolus tröstete ihn einfach mit der evangelischen Verheißung, daß Gott für Alle, die ihn fürchten und lieben, schon sorgen werde. Aber es kamen immer noch mehr Arme, Witwen und Waisen und flehten den hl. Abt unter Tränen um Brot an, und doch war nichts mehr da. Was sollte nun der barmherzige Mann machen? Er wendete sich an die Quelle aller Barmherzigkeit, an Gott; in einer einsamen Kapelle betete er inständig um Hilfe, und wendete das Gebet als geistliches Almosen den Armen zu, da er kein sichtbares mehr zu geben hatte. Indem Majolus nach seinem Gebet die Augen wieder abwärts wendete, so sieht er sieben Goldstücke vor sich liegen. Er vermutet, es sei ein Blendwerk des Teufels, und wendet sich wiederholt zum Gebet; allein so oft er wieder abwärts schaute, sah er die Goldstücke wieder. Beruhigt sah er sie als ein Geschenk Gottes an, ließ damit die Nahrungsmittel, welche man für den Tag im Kloster nötig hatte, kaufen, und alles Übrige an die Armen verteilen.
Die verschiedenen Schriften über den hl. Majolus erzählen noch mehrere andere Wunder, welche teils zu Lebzeiten, teils nachdem Tod des hl. Abtes auf dessen Fürbitte geschehen sind, so daß seine Person ein großer Segen geworden ist für solche, die in irgendeiner Not vertrauensvoll ihn als Fürsprecher aufsuchten. Ganz dasselbe, nämlich viele wohltätige Wunder, findet man auch in dem Leben anderer Heiligen. Deshalb hat die ganze Umgegend sehr oft es für den größten Schatz angesehen, wenn ein wahrhaft heiliger Mensch daselbst gewohnt hat; ja die Katalonier wollten sogar den hl. Romuald (7. Hornung) tot schlagen, als er von ihnen weg zu ziehen im Begriff war, damit sie ihn wenigstens tot hätten und sein Leichnam Segen über ihr Land brächte – es war zwar diese Gesinnung unsinnig, roh und sündhaft, zeigte aber doch, wie hoch man die Gegenwart eines Heiligen schätzte. Nun stelle ich aber die Behauptung auf, daß Gott durch einen christlichen Priester noch viel größere Gaben schenkt, als die äußerlichen Wunder im Leben eines Heiligen sind – nämlich Gott wirkt alle Tage durch den Priester innerliche Wunder an den Seelen. Jeder Priester wird durch die Priesterweihe ein geistlicher Wundertäter. Der hl. Majolus hat einen blinden Knaben und einen blinden Bettler sehend gemacht. Der Menschengeist ist aber auch von natur aus blind; er kenntGott nicht, noch den Weg zu Gott, und in Bezug auf seine Bestimmung lebt er in Nacht und Todesschatten. Erst im Glauben kommt der Menschengeist gleichsam zum Licht und zum Sehen – und dieses Licht, diese Erleuchtung des Glaubens wird angezündet durch den christlichen Unterricht, welchen der Priester in Schule und Kirche gibt. – Der hl. Majolus hat von Krankheit, schweren Schmerzen und Todesgefahr geholfen. Die Seele des Menschen ist aber durch viel mehr und ärgere Krankheiten verdorben, als man nur in einem Spital leibliche Krankheiten antreffen kann; durch Neid, Gehässigkeit, Zorn, Falschheit, Genusssucht, Hoffart, Unreinigkeit usw. Und jede Sünde, womit der Mensch in die andere Welt hinüber geht, bringt ihm schreckliche Schmerzen; manchmal regen sie sich schon in diesem Leben als Gewissensbisse – die Trennung von Gott durch die Sünde ist aber zugleich der Tod der Seele, indem ihr Leben in der Verdammung so wenig ein Leben genannt werden kann, als wenn ein Leichnam im Sarg wieder aufwacht und im Grab drunten sich in schrecklicher Verzweiflung windet und nicht heraus kann. Auch hier hat der Priester gleichsam Wundergewalt; der Heiland hat zu den Aposteln und ihren Nachfolgern gesagt: „Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben.“ Wer wohl vorbereitet in der Beichte losgesprochen wird, dem verhilft der Priester zur Genesung, befreit ihn von künftigen Schmerzen und ewigem Tod. – Der hl. Majolus wurde auf seinGebet in Stand gesetzt, die Hungrigen zu ernähren; die Seele bedarf aber, um für Gott zu leben und für den Himmel heran zu wachsen, auch einer Speise, und diese Seelenspeise erlangt man auch durch das Gebet des Priesters. Wenn er nämlich in der hl. Messe die Konsekrations-Worte ausspricht, so wandelt Gott die Hostie in den allerheiligsten Leib Christi für uns zur Speise.
Deshalb sind die Wohltaten und die Wunder, welche Gott selbst durch den gewöhnlichen Priester uns täglich zuwendet, noch viel größer, als die übernatürlichen Heilungen und Hilfe für Not des Leibes, wie sie im Leben mancher Heiligen vorgekommen sind. Deshalb wird der erleuchtete Christ Gott loben und preisen für die Wunder, wodurch er seine Heiligen oft vor der Welt verherrlicht hat; – er wird Gott aber noch viel mehr loben und preisen für die wunderbaren Wohltaten und die heilvollen Wunder, welche er alle tage in Millionen von katholischen Gemeinden durch die Priester den Menschen zuwendet, und an welchen jeder Katholik seinen Anteil hat. – aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 2 April bis Juni, 1872, S.200-204